Niema MovassatDIE LINKE - Beziehungen zu Namibia
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich den namibischen Botschafter in Deutschland, Andreas Guibeb, sehr herzlich in der heutigen Debatte begrüßen. Ich freue mich, dass Sie heute dabei sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Charles M. Huber [CDU/CSU])
Es geht heute um eines der dunklen Kapitel der deutschen Geschichte. Zwischen 1904 und 1908 verübten Deutsche den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Die Opfer waren die Völker der Herero, Nama, Damara und San. Sie wurden ermordet, in Konzentrationslager gesteckt, zur brutalen Zwangsarbeit verpflichtet, oder man trieb sie mitsamt Frauen und Kinder in die Wüste und ließ sie dort verdursten.
Am 4. November 1904 schrieb Generalleutnant von Trotha, der auch den Vernichtungsbefehl gegen die Herero anordnete – ich zitiere –:
… Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld.
Diese Worte waren der Auftakt für die Vernichtung von fast 100 000 Menschen. Was damals geschah, war Völkermord. Und das wurde zu lange in Deutschland verleugnet.
(Beifall bei der LINKEN)
Es hat 107 Jahre gebraucht, also bis zum letzten Jahr, damit eine deutsche Regierung endlich die damaligen Verbrechen als Völkermord brandmarkt. Das wurde wirklich höchste Zeit. Aber ich sage auch: Das reicht nicht. Es fängt hier bei uns in Deutschland an, wo es fast keinerlei Erinnerungskultur an die damaligen Verbrechen gibt. Hier in Berlin wurde Afrika 1885 durch die Kolonialmächte aufgeteilt. Hier in Berlin fiel die Entscheidung für den Völkermord. Aber kein Denkmal erinnert an all das. Es wäre wirklich Zeit, das endlich zu ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun gab es ja die Bitte, dass wir unseren Antrag für heute zurückziehen; denn es fänden ja aktuell Verhandlungen zwischen der deutschen und namibischen Regierung statt. Ich möchte dazu drei Dinge feststellen:
Erstens. Hätten wir unseren Antrag zurückgezogen, würde es heute hier keine Debatte geben. Das wäre gegenüber den Nachfahren der Opfer, die einfordern, dass der Bundestag sich mit den Verbrechen von damals beschäftigt, respektlos.
Zweitens. Ein Rückzug unseres Antrags wäre nur in Betracht gekommen, wenn es einen gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen im Bundestag gegeben hätte. Die Koalition hatte monatelang Zeit, entsprechende Schritte zu machen. Sie haben aber nicht einmal einen eigenen Antrag vorgelegt. Ich muss sagen: Das, was der Kollege Rebmann gerade in seiner Rede gesagt hat, wäre eine Grundlage für einen gemeinsamen Antrag.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD])
Drittens, der wichtigste Punkt. Ja, die Verhandlungen zwischen beiden Regierungen laufen. Aber es sind Geheimverhandlungen, ohne Transparenz, ohne Zwischenergebnisse. Es geht hier aber um das Thema Versöhnung, nicht um eine Kleinigkeit. Und wesentliche Fragen müssen im Deutschen Bundestag entschieden werden; das ist ein Grundsatz der Demokratie. Deshalb sage ich: Es ist gut, dass die Bundesregierung und die namibische Regierung endlich miteinander über den damaligen Völkermord reden. Besser wäre es, die Bundesregierung würde das auf der Grundlage eines klaren Mandats des Bundestages tun.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Namibia gibt es schon seit 2006 einen entsprechenden einstimmigen Beschluss der Nationalversammlung. Der spricht von Völkermord und fordert Reparationen und Dreiparteiengespräche der Regierungen unter Einschluss der Opfergruppen. Die Realität aber ist: Die Verhandlungen finden unter völligem Ausschluss der Opferverbände der Herero und Nama statt. Wie soll es Versöhnung geben, ohne dass die Nachfahren der Opfer einbezogen werden? Die gehören natürlich an den Verhandlungstisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Um was geht es inhaltlich? Deutschland hat sich zum einen bis heute nicht für diesen Völkermord entschuldigt. Das ist seit Jahrzehnten ein Schlag in das Gesicht der Menschen in Namibia. Es braucht endlich einen klaren Beschluss des Bundestages dazu und eine würdige Geste der Entschuldigung durch die Bundesregierung in Namibia.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum anderen geht es um Wiedergutmachung, ein Thema, das die Bundesregierung am liebsten ignorieren würde. Der damalige Völkermord und die Enteignungen waren nicht nur ein menschliches, sondern auch ein wirtschaftliches Desaster. Noch immer befinden sich 80 Prozent des Farmlandes in Namibia in weißer Hand. Den Herero und Nama wurde damals alles genommen. Darunter leiden sie bis heute. Sie gehören zum ärmsten Teil der Bevölkerung in Namibia. Deshalb schlagen wir Linke einen Strukturfonds zum Ausgleich des Unrechts vor.
Lassen Sie mich klar sagen: Es kann keinen Schlussstrich geben. Die damalige rassistische Ideologie, die zum Völkermord führte, steckt auch heute noch tief in vielen Köpfen der Nachfahren der Täter. Die Wahlergebnisse vom letzten Sonntag haben zu deutlich Bertolt Brechts prophetische Worte bestätigt: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“
Am 21. März feiert Namibia seinen Unabhängigkeitstag. Es ist zugleich der Internationale Tag gegen Rassismus. Es ist die richtige Zeit, endlich konkrete Versöhnungsschritte zu gehen. Auch deshalb appelliere ich, dass Sie unserem Antrag zustimmen.
Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth Motschmann, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6678441 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 161 |
Tagesordnungspunkt | Beziehungen zu Namibia |