17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 6

Erich IrlstorferCDU/CSU - Personalbemessung in Gesundheit und Pflege

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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute diskutieren wir über den Antrag der Fraktion Die Linke, betitelt mit „Gute Arbeit – Gute Versorgung: Mehr Personal in Gesundheit und Pflege“. Wenn ich das so lese, kann ich nur sagen: Da sind wir beieinander.

(Beifall des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Ich möchte aber gerne auf zwei Punkte eingehen, die Sie vielleicht übersehen. Als Koalition haben wir bereits eine Vielzahl greifbarer Verbesserungen für die Pflege in unseren Pflegeheimen, Einrichtungen und Krankenhäusern beschlossen. Größtenteils sind diese auch umgesetzt. Prinzipiell befürworten wir als CDU/CSU-Fraktion zusätzliche personelle Verbesserungen im Bereich der Krankenhauspflege und in anderen Bereichen. So wie Sie, die Linke, sich das vorstellen, wird man aber aus unserer Sicht Fortschritte weder für das Pflegepersonal noch für die Angehörigen und auch nicht für die Patienten erreichen.

In Ihrem Antrag ist die Rede von mindestens 100 000 Vollzeitstellen in der Pflege,

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das hat Ihnen Professor Simon in der Anhörung vorgerechnet!)

die Sie schaffen wollen. Bei diesen Zahlenspielen bleibt aber offen, woher Sie das Geld nehmen und vor allem woher das ausgebildete Pflegepersonal kommen soll.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommen wir zum Punkt!)

Fest steht: Nur wenn wir eine ausreichende Anzahl an Pflegekräften in den Krankenhäusern und den Altenpflegeeinrichtungen sicherstellen, können wir eine Pflege garantieren, die heutigen und zukünftigen Standards und Anforderungen entspricht. Hier setzen wir, die Union, vor allem auf die Fachlichkeit, die Individualität und die Menschlichkeit. Die Kombination aus Herz und Verstand ist unser Ziel und gibt die Richtung vor.

(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie mal den Fachkräften!)

Klar ist auch: Der Personalbedarf in der Krankenpflege wird aufgrund des demografischen Wandels in den folgenden Jahren weiter steigen; das wissen wir. Wenn wir über Pflege reden, reden wir auch über einen Zukunftsberuf und somit über einen der wichtigsten Berufe in Deutschland. Das ist die Botschaft, die wir in die Pflegeszene senden wollen, und nicht Ihre Horrormeldungen, die Sie heute von sich geben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen unter anderem dafür sorgen, dass das Berufsbild an Attraktivität gewinnt, etwa durch erweiterte Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, wie sie im Pflegeberufsgesetz eröffnet werden sollen. Frau Scharfenberg, ich möchte deutlich sagen: Wir kennen die Sorgen. Wir haben darüber schon mehrfach diskutiert. Wir kennen den Referentenentwurf und wissen, dass wir hier nachbessern müssen; das ist völlig klar.

(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann geben Sie sich einen Ruck, und tun Sie das Richtige!)

Aber wir nehmen das als Basis und Diskussionsgrundlage.

Ich möchte an dieser Stelle noch etwas anmerken. Qualifiziertes und motiviertes Personal möchte vor allem ernst genommen werden, möchte ordentlich bezahlt werden und will vor allem Rahmenbedingungen haben, die passen. Qualifiziertes und motiviertes Personal will nicht nur erst einmal gewonnen werden. Vielmehr müssen wir auch darüber reden, wie wir das in den Einrichtungen vorhandene Personal halten.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Dann müssen Sie die Rahmenbedingungen verändern!)

– Das ist klar. – Tatsache ist ja auch, dass Krankenpfleger – und wir nehmen das sehr ernst – oft nur wenige Jahre in ihrem Beruf verbleiben. Daher wäre es notwendig, über neue, über innovative Ideen auf diesem Gebiet zu diskutieren. Das wäre zielführender in meinen Augen, als über starre Personalbemessungsvorgaben zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Dann fragen Sie doch einmal das Personal im Krankenhaus!)

Mit dem im November verabschiedeten Krankenhausstrukturgesetz und dem darin enthaltenen Pflegezuschlag sowie dem Pflegestellen-Förderprogramm haben wir – das wurde schon ein paarmal erwähnt – den ersten Schritt getan und dafür gesorgt, dass die teilweise problematische Personalsituation in Krankenhäusern zielgerichtet verbessert wird. Man hört natürlich von der Opposition immer wieder, das gehe nicht schnell genug, die Mengen passten nicht usw. Aber das, was Sie von uns teilweise verlangen, geht in eine Richtung, zu der ich sage: Die nächste Stufe wäre zaubern. Das geht halt nicht.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Entscheiden!)

Sie können uns vieles vorwerfen, aber wir haben hier viel verbessert. Wir haben viel Geld in die Hand genommen. Beim Pflegestellen-Förderprogramm sind in den nächsten drei Jahren die schon erwähnten 660 Millionen Euro dafür vorgesehen, dass Krankenhäuser dauerhaft mehr Pflegepersonal einstellen können. Auch der von unserer Koalition erreichte Ersatz des Versorgungszuschlags durch einen Pflegezuschlag ist hier ein wichtiger Erfolg, den Sie nicht kleinreden sollten, da die 500 Millionen Euro auf diese Weise im System bleiben und gleichzeitig die Vorhaltung von Pflegepersonal belohnt wird. Denken Sie doch bitte einmal darüber nach! Und Häuser mit relativ mehr Pflegepersonal bekommen jetzt auch mehr Geld. Personalabbau dagegen wird geahndet. Das sind doch deutliche Verbesserungen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Ihrem Antrag fordern Sie auch eine Pflege, die sich – ich zitiere – „an individuellen Mehrbedarfen orientiert“. Da frage ich mich aber, wie Sie diesen individuellen Bedarf ohne Fallpauschalen oder DRGs überhaupt feststellen wollen. Durch eine Abschaffung dieser Parameter bewirken Sie nämlich letztendlich nur, dass das kostenintensive Krankenhaus finanzielle Unterstützung erfährt, unabhängig davon, ob es wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit oder erhöhtem Aufwand Kosten verursacht.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Weinberg zulassen?

Gerne.

Bitte schön.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Der redet doch gleich noch einmal!)

– Darf trotzdem.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Der kann doch nachher noch sprechen!)

– Darf trotzdem.

Vielen Dank. – Allerdings nachher mit einer eingeschränkten Redezeit.

Der Redner hat die Frage zugelassen.

Kollege Irlstorfer, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich habe nur eine Frage. Sie haben gerade auf die 500 Millionen Euro Pflegezuschlag abgestellt, also den Versorgungszuschlag, der in einen Pflegezuschlag umgerechnet worden ist. Es ist ja so, dass die Verteilung schon danach geht, wo welche Pflegestellen sind. Aber wo im Gesetz, bitte schön, haben Sie festgelegt, dass die Verwendung für die Pflege stattfindet? Das Krankenhaus kann dieses Geld genauso für Investitionen, genauso für Schuldendienst und ähnliche Sachen verwenden.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Nein! Quatsch! – Hilde Mattheis [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Es muss überhaupt nicht in die Pflege fließen.

(Beifall bei der LINKEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, Herr Kollege!)

Herr Kollege.

Herr Kollege, ich möchte Sie da korrigieren. Es ist inhaltlich falsch, was Sie hier sagen. Das ist das eine. Zweitens. Wissen Sie, was uns vor allem unterscheidet? Sie trauen den Menschen nichts zu. Das ist der Punkt.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Frage beantworten!)

Oder Sie trauen ihnen Sachen zu, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können. Wir haben das geregelt, und deshalb wird dieses Geld auch sachgerecht eingesetzt werden. Glauben Sie mir das.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Sehr geschickt ausgewichen! – Zuruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf auch darauf aufmerksam machen, dass im Krankenhausstrukturgesetz bestimmt wurde, dass eine Expertenkommission spätestens bis Ende 2017 Wege vorstellen soll, wie eine sachgerechte Abbildung des Pflegebedarfs im DRG-System oder über ausdifferenzierte Zusatzentgelte erfolgen kann. Nur auf diese Weise sind zielgerichtete Maßnahmen zur Stärkung der Pflege in den Krankenhäusern in meinen Augen möglich.

Personalbemessungsstandards in der Krankenhausplanung sind eine viel zu unflexible Maßnahme, um vor Ort zeitnah auf wachsenden oder sinkenden Personalbedarf reagieren zu können. Mit Vorgaben von oben – so wollen Sie ja handeln –, wie viele Pflegekräfte zu einem gegebenen Zeitpunkt auf der Station X in der Klinik Y zu sein haben, kommen wir nicht weiter, weil wir die speziellen Verhältnisse eines Krankenhauses, seinen Bedarf, die jeweiligen regionalen Besonderheiten und weitere Faktoren nicht kennen und auch generell nicht abschätzen können. Hier muten Sie sich, wie ich glaube, ein bisschen zu viel an Kompetenz zu.

Wenn im vorliegenden Antrag der Anstieg der Anzahl der Krankenhäuser in privater Trägerschaft beklagt wird – das verwundert mich schon –, stellt sich die Frage: Auf welcher Basis denn eigentlich? Der „Krankenhaus Rating Report 2015“ kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass sich keine signifikanten qualitativen Nachteile bei privaten Krankenhäusern zeigen, sondern dass, im Gegenteil, Qualität und Wirtschaftlichkeit oft in einer Zielharmonie zueinanderstehen.

Dass Krankenhäuser Gewinn machen dürfen, ist in meinen Augen nicht das Problem. Wenn diese ihre Gewinne in Innovationen und in Strukturverbesserungen reinvestieren, ist das sogar ein Vorteil. Ein Problem hingegen ist, dass die Häuser aufgrund von teilweise leider ausbleibenden Investitionen vonseiten der Länder am ehesten – das gehört zur Wahrheit hinzu – beim Personal im lebenswichtigen Pflegebereich Einsparungspotenzial sehen. Unser Credo, also das der Union, ist auf jeden Fall: Wir investieren nicht nur in Beton und Technik, sondern wir investieren in die Menschen, weil wir ihnen etwas zutrauen und weil wir die Wichtigkeit von Personal sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluss kommen.

(Zuruf von der LINKEN: Gute Idee!)

Ich glaube, es ist notwendig, dass wir weiterhin viele Mosaiksteinchen sammeln und zusammensetzen. Hier gibt es viele gute Vorschläge. Viel ist aber auch bereits getan. Wir werden auch in diesem Bereich in Zukunft für alle Einrichtungen noch viel erreichen müssen, weil dies nötig ist. Ich glaube, wir haben große Themen zu bewältigen. Zum Beispiel sollten wir über das Thema Digitalisierung sprechen. Wir sollten natürlich auch darüber sprechen, wie viel wertvolle Arbeitszeit durch Digitalisierung eingespart wird.

Das machen wir heute aber nicht.

Aber wir müssen auch über Abbau von Bürokratie diskutieren und darüber, wie Dokumentationspflichten abgebaut werden können und das Ganze trotzdem rechtssicher bleiben kann. Da meine Redezeit abgelaufen ist, höre ich auf.

Ich bedanke mich bei Ihnen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vergelts Gott, Herr Irlstorfer. Vielen Dank. – Nächste Rednerin: Pia Zimmermann für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6677693
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Personalbemessung in Gesundheit und Pflege
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