Thorsten FreiCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dağdelen, Sie haben heute den exakt gleichen Fehler gemacht wie den, den Ihre Fraktionskollegen bei diesen Themen immer wieder machen:
Erstens. Sie picken sich ein Teilproblem heraus, ohne den Fokus auf das große Ganze zu legen.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So ist es!)
Zweitens. Sie beschreiben Probleme, ohne auch nur im Ansatz Lösungsalternativen anzubieten. Das geht nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr schwach!)
Es ist doch vollkommen klar, dass Sie nicht einen Teilaspekt unseres Engagements, über das wir heute zu entscheiden haben, herauspicken können, ohne dabei den großen Rahmen zu sehen.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE], an den Abg. Volker Kauder [CDU/CSU] gewandt: Der fällt durch, Herr Kauder!)
Was gehört zum großen Rahmen? Zum großen Rahmen gehört, dass wir heute über 3,9 Millionen Euro entscheiden, die im Rahmen des Mandats der Ausbildungsmission EUTM Somalia zur Verfügung gestellt werden. Sehen Sie aber bitte auch, dass wir den gesamten Instrumentenkasten der Außenpolitik zur Anwendung bringen, dass wir auch zivile Entwicklungshilfe betreiben, dass wir Neuzusagen im Volumen von 20 Millionen Euro machen, dass wir bisherige Zusagen von weiteren 95 Millionen Euro zum Tragen bringen.
Was bedeutet das im Klartext? Allein das Volumen der zivilen Entwicklungshilfe Deutschlands im bilateralen Bereich ist 30-mal so hoch wie das, worüber wir im Rahmen dieses Bundeswehrmandates entscheiden. Das ist es, was ich von Ihnen fordere, dass Sie die Verhältnismäßigkeit wahren und dass Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass das eine ohne das andere nicht funktioniert.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sagen Sie das den Christen in Somalia! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist der Fehler in der Argumentation!)
Natürlich ist es richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesem Punkt deutlich zu machen, wo wir in Somalia stehen. 25 Jahre nach dem Kollaps des Staates und dem Ausbruch des Bürgerkriegs müssen wir uns sehr wohl darüber Gedanken machen, was in der Zwischenzeit passiert ist, welche Maßnahmen erfolgreich sind und wo wir mehr tun müssen. Deshalb ist klar: Wir müssen konstatieren, dass al-Schabab – das ist das eigentliche Problem: die extremistischen Islamisten, die die Menschen ermorden und abschlachten – in Somalia immer noch gegenwärtig ist, und zwar nicht nur in den instabilen Randbereichen des Landes, nicht nur im Norden, sondern inzwischen auch zunehmend in der Hauptstadt Mogadischu. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt das? – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die Ausbildungsmission läuft ja auch schon so lange!)
Nehmen Sie den Anschlag auf die Passagiermaschine vor kurzem zur Kenntnis, bei dem viele Menschen ums Leben gekommen sind! Nehmen Sie beispielsweise die Anschläge auf die Vertreter der Afrikanischen Union, die Mitglieder von Regierung und Parlament und auf Journalisten zur Kenntnis! Das muss man doch zur Kenntnis nehmen.
Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass die Querverbindungen etwa zu al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und die Zahl der sogenannten Foreign Fighters eher zunehmen! Nehmen Sie zur Kenntnis, dass al-Schabab nicht nur Somalia, sondern die gesamte Region destabilisiert! Das gilt beispielsweise auch für Kenia und andere Länder der Region. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir uns hier engagieren müssen, weil wir mehr als andere auch ein Interesse an Stabilität und relativer Sicherheit in der Region haben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle durchaus auch sagen: Wer diese Interessen wirkungsvoll vertreten will, der muss den Fokus nicht nur auf den Terrorismus, sondern auch auf die Ursachen von al-Schabab lenken: auf Perspektivlosigkeit und Frustration in einer Bevölkerung, wo das Durchschnittseinkommen pro Jahr unter 1 000 Dollar liegt, wo zwei Drittel der 11 Millionen Einwohner keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und wo es keine Jobs gibt, aber etwa 43 Prozent der Menschen jünger als 14 Jahre und etwa 60 Prozent jünger als 25 Jahre sind. Das fördert natürlich Frustration und Perspektivlosigkeit.
Darauf muss man Antworten geben. Das ist vollkommen klar.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Aber keine militärischen!)
Aber diese Antworten müssen differenziert ausfallen. Es ist eben so, dass man in diesem Bereich nur dann Verbesserungen erzielen kann, wenn es ein Mindestmaß an staatlichen Strukturen und staatlicher Legitimität gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])
– Zu den Erfolgen ist etwas gesagt worden, Frau Dağdelen. Zu den Erfolgen gehört beispielsweise auch, dass seit Beginn dieser Mission 5 500 Soldaten ausgebildet werden konnten. Seit die Ausbildung in Mogadischu stattfindet, also seit 2014, sind 1 500 Soldaten ausgebildet worden.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Trotzdem breitet sich al-Schabab aus!)
Diese 1 500 Soldaten sind ganz besonders gut ausgebildet. Sie sind zuverlässig, und sie helfen an der Seite der Afrikanischen Union mit, al-Schabab zu bekämpfen. Das ist ein Faktum.
Was sind die Folgen? Eine Folge ist, dass es die Piraterie am Horn von Afrika praktisch nicht mehr gibt. Eine Folge ist zum Beispiel auch, dass al-Schabab zumindest aus den urbanen Zentren vertrieben ist. Das sind doch Erfolge. Es gibt im Übrigen auch ein Mindestmaß an staatlichen Strukturen und an Wiederaufbau nach dem totalen Kollaps. Die Tatsache, dass Exilanten wieder in ihr Heimatland zurückkehren und dort investieren und sich engagieren, sind Erfolge, die man nicht von der Hand weisen kann. Diesen Weg – davon bin ich überzeugt – müssen wir auch weitergehen.
Es gibt hoffnungsvolle Anzeichen. Zum Beispiel wurde im Februar in Somalia ein GIZ-Büro eröffnet, bei dem es auch darum geht, im Bereich der Wasser- und Energiewirtschaft zu Fortschritten zu kommen, um die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch einen Aspekt hinzufügen: Es geht uns um Sicherheit und Stabilität in der Region, weil es für uns auch darum geht, Fluchtursachen überall dort, wo Menschen auf der Flucht sind, zu bekämpfen. In Somalia sind 1 Million Menschen vor den schlimmen Verhältnissen geflohen. Eine weitere Million Menschen sind als Binnenflüchtlinge im Land unterwegs. Da müssen wir doch etwas tun.
Der UNHCR gibt an, dass weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Davon haben sich alleine in Afrika 17 Millionen Menschen auf den Weg nach Norden gemacht. Deshalb brauchen wir wirkungsvolle Maßnahmen. Wir brauchen den gesamten Instrumentenkasten der Außenpolitik, der Diplomatie und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, aber auch ein militärisches Mandat, das mithilft, staatliche Strukturen zu unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Omid Nouripour von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Electoral Period | 18 |
Session | 161 |
Agenda Item | Bundeswehreinsatz EUTM Somalia |