17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 12

Stefan RebmannSPD - Beziehungen zu Namibia

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebes weibliches Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch wenn im Geschichtsunterricht während meiner Schulzeit, aber auch später im Unterricht meiner Töchter und selbst heute noch im Geschichtsunterricht leider kaum oder gar nicht auf die grausamen Dinge, die den Menschen im heutigen Namibia während der Kolonialherrschaft des Deutschen Reiches angetan wurden, eingegangen wurde bzw. wird, ist jedem, der sich mit dieser Zeit in Deutsch-Südwestafrika, wie Namibia damals hieß, beschäftigt, klar: Der grausame Rassismus, die klare Absicht, die Volksstämme der Herero und der Nama vollständig auszumerzen, die Damara und die San zu quälen, das Ausmaß der Taten und letztlich auch der makabre „Erfolg“ der sogenannten deutschen Schutztruppen rechtfertigen nicht nur, dass diese Geschehnisse einen anderen Stellenwert im Unterricht heute haben, sondern wir müssen, wie ich glaube, die Dinge heute auch beim Namen nennen. Das war Genozid, das war Völkermord, und nichts anderes. Daran gibt es, glaube ich, mittlerweile auch international keinen Zweifel mehr.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun wird ja immer wieder einmal das Argument vorgebracht, die Massaker von damals seien zwar nach heutigem Verständnis selbstverständlich Völkermord, aber weil die Definition, was Völkermord ist, von der UN erst 1948 festgeschrieben wurde, könne man sie nicht rückwirkend anwenden und daraus auch keine Rechtsansprüche ableiten.

Kolleginnen und Kollegen, ich sage: Gezielte und systematische Menschenrechtsverletzungen grausamster Art und Weise in diesem Ausmaß widersprechen und widersprachen auch damals schon den elementarsten Prinzipien von Recht und Moral. Und deshalb ist die Bezeichnung als Völkermord sehr wohl angebracht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])

Ich rede hier ja heute als Entwicklungspolitiker meiner Fraktion. Das gibt mir natürlich auch die Gelegenheit, das eine oder andere klarzustellen: Unsere Entwicklungszusammenarbeit, unsere Projekte in Namibia sind von großer Bedeutung für das Land, für die Menschen in Namibia; und natürlich ist unsere ganz besondere Beziehung zu diesem Staat auch unserer Historie geschuldet. Mit mehr als 870 Millionen Euro hat Deutschland seit 1990 ein beachtliches Volumen an Entwicklungsgeldern in Namibia investiert, im vergangenen Jahr 2015 und in 2016 knapp 82 Millionen Euro.

Unser Engagement reicht von Projekten im Transportwesen und im Bereich der Infrastruktur über die Wirtschaftsentwicklung bis hin zum Gesundheitsbereich und dem Management natürlicher Ressourcen. Hinzu kommen noch die Namibisch-Deutsche Sonderinitiative zur Versöhnung und sogar Kleinstmaßnahmen der deutschen Botschaft zur Armutsbekämpfung, die auch sehr sinnvolle und sichtbare Hilfe leisten. Gleichzeitig haben wir nicht wenige NGOs: Brot für die Welt, der Evangelische Entwicklungsdienst und weitere private Träger, die wir in erheblichem Umfang fördern, engagieren sich dort mit über 1 Million Euro pro Jahr im Bereich der Bildung. Gerade was die Bildung angeht, müssen wir feststellen: Da gibt es noch deutliche Defizite.

Gleichzeitig sieht sich Namibia aber aufgrund seiner insgesamt durchaus positiven Entwicklung – wir als Entwicklungspolitiker wünschen uns ja immer, dass sich Länder so positiv entwickeln – und auch aufgrund seiner Einstufung als Upper-Middle-Income-Land insgesamt einem akuten Rückzug zahlreicher Entwicklungspartner ausgesetzt. Dabei ist der Bedarf an Unterstützung nach wie vor noch enorm, gerade im bereits angesprochenen Bereich der Bildung, bei der beruflichen Qualifizierung sowie bei der Bekämpfung der Armut und der ungleichen Einkommensverteilung. Umso größer ist, finde ich, die Bedeutung unserer bilateralen Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik mit Namibia.

Klar ist aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Unsere Entwicklungszusammenarbeit und auch unser finanzielles Engagement in Namibia sind weder gleichzusetzen mit einem offiziellen Eingeständnis durch die Bundesregierung, noch sind sie Ersatz für ein offizielles Eingeständnis der historischen Schuld an diesem Völkermord.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] und Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zugefügtes Unrecht, erlittene Demütigungen und schwerstes Leid, unter deren Folgen die Bevölkerung heute noch zu leiden hat, bedürfen auch einer gemeinsamen intensiven Aufarbeitung. Dazu gehört eine gemeinsame Erinnerungskultur und eben auch eine gemeinsame Versöhnungsarbeit.

Unsere „rote Heidi“, wie sie oft genannt wird, ­Heidemarie Wieczorek-Zeul, hat sich als Entwicklungsministerin bereits 2004 in Namibia erstmals für die Gräuel­taten, für diesen Völkermord entschuldigt. Auch unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hat, so meine ich, mit zu einem Umdenken beigetragen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg, und die letzten Schritte werden wir auch noch bewältigen. Herr Polenz als zuständiger Berichterstatter und Verhandlungsführer hat hier unsere volle Unterstützung.

Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir uns unserer Verantwortung stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Niema Movassat, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6678440
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Beziehungen zu Namibia
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