17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 9

Metin HakverdiSPD - Abschlussprüfungsreformgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir den rechtlichen Rahmen für die Abschlussprüfung reformieren. Die Abschlussprüfung hat ihre Wurzeln in der Finanzkrise der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Diese verheerende Finanzkrise, die die Existenz vieler Menschen vernichtet hat, führte zu der Erkenntnis, dass auf Jahresabschlüsse, Bilanzen und Lageberichte von Aktiengesellschaften und anderen wichtigen Unternehmen nicht immer Verlass war. Deshalb sollte als Lehre aus dieser Finanzkrise künftig ein unabhängiger, unparteiischer Prüfer die Ergebnisse wichtiger Unternehmen im Interesse der Öffentlichkeit prüfen.

Damals wie heute prüft der Wirtschaftsprüfer, ob der Jahresabschluss eines Unternehmens, seine Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und die Buchführung mit den gesetzlichen Bestimmungen und dem Gesellschaftsvertrag des Unternehmens bzw. seiner Satzung im Einklang stehen. Heute wird insbesondere auch geprüft, ob die Lage des Unternehmens im Lagebericht zutreffend beschrieben ist. Die Wirtschaftsprüfer sollen unabhängig und unparteiisch prüfen, ob die Bücher des Unternehmens insgesamt ein richtiges Bild von der Lage des Unternehmens darstellen, ob die Risiken und Chancen zutreffend beschrieben sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach den Erfahrungen der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts war es erneut eine Finanzkrise – die Finanzkrise von 2008 –, die Fehlentwicklungen und Schwächen im System der Abschlussprüfung aufgedeckt hat. Die Wirtschaftsprüfer haben Hinweise auf existenzielle Krisen in den Büchern von Finanzinstituten eklatant verkannt. Finanzinstitute, denen die Wirtschaftsprüfer eine gute geschäftliche Entwicklung bescheinigten, gingen insolvent oder mussten mit viel Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gerettet werden.

Beispielhaft seien hier die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft zur HSH Nordbank genannt. Eine Prüfungsgesellschaft hatte der HSH Nordbank über Jahre hinweg eine einwandfreie und gute Geschäftsentwicklung testiert. Eklatante Buchungsfehler in den Bilanzen wurden nicht erkannt. Klumpenrisiken wurden verkannt. Die drohende Schief­lage wurde in den Prüfungsergebnissen nicht mit einem Wort erwähnt.

Als die Finanzkrise virulent wurde, wurde eine andere Prüfungsgesellschaft beauftragt. Diese sollte erneut die bereits geprüften Bücher unter die Lupe nehmen. Es ging mithin um die Prüfung des gleichen Zeitraums. Diese andere Prüfungsgesellschaft deckte dann eine Vielzahl von Fehlern in den Büchern, in den Bilanzen auf. Plötzlich wurden Fehlentwicklungen bei der HSH Nordbank sichtbar, die vom vorhergehenden Abschlussprüfer nicht mit einem Wort angesprochen wurden.

Dies zeigt beispielhaft, welche Rolle auch Prüfungsgesellschaften in der Finanzkrise gespielt haben. Sie haben eben nicht immer die Funktion ausgefüllt, rechtzeitig Fehlentwicklungen zu erkennen und aufzudecken. Sie haben mit ihrem Verhalten dazu beigetragen, dass die Risiken in den Büchern der Banken nicht immer erkannt wurden. Aufsichtsgremien konnten dementsprechend ihrer Aufsichtspflicht nicht angemessen nachkommen.

Dabei ist auch deutlich geworden, dass es einen Zusammenhang zwischen langen Prüfungsbeziehungen und einer gewissen Fehlerhaftigkeit der Prüfungen gab. Lange Beziehungen zwischen Prüfungsgesellschaften und zu prüfenden Unternehmen können betriebsblind machen. Lange Beziehungen können auch zu einer Nachsicht gegenüber dem zu prüfenden Unternehmen führen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir extrem lange Beziehungsgeflechte zwischen Prüfungsgesellschaften und den zu prüfenden Unternehmen aufbrechen.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen die zu prüfenden Unternehmen zwingen, in regelmäßigen Abständen ihre Wirtschaftsprüfer zu wechseln. Dieses Rotationsprinzip verhilft den Wirtschaftsprüfern zu mehr Unabhängigkeit.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das macht ihr ja nur nicht!)

Das Rotationsprinzip öffnet im Übrigen auch den Markt. Der Abschlussprüfermarkt ist unter den großen vier Akteuren über die Jahre aufgeteilt worden. Man kann schon fast von einem Oligopol sprechen. Oligopole sind weder für die Qualität noch für die Preisbildung förderlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Rotation differenzieren wir zwischen Banken und Versicherungen einerseits und anderen Unternehmen anderseits: Bei Banken und Versicherungen soll eine Rotationsfrist von zehn Jahren gelten, bei anderen Unternehmen eine längere Rotationsfrist. Bündnis 90/Die Grünen fordern heute in ihrem Entschließungsantrag, die Anwendung der Rotationsfrist von zehn Jahren ausnahmslos auf alle Unternehmen zu übertragen. Liebe Kollegen, auch nach nochmaliger Prüfung ihrer Argumente bin ich überzeugt, dass die im Gesetzentwurf vorgenommene Differenzierung sachgerecht ist. Banken und Versicherungen stellen ein besonderes Risiko für unsere Volkswirtschaft dar: Sie haben das Potenzial, die Finanzstabilität insgesamt zu gefährden. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass sie ganze Volkswirtschaften ruinieren können.

Banken und Versicherungen sind dafür verantwortlich, dass wir heute hier zusammensitzen, um den rechtlichen Rahmen für die Abschlussprüfung zu reformieren. Sie anders und strenger zu behandeln, ist gerechtfertigt. In diesem Punkt waren wir auch zu keinerlei Zugeständnissen bereit.

Anders stellt sich die Situation für andere große Unternehmen dar. Sie stellen für unsere Volkswirtschaft eben keine systemische Gefahr dar, sie haben nicht das Potenzial, unsere Volkswirtschaft insgesamt in den Abgrund zu reißen. Beachten Sie bitte auch, dass die Inanspruchnahme längerer Fristen an enge Voraussetzungen geknüpft ist, die zu erfüllen sind. Es gibt keinen Automatismus für eine längere Zusammenarbeit zwischen einem Abschlussprüfer und dem zu prüfenden Unternehmen. Deshalb werden wir den vorliegenden Entschließungsantrag der Grünen heute ablehnen.

Lassen Sie mich zum Schluss einen zweiten wichtigen Aspekt der Reform der Abschlussprüfung benennen. Er betrifft sogenannte prüfungsfremde Leistungen durch die Abschlussprüfer. Im Kern geht es darum, welche anderen Leistungen der Wirtschaftsprüfer erbringen darf, die nicht Teil der Abschlussprüfung sind. Dabei muss man beachten, dass weitere Aufträge neben der Abschlussprüfung grundsätzlich eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer darstellen können. Wir haben deshalb die aggressive Steuerberatung mit dem Ziel, wesentliche Gewinne ins Ausland zu verlagern, ausdrücklich untersagt. Bei dieser Sachlage wünscht man sich fast – fast! –, dass die Prüfungsgesellschaft das zu prüfende Unternehmen auch bei der Steuerberatung unterstützt; denn man darf davon ausgehen, dass die fragwürdigen Praktiken der Gewinnverlagerung ins Ausland dann unterbleiben. Ich bitte deshalb um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Harald Petzold für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6678106
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Abschlussprüfungsreformgesetz
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