Sabine DittmarSPD - Personalbemessung in Gesundheit und Pflege
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Zimmermann, auch ich habe nicht nur sehr lange in Krankenhäusern gearbeitet, sondern bin auch jetzt noch regelmäßig in den Einrichtungen vor Ort. Lassen Sie mich deshalb Folgendes klarstellen: Die medizinische und pflegerische Versorgung in unseren fast 2 000 Krankenhäusern in Deutschland ist qualitativ sehr hochwertig.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das schließt nicht aus, dass Fehler passieren – aufgrund von strukturellem Versagen, aber auch Fehler persönlicher Art.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass es Überforderung gibt, ist auch klar!)
Und wenn wir mit Missständen konfrontiert werden, dann müssen wir diese konsequent aufarbeiten und auch ahnden.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen Hinweis, auch wenn wir diesbezüglich keine Koalitionsvereinbarung haben – ich gehe auch nicht davon aus, dass wir diesbezüglich noch etwas hinbekommen; aber es ist mir ein ganz persönliches Anliegen –: Bestimmte Vorkommnisse im Pflege- oder auch im Lebensmittelbereich zeigen uns, dass wir ein effizientes Hinweisgeberschutzgesetz brauchen; denn oft werden diese Missstände nur durch mutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgedeckt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Da haben Sie recht! – Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Da haben Sie uns auf Ihrer Seite! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch das fordern wir!)
Meine Damen und Herren, es ist aber keineswegs so, dass Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern – es handelt sich immerhin um 19 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr –, per se damit rechnen müssen, falsch behandelt oder vernachlässigt zu werden. Im Gegenteil: Die Pflegerinnen und Pfleger und die Ärzteschaft leisten sehr gute Arbeit auf hohem Niveau.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)
Erlauben Sie mir, Kolleginnen und Kollegen, deshalb eine Bemerkung: Sie haben es hier nicht behauptet, aber die pauschalierte Aussage in dem schriftlich vorliegenden Antrag, „Schäden an Leib und Leben“ und „menschenunwürdige Zustände“ seien „Alltag in deutschen Kliniken“, ist ein Affront gegenüber den über 1 Million Beschäftigten in den Krankenhäusern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Riebsamen [CDU/CSU]: Jawohl! Unverschämtheit! – Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie ignorieren in Ihrem Antrag komplett, dass wir in den vergangenen zwei Jahren eine Menge auf den Weg gebracht haben,
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Sie ignorieren die Realität!)
um die Qualitätsstandards in den Krankenhäusern weiter zu steigern, die Patientensicherheit zu erhöhen und auch die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern. Auf das Krankenhausstrukturgesetz und die Qualitätsvorgaben ist die Kollegin Kermer schon eingegangen. Wir haben auch schon viel über das Pflegestellen-Förderprogramm und über die dauerhafte Umwidmung des Versorgungszuschlags in einen Pflegezuschlag gesprochen. Das halte ich wirklich für sehr wichtig; denn der Zuschlag ist umso höher, je höher der Anteil der Kosten für das Pflegepersonal an den gesamten Personalkosten ist.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Genau!)
Deshalb glaube ich, dass das schon ein echter Anreiz dafür ist,
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ja! Nicht Gießkanne, sondern ganz gezielt!)
die Pflege angemessen auszustatten und an der Pflege nicht zu sparen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Riebsamen [CDU/CSU]: Kluge Regelung! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einig sind wir uns in dem Punkt, dass wir dringend eine verbindliche Personalbemessung brauchen. Mit der Forderung danach rennen Sie bei meiner Fraktion offene Türen ein. Ich sage auch: Ich bin dankbar, dass uns das im Pflegestärkungsgesetz II gelungen ist. Auch wenn mir der Zeitraum bis 2020 zu lang ist: Wir haben den Fuß in der Tür, und es werden Kriterien für die Personalbemessung erarbeitet. Dafür bin ich dankbar.
Im Krankenhausstärkungsgesetz ist uns das in dieser Form nicht gelungen, aber ich habe wirklich große Hoffnungen, dass die Expertenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“ uns wirksame Instrumente an die Hand gibt, um Pflegeleistungen im Entgeltsystem besser abzubilden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gerade angesichts der aufwendigen Pflegebedarfe bei den demenzerkrankten Pflegebedürftigen und behinderten Patienten – mit Blick auf die Kollegin Stamm-Fibich sage ich: auch bei den Kindern – ist es dringend notwendig, dass wir hier über ausdifferenzierte Zusatzentgelte sprechen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut! Jetzt kommen wir einmal zum Eigentlichen!)
Was mir dabei besonders wichtig ist, ist, dass wir Indikatoren erarbeiten, die eine Überprüfung zulassen, ob diese Zusatzentgelte dann auch in der Pflege ankommen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja guck! – Beifall des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Maria Michalk [CDU/CSU]: Ja!)
Denn die Erfahrungen mit dem Pflegekomplexmaßnahmen-Score, den wir seit 2010 haben, lehren mich bzw. geben mir ganz deutliche Hinweise darauf, dass wir scharfe und strenge Instrumente brauchen, um diese Mittelverwendung überprüfbar zu machen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und wo sind sie? Wo sind sie, diese Regelungen?)
– Das ist einer der Aufträge an die Expertenkommission, Frau Kollegin.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Erst vor wenigen Tagen habe ich mit einer Krankenschwester gesprochen, die mir berichtete, dass die aufwendige Dokumentation zwar zu Erlössteigerungen der Klinik führe, aber sich letztendlich nicht im Personalschlüssel niederschlage. Das müssen wir verhindern. Hier – das kann ich Ihnen sagen – werden wir einen ganz scharfen Blick auf die Regelungen haben, damit uns dies gelingt.
(Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider erst in der nächsten Wahlperiode! – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es reicht nicht nur der Blick! Das ist zu wenig!)
Meine Damen und Herren, Patientinnen und Patienten müssen sich auch darauf verlassen können, dass die Behandlung medizinisch notwendig und angemessen ist. Deshalb ist es unstrittig, dass die Bilanz einer Klinik oder auch Bonuszahlungen für die Chefetage nicht ausschlaggebend sein dürfen für einen medizinischen Eingriff, sondern ganz allein die medizinische Indikation. Deshalb sage ich heute hier wirklich mit Nachdruck, dass ich dankbar dafür bin, dass das in dieser Deutlichkeit jetzt auch im SGB V steht. Zielvereinbarungen über Leistungsmengen oder andere Messgrößen haben in Chefarztverträgen nichts verloren!
Wichtig ist es auch, dass wir die Fallpauschalen regelmäßig überprüfen und dahin gehend weiterentwickeln, um gezielt Maßnahmen gegen die systematische Überfinanzierung von Sachkosten zu ergreifen. So haben wir dann auch ein Mittel in der Hand, um Anreize zur Mengenausweitung – jenseits von Demografie und medizinischem Fortschritt – weiter zu minimieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich hätte gerne noch zwei Sätze –
Nein, ich habe auch ein Mittel an der Hand, dann wird es aber ganz still vorne.
– nein, die sage ich nicht – zum Hygieneförderprogramm gesagt, weil das für mich als Medizinerin ein ganz wichtiges Programm ist.
Wir haben hier jedenfalls wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht. Wir haben auch noch einiges vor uns. Ich bin guter Dinge, dass wir uns auf einem guten Weg befinden, was Personal in Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen angeht.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner: Erwin Rüddel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6677749 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 161 |
Tagesordnungspunkt | Personalbemessung in Gesundheit und Pflege |