17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 12

Uwe KekeritzDIE GRÜNEN - Beziehungen zu Namibia

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den Worten meines Kollegen Niema Movassat anschließen. Frau Motschmann, so schlecht fand ich Ihre Rede nicht, aber die letzten drei Sätze waren einfach völlig daneben und haben hier eine Spannung reingebracht, die dem Thema insgesamt einfach nicht gut ansteht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

In diesem Haus hat sich im letzten Monat Erstaunliches ereignet. Sie erinnern sich vielleicht noch an die ausgezeichnete Plenardebatte zum Völkermord an den Armeniern. Wir Grüne haben damals unseren Antrag zurückgezogen, um einen gemeinsamen Antrag über alle Fraktionsgrenzen hinweg zu ermöglichen. Ich glaube, das war eine sehr gute Aktion. Die Koalition hat dann zugesagt, einen solchen fraktionsübergreifenden Antrag zu stellen. Sie erinnern sich noch genau: Cem Özdemir ist aufgestanden, ist zum Kauder gegangen,

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Unvergesslich!)

und Herr Kauder hat ihm in die Hand versprochen, dass die Koalition einen solchen Antrag zur Verfügung stellen wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich denke, dieses Vorgehen sollte Pate stehen für den historisch nicht weniger bedeutenden Völkermord in Namibia, zumal hier Deutschland in alleiniger Verantwortung steht.

(Beifall des Abg. Stefan Rebmann [SPD])

Also: Die Methode ist richtig, und Frau Motschmann, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wären die Koalitionsfraktionen bereit, einen gemeinsamen Antrag zu erstellen. Dann tun Sie das doch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD])

Deswegen haben wir unseren Antrag zur historischen Verantwortung Deutschlands in Namibia heute auch abgesetzt. Ich danke dafür, dass ihr euren auf der Tagesordnung belassen habt, damit wir darüber diskutieren. Das heißt aber nicht, dass ihr nicht bereit wärt, bei einem gemeinsamen Antrag mit dabei zu sein, und dieses Verfahren ist genau richtig.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Aber nur, wenn Herr Kauder unterschreibt!)

– Ach, das ist wirklich ein unsinniges Argument; das brauchen wir nicht aufzugreifen.

(Beifall der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, es ist doch klar: Völkermord kann letztlich in diesem Haus nur glaubhaft aufgearbeitet werden, wenn alle Parteien gemeinsam daran mitwirken. Schuld ­ anerkenntnis, Gedenken und Versöhnung akzeptieren nun einmal keine Parteigrenzen, und deswegen zählen wir auf die Koalition. Ich bin davon überzeugt, die SPD wird das ohne Probleme machen, und ich glaube, das gilt auch für die CDU/CSU-Fraktion.

(Stefan Rebmann [SPD]: Das kann ganz schön schwierig sein!)

Der Fall Armenien zeigt klar, dass Sie das durchaus können und es auch einsehen.

Oftmals ist die Frage gestellt worden: Was machen wir denn nun eigentlich? Ich glaube, ein gemeinsamer Antrag muss auch darstellen, wie ein würdiger Rahmen für die formale Anerkennung der Schuld und die offizielle Entschuldigung gestaltet werden kann. Es ist hervorragend gewesen, dass Frau Wieczorek-Zeul 2004 die Initiative ergriffen hat, aber es reicht natürlich nicht, dass ein Minister bei seinem Besuch einmal so nebenher sagt: Es tut uns leid; es war ein Vergehen.

(Stefan Rebmann [SPD]: Das hat sie schon sehr bewusst gemacht!)

Das war ein mutiger Schritt für die damalige Zeit, aber jetzt muss die große Politik hier nachziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag muss auch skizzieren, wie die deutsche Öffentlichkeit über die geschichtliche Verantwortung informiert wird und welche Schritte notwendig sind, um das Verfahren nachvollziehbar zu einem öffentlichen Projekt werden zu lassen. Gerade unter dem Eindruck der letzten Wahlen sollten wir deutlich hervorheben, dass starke Demokratien keine Angst vor Auseinandersetzungen mit der eigenen Geschichte haben; denn historische Aufarbeitung und die Bereitschaft, schwere historische Fehler einzugestehen, sind keine Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen der Stärke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD])

Das Verfahren muss klar sein. Ich glaube, es muss im Kanzleramt angesiedelt werden. Sie müssen die Bedingungen für einen würdigen Rahmen schaffen. Ich habe es in der letzten Legislatur hier in diesem Haus schon einmal gesagt: Ich stelle mir einen Festakt im Deutschen Bundestag vor, in dem der Bundespräsident spricht und zu dem der namibische Präsident eingeladen wird. Ich stelle mir auch vor, dass eine spiegelbildliche Veranstaltung in Windhuk stattfindet. So kann man tatsächlich öffentlich Geschichte aufarbeiten und glaubwürdig dafür eintreten, dass wir die Schuld anerkennen und dass wir bereuen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es kann heute nicht mehr um Entschädigungszahlungen an einzelne Personen gehen. Deutschland engagiert sich – das ist gesagt worden – seit vielen Jahren entwicklungspolitisch stark in Namibia. In genau diesem Rahmen können Sondermittel für klar definierte Projekte bereitgestellt werden, die den betroffenen Volksgruppen zugutekommen und der allgemeinen Entwicklung dienen. Über Einzelheiten brauchen wir uns hier nicht zu unterhalten. Das ist nicht die Aufgabe des Parlaments.

Da geschichtliche Verantwortung immer auch Verantwortung gegenüber der Zukunft ist, muss ein solcher Antrag auch klare Wege aufzeigen, wie wir diese Verantwortung zukünftig vermitteln wollen. Die Details, wie wir eine angemessene Erinnerungskultur in Deutschland schaffen und aufrechterhalten, müssen natürlich von beiden Ländern gemeinsam entwickelt werden. Wir hier können das nicht leisten. Was wir hier aber entscheiden können, ist, dass wir diesen Weg gehen; denn wir haben die Verantwortung gegenüber der Gegenwart und auch gegenüber der Zukunft. Wir müssen entscheiden, dass wir diesen Weg gehen wollen.

Ich würde mich schon freuen – damit komme ich zum Schluss –, wenn wir ein klares Zeichen bekommen würden – vielleicht von der entwicklungspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion –, dass Sie bereit sind, einen solchen Antrag vorzulegen, so wie Volker Kauder es zuletzt beim Thema „Völkermord an den Armeniern“ gegeben hat, wenn wir diesen Antrag gemeinsam gestalten und Sie bereit sind, die paar Punkte, die ich hier genannt habe, aufzunehmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich wollte Ihnen gerade den Hinweis geben, dass die Uhr schon seit einer Minute klare Zeichen gibt.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gehört! – Gegenruf des Abg. Stefan Rebmann [SPD]: Wie im Ausschuss!)

– Das ist schon bekannt; gut. – Wir hoffen, die anderen Redner und Rednerinnen werden die Zeit einhalten.

Als nächster Rednerin gebe ich Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6678452
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Beziehungen zu Namibia
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