17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 14

Christina Jantz-HerrmannSPD - Zukunftsfähige Hühnerhaltung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir erkennen auch an der heutigen Debatte, dass kaum ein Tierschutzthema so polarisiert wie die millionenfache Tötung männlicher Eintagsküken in deutschen Brütereien. Das ist zudem wenig verwunderlich, weil uns diese Praxis unmissverständlich vor Augen führt, wohin ökonomisches Kalkül in der Nutztierzucht führen kann.

Bereits vor einem Jahr haben wir hier im Deutschen Bundestag über die Tötung der für die Mast unrentablen männlichen Eintagsküken debattiert.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tja!)

Nun hat die Diskussion erneut Fahrt aufgenommen. Grund hierfür war – es ist schon angesprochen worden – auch die Anklage der Staatsanwaltschaft Münster gegen eine nordrhein-westfälische Brüterei. Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, dass bei der Praxis der Tötung männlicher Eintagsküken das Tierschutzgesetz mit Füßen getreten wird.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Auch wenn das Gericht die Klage bereits abgewiesen hat, hat die Anklageerhebung als solches bereits deutlich gemacht, wie defizitär das Handeln der Bundesregierung insbesondere im Bereich der Landwirtschaft in der Vergangenheit doch war.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Warum macht ihr nichts? Ihr könnt doch was machen!)

Dass jährlich rund 45 Millionen männliche Eintagsküken vergast werden, ist mit dem Staatsziel Tierschutz aus meiner Sicht nicht vereinbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn männliche Küken für die Agrarindustrie unattraktiv werden, nur weil sie aus Legelinien stammen, dann stimmt hier etwas ganz grundsätzlich nicht.

Ich möchte keinen Hehl daraus machen, dass die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit vielen unserer Positionen übereinstimmen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke schön!)

Beim Ziel, die Praxis der Tötung männlicher Eintagsküken zu beenden, weiß ich im Grunde genommen aber alle Bundestagsfraktionen vereint.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unterschiede tun sich entlang der Frage auf, wie dieses Ziel erreicht werden kann und mit welchem Nachdruck das Ziel verfolgt werden soll.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch mal zwei Jahre warten!)

Bundesminister Schmidt hat sich in dieser Frage deutlich positioniert.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht er gern! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er macht gar nichts! Das ist das Problem bei diesem Minister!)

Er setzt auf die Methode der In-ovo-Untersuchung – wir haben es gehört –, mit der das Geschlecht des Kükens schon sehr früh im Ei bestimmt werden soll, sodass männliche Küken gar nicht erst ausgebrütet werden. Die SPD-Bundestagsfraktion trägt diesen Ansatz mit. Wir sagen aber auch ganz klar: Eine solche Methode kann nur eine Brückentechnologie sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eier aus Legelinien, die männliche Küken hervorbringen werden, sind auch bei Verwendung der Methode der In-ovo-Untersuchungen in den Augen der Betriebe wertlos. Die In-ovo-Methode tritt dieser ethisch absolut verwerflichen Praxis, dieser industriellen Logik nicht entgegen.

Der Minister hat das Ende der gruseligen Tötungspraxis für 2017 angekündigt. Wir hoffen, dass er da auch Wort halten kann.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Warten wir mal ab!)

Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Meyer will darauf nicht warten; er versucht Tatsachen zu schaffen. Er will die in meinem Bundesland Niedersachsen bestehende Ausnahmeregelung, nach der die Tötungspraxis dort bisher noch zulässig ist, aufheben. Uns droht in Deutschland in dieser Frage, wie wir jetzt hören, durch die Bundesländer also ein Flickenteppich an unterschiedlichen Vorgaben, wenn Bundesminister Schmidt keine bundeseinheitliche Regelung voranbringen kann.

Die SPD-Bundestagsfraktion befördert zudem einen alternativen Ansatz: die Rückkehr zum Zweinutzungshuhn, also zu Hühnerrassen – Frau Tackmann hat es schon ausgeführt –, die sowohl zum Eierlegen als auch zum Mästen geeignet sind. Otto Normalverbraucher würde sagen: ein ganz normales Huhn. Insbesondere auf Druck meiner Fraktion fördert das BMEL die Forschung über das Zweinutzungshuhn mit rund 1,8 Millionen Euro. Ich finde, wir brauchen noch mehr Mittel.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt weitere Ansätze, die die industrielle Logik des Tötens männlicher Eintagsküken durchbrechen. Zu nennen sind hier beispielsweise die „Bruderhahn Initiative Deutschland“ und die „haehnlein“-Eier aus Mecklenburg-Vorpommern. Beide Initiativen setzen darauf, dass die Aufzucht der für die Mast suboptimalen männlichen Küken über einen leicht erhöhten Preis der Eier mitfinanziert wird. 4 Cent pro Ei – es hörte sich bei Ihnen, Herr Kollege Stier, deutlich teurer an – sind es bei der „Bruderhahn Initiative“.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Ich habe keinen Preis genannt!)

Leider fristen beide Ansätze noch ein Nischendasein im Biosegment. Hier wäre es am Landwirtschaftsminister und auch an uns allen, positive Anreize zu schaffen und die wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser Ansätze zu unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt, wie wir gehört haben, verschiedene konstruktive Lösungsansätze, mit denen das Problem angegangen werden kann. Wir sollten uns nicht zu sehr auf technologische Ansätze fokussieren, die die industriellen Mechanismen nicht infrage stellen.

Ich werbe bei Ihnen allen um Ihre Unterstützung und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gab noch den Versuch, eine Zwischenfrage zu stellen, aber das ist durch vorzeitige Beendigung der Rede jetzt nicht mehr möglich.

(Heiterkeit – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Vorzeitige Beendigung“?)

– Nein, nein, es ist kein Kollege gezwungen, die Redezeit auszunutzen. Die Freiheit des Mandates ist da ganz klar.

(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Sehr guter Hinweis!)

Als letzter Rednerin in dieser Aussprache erteile ich das Wort der Abgeordneten Rita Stockhofe, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6678823
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Zukunftsfähige Hühnerhaltung
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