17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 12

Dagmar WöhrlCDU/CSU - Beziehungen zu Namibia

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Jahr 2015 reisten circa 86 000 deutsche Touristen nach Namibia. Die allergrößte Zahl der Touristen kam aus Übersee. Viele werden wegen der Landschaft gekommen sein. Die meisten sind aber aufgrund unserer gemeinsamen Geschichte, der Geschichte, die wir mit Namibia haben, gekommen.

In der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika findet sich noch viel heimische Kultur. Man findet dort noch Bäckereien, dort gibt es auch noch Schwarzwälder Kirschtorte, man findet liebevoll hergerichtete Häuser in Swakopmund, und man hört noch die deutsche Sprache. Die Zahl der Muttersprachler schwindet allerdings. Die deutsche Minderheit macht zurzeit nicht einmal mehr 1 Prozent der Bevölkerung aus. In Gesprächen, sei es mit Besuchern, die in Namibia gewesen sind, oder mit deutschen Namibiern, hört man, dass sich sehr viel verändert hat, dass das Deutsche langsam verschwindet. Deutsch wird aus den Lehrplänen gestrichen, deutsche Namen verschwinden von den Straßenschildern. Es heißt, die Regierung habe das Bedürfnis, die Zeichen der Kolonialzeit zu beseitigen.

Neben diesen Veränderungen, so heißt es, spürt man auch eine andere Veränderung, eine Veränderung der Stimmen, auch ausgelöst durch die Diskussion, nämlich die Forderung nach der Anerkennung als Völkermord und den Wunsch nach Reparationszahlungen. Teilweise, so hört man auch, ist das bislang friedvolle Zusammenleben zwischen den Nachfahren der Deutschen und den Nachfahren der Hereros nicht mehr so, wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Das Zusammenleben wird – das müssen wir auch sehen – durch diese Diskussion natürlich erschwert.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, durch die Diskussion! Quatsch!)

Es heißt, die Deutschen werden jetzt oft als Fremde bezeichnet. Es heißt, im Wahlkampf gibt es Parolen, dass sie das Land zurückerobern wollen, in dem die wenigen verbliebenen Nachfahren der Deutschen leben.

Auch diesbezüglich haben wir, glaube ich, eine Aufgabe. Wir haben die Aufgabe, in dem Dialogprozess zwischen unserer Regierung und der namibischen Regierung, der, wie ich glaube, auf einem sehr guten Weg ist, darauf hinzuwirken, dass die Diskussion nicht weiter radikalisiert wird. Wir haben entsprechende Erfahrungen in Simbabwe gemacht. Wir wollen das nicht ein zweites Mal erleben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, wer kennt nicht diesen Ausspruch oder den Anspruch auf „einen Platz an der Sonne“? Das war in der damaligen Zeit, in der die Kolonialmächte von ihrer eigenen Überlegenheit ausgegangen sind, eine nicht untypische Sichtweise. Gleichberechtigung war sowieso kein Thema zu der damaligen Zeit. Im Zuge dessen wurden auch die unsäglichen Gräueltaten von General von Trotha verübt. Es wurde angesprochen: über 65 000 tote Herero, über 10 000 Tote vom Stamm der Nama. Das ist ein schwarzes Kapitel in unserer Geschichte, dem wir uns verantwortungsvoll und moralisch stellen müssen.

Ich glaube, es ist unbestritten, dass 112 Jahre nach diesem Mord die Maßstäbe des Völkermordes hier Anwendung finden. Aber wir müssen natürlich auch sehen, dass die Rechtsnorm des Völkerrechts erst 1948 geschaffen worden ist. Recht ist nun einmal Recht. Ein Rückbezug ist deswegen nicht möglich, und Rechtsansprüche – ich spreche jetzt vom Juristischen – können daraus nicht hergeleitet werden.

Frau Kollegin – –

Herr Kollege Kekeritz, vielleicht beantworte ich gleich Ihre Frage. – Aber wir alle verurteilen, was damals passiert ist. Wir haben es auch schon in Anträgen gemacht. Es ist ja nicht der erste Antrag, der jetzt dazu eingebracht worden ist. Bereits 1989 und 2004 sind Anträge eingebracht worden, in denen sich das gesamte Parlament zur Schuld und Verantwortung damals bekannt hat.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Was für eine Verantwortung?)

Wir wissen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte immer auch die Voraussetzung für Versöhnung ist. Deswegen bin ich dafür, dass dieses Thema in Schulen behandelt wird. Wir müssen heute im Geschichtsunterricht auch über die Kolonialzeit sprechen, über unsere Geschichte und darüber, was in dem Zusammenhang damals Schreckliches passiert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir unsere Verantwortung in der Entwicklungszusammenarbeit zeigen. Der Betrag ist genannt worden: 870 Millionen Euro. Gut, Geld ist in diesem Zusammenhang nicht alles – das wissen wir –, aber das ist der höchste Entwicklungshilfebeitrag pro Einwohner. Wir sind in verschiedenen Bereichen aktiv, zum Beispiel beim Transport und der wirtschaftlichen Entwicklung. Es gibt auch die Sonderinitiative zur Versöhnung mit Mitteln in Höhe von 36 Millionen Euro. Hier gehen wir speziell auf kommunalpolitischer Ebene mit vielen kleinen Projekten genau in die Gegenden, in denen die Nachfahren der Hereros sind; sie profitieren dann besonders davon.

Wollen wir noch die Zwischenfrage zulassen oder nicht?

Möchte der Kollege Kekeritz noch etwas sagen?

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerne doch!)

– Bitte.

Das Thema hat sich nicht erledigt, auch wenn Sie in Ihren Ausführungen jetzt schon weiter sind. – Wir führen ja diese Diskussion über den Völkermord in Namibia nicht zum ersten Mal. Ich habe durchaus darüber nachgelesen und auch schon selber an Diskussionen zu diesem Thema teilgenommen. Immer wieder wird dieses famose Jahr 1948 genannt, in dem man tatsächlich definiert hat, was Völkermord ist. Wenn man jetzt aber Ihre Logik beibehält, Frau Wöhrl, dann würde das bedeuten, dass die ganzen Reparationszahlungen, die damals aufgrund der Verbrechen im Dritten Reich getätigt worden sind, eigentlich nicht richtig waren, weil ja die Definition des Völkermords erst 1948, also drei Jahre nach dem Völkermord, formuliert wurde. Was soll eine solche definitorische Übung in diesem Zusammenhang? Ich kann doch nicht auf Paragrafen hinweisen, die offensichtlich sinnvoll sind, und mich dann darauf berufen, dass sie leider zu spät gekommen sind. Ich glaube, das ist ein zynischer Umgang mit der Vergangenheit. Das kann eigentlich so nicht sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Lieber Herr Kollege Kekeritz, ich bin vom Recht ausgegangen. Als Juristin muss ich natürlich auch die Anspruchsgrundlage betrachten. Eine Anspruchsgrundlage kann ich natürlich nicht heranziehen, wenn diese rechtliche Grundlage erst später geschaffen worden ist. Das heißt, ob man hier zu einer Ausgleichszahlung, zu einer Reparationszahlung kommt, muss man sehen. Eine Zahlung aufgrund des Gedankens der Versöhnung ist eine andere Geschichte. Das erhoffen wir uns ja jetzt im Dialog. Wir werden das Ergebnis der Dialoggespräche unserer Regierung mit der namibischen Regierung abwarten. Aber es ergibt sich, wie es oft verlangt worden ist, aus dieser Rechtsnorm von 1948 kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Darauf wollte ich in diesem Zusammenhang nur noch einmal hinweisen.

Jetzt haben Sie noch 45 Sekunden. Ich hatte die Uhr zwischendurch gestoppt.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Bitte.

Ganz kurz vielleicht noch ein Punkt: Rückführung der Gebeine. Die Kollegen haben es noch nicht angesprochen. Deswegen möchte ich einen Satz dazu sagen, den ich für absolut notwendig erachte. Ich glaube, die Museen sind bereit und gewillt, diese Gebeine zurückzuführen. Zweimal haben Rückführungen ja stattgefunden, 2011 und 2015. Dass die weitere Rückführung dann ins Stocken geriet, hat natürlich mehrere Ursachen. Eine der Ursachen war leider, dass die Botschaft 2005 nicht besetzt war, sodass es nicht möglich war, für eine wirklich pietätvolle und würdevolle Rückführung zu sorgen. Außerdem fehlt bei vielen Gebeinen leider noch der Hinweis, ob sie wirklich aus Namibia stammen. Dennoch glaube ich, dieses Thema dürfen wir in diesem Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Dialogprozess läuft. Wir hoffen, dass er zu einem guten Ende führt. Wir müssen das Ergebnis abwarten. Aber wir sollten dem Dialog – ich glaube, das ist schon wichtig – einen gewissen Zeitrahmen geben. Sorgfalt geht in diesem Zusammenhang wirklich vor Schnelligkeit. Es liegt an uns, an der namibischen Regierung und an den Nachfahren der Hereros, dass wir gemeinsam und friedvoll in würdigem Gedenken an die Vergangenheit die Zukunft positiv gestalten.

In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Ute Finckh-Krämer, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6678508
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Beziehungen zu Namibia
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