17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 14

- Zukunftsfähige Hühnerhaltung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Ich habe es selber kaum glauben wollen; denn die Zahl ist unglaublich: In unserem Land werden jedes Jahr 50 Millionen männliche Küken aus ökonomischen Gründen getötet – Tiere und Mitgeschöpfe, die den Tod finden, sobald sie auf der Welt sind, sozusagen geboren, um direkt zu sterben. Sie werden in den Häcksler gestopft, quasi wie Gartenabfall, oder sie werden begast, fabrikmäßig, am Fließband – und das aus einem einzigen Grund: weil sie zu nichts mehr nütze sind.

Diese, wie ich finde, abscheuliche Praxis geschieht mit Billigung des Gesetzgebers und bisher auch unserer Gerichte. Wir alle miteinander beklagen das wortreich, aber sind trotzdem tatenarm. Denn es ändert sich nichts.

„Warum lasst ihr das zu?“, fragen erschütterte Bürgerinnen und Bürger zuhauf.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)

Was antworten Sie denen? „ Weil die Welt eben kein Ponyhof oder Hühnerhof mehr ist, so, wie wir sie mal kannten“? „ Weil die Bedingungen in der industriellen Fleischproduktion und Tierhaltung nun mal so sind, wie sie sind“? „ Schicksal halt!“?

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind keine Antworten, sondern Ausflüchte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Denn die Bedingungen der Tierproduktion bzw. der Tierhaltung fallen ja nicht vom Himmel. Sie sind gewachsen und letztlich auch vom Gesetzgeber, also von Ihnen, definiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

An dieser Stelle duckt sich, finde ich, die Bundesregierung feige weg. Sie lässt die Länder im Regen stehen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

und verweist – wahrscheinlich auch heute wieder – auf technische Lösungen, die irgendwann mal kommen, aber – so sagen Expertinnen und Experten – im Moment jedenfalls eine Sackgasse darstellen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Genau deshalb bleiben die Versuche auf Landesebene, dem Rad endlich in die Speichen zu fallen, bisher erfolglos. Der Vorstoß meines Bundeslandes wurde vom Verwaltungsgericht vorerst gestoppt. Derzeit befinden wir uns im Berufungsverfahren. Eine Klageschrift der Staatsanwaltschaft Münster wurde vom Landgericht Münster nicht zugelassen – auch hier gibt es ein weiteres Verfahren.

Wir haben eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, um die Unvereinbarkeit des Kükenschredderns mit dem Tierschutz aufzuzeigen und diese Praxis entsprechend abzustellen. Der Bundesrat hat das mehrheitlich beschlossen; der Bundestag bzw. die Bundesregierung haben allerdings noch nicht gehandelt.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum eigentlich nicht?)

Kurzum: Die Länder haben alles getan, was sie konnten. Aber wir alle wissen: Hier bei Ihnen spielt die Musik. Ohne den Bundestag läuft nichts. Solange die Bundesregierung und der Bundestag sich nicht zu einem wirksamen und umfassenden Tierschutz bekennen, geht das millionenfache Töten von Tieren weiter. Ich sage das an dieser Stelle bewusst; denn das Töten aus rein ökonomischen Gründen ist ein niederer Beweggrund.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es keine Rechtfertigung, und das ist auch nicht durch unsere Verfassung legitimiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Eins muss klar sein: Tiere sind kein Abfallprodukt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir fordern deshalb die Bundesregierung und Sie heute nachdrücklich auf: Schließen Sie sich der Initiative der Landwirtschaftsminister aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an! Legen Sie so schnell wie möglich einen Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes vor, der explizit verbietet, Tiere ohne ethisch vertretbaren Grund

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

und insbesondere alleine zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile zu töten. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, es steht mehr auf dem Spiel als alleine das Wohl der Tiere. Mit jedem geschredderten Tier schreddern wir auch ein Stück unserer eigenen Würde. Ich fordere Sie auf: Handeln Sie endlich!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Rede!)

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Dieter Stier, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6678761
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Zukunftsfähige Hühnerhaltung
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