17.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 14

Rita StockhofeCDU/CSU - Zukunftsfähige Hühnerhaltung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Wir haben es in der Debatte von allen gehört: Keiner möchte, dass Küken getötet werden. Es gibt fürchterliche Bilder, die keiner sehen möchte. Wir wollen dafür sorgen, dass wir sie in Zukunft auch nicht mehr sehen müssen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann sorgt doch mal dafür! – Gegenruf des Abg. Helmut Brandt [CDU/CSU]: Jetzt mal langsam!)

– Genau: Jetzt mal langsam.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das „möchten“ reicht ja nicht! Das hören wir ja hier seit Jahren!)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag eine Änderung des Tierschutzgesetzes.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das Töten aus wirtschaftlichen Gründen soll verboten werden. Dies soll dann ein Beitrag zum Tierschutz sein. Ich bin der Meinung: Das ist viel zu kurz gedacht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Wir können nicht etwas verbieten, ohne eine Lösung anzubieten, wie ein solches Verbot umgesetzt werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Herangehensweise an ein Problem ist typisch für die Grünen.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Schade, dass Sie nicht zugehört haben!)

Minister Schmidt hat einen ganz anderen Weg gewählt. Nach seinem Amtsantritt hat er sich schnell um dieses Thema gekümmert,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

und „kümmern“ heißt bei uns in der CDU/CSU nicht, wie bei den Antragstellern, über die Situation zu lamentieren und Verbote auszusprechen,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Was aufzuschreiben! Papier ist ja geduldig!)

sondern Lösungen in Angriff zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Interviews hat er gegeben, drei oder vier!)

Aus diesem Grund hat das Ministerium folgenden Weg beschritten: Es hat Kontakt zur Universität Leipzig aufgenommen, um sich über das Forschungsvorhaben, das bereits seit 2008 gefördert wird, zu informieren und es weiterhin mit Nachdruck zu forcieren. Wenn Sie fragen, wo der Nachdruck ist, dann sage ich Ihnen: Das ist das Geld! Wir haben 1 Million Euro nachgeschossen; wenn das kein Nachdruck ist, dann weiß ich auch nicht.

Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, das Geschlecht des Embryos vor dem zehnten Bruttag im Ei festzustellen, weil ab diesem Zeitpunkt der Embryo beginnt, Schmerz zu empfinden. Dann muss das Ei nicht weiter ausgebrütet und das Küken somit nicht getötet werden.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht ihr denn jetzt konkret?)

Jetzt, wo das Vorhaben kurz vor dem Ziel steht, fällt den Grünen auf, dass wir ein Problem haben. Wir sind kurz vor der Lösung, und die Grünen haben gerade das Problem erkannt. Natürlich hört es sich toll an, zu fordern, dass Tiere aus wirtschaftlichen Gründen nicht getötet werden dürfen. Da sagt jeder: Ja klar, das finde ich auch toll, wenn wir das nicht machen müssen. – Wenn man aber weiß, dass die Mast eines männlichen Kükens aus Legehennenhaltung eine achtmal höhere Futteraufnahme benötigt, dann kann man sich ungefähr ausrechnen, wie hoch die Wirtschaftlichkeit ist und warum man das machen soll. Und wenn man ehrlich ist: Lebensmittelgewinnung könnte man auch als wirtschaftlichen Grund bezeichnen, und das wollen Sie doch sicher nicht verbieten.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber nicht sinnlos!)

Jetzt sind die Forscher an der Universität so weit, dass sie die Prognose stellen, bis Ende des Jahres ein Gerät herstellen zu können, das ab dem dritten Bruttag das Geschlecht im Ei feststellen kann, und zwar mit Hilfe eines Nahinfrarot-Raman-Spektroskopes. Das ist ein schwieriges Wort, das wir mit NIR abkürzen können. Und genau zu diesem Zeitpunkt, an dem die Lösung des Problems in greifbarer Nähe ist, stellt die Fraktion der Grünen den erwähnten Antrag. Hat sie gar kein Interesse daran, das Problem zu lösen? Ist ihr nur die öffentliche Aufmerksamkeit wichtig?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Unverschämtheit, Frau Stockhofe!)

Die Alternativen, die sie aufzeigt, können höchstens Nischen in der Vermarktung sein. Es gibt nicht viele Menschen, die 2 Euro pro Kilogramm Hühnerfleisch oder Hähnchenfleisch mehr zahlen, nur weil das Tier von einer sogenannten Zweinutzungsrasse kommt. Auch ein zusätzlicher Betrag von 12 Cent pro Ei – und nicht 4 – ist nur schwer zu erzielen.

Jetzt versucht Herr Krischer noch einmal, eine Zwischenfrage zu stellen. Frau Kollegin Stockhofe, wollen Sie diese zulassen?

Ja, er darf es gern versuchen.

Bitte, Herr Kollege Krischer.

Frau Kollegin, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich staune, dass Sie das hier so darstellen, dass der Herr Minister handeln würde.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Er hat es doch schon aufgeschrieben! Was wollen Sie denn mehr?)

Wir warten seit Beginn dieser Legislaturperiode darauf, dass in dieser Frage irgendetwas passiert. Sie haben eben gesagt: Der Minister handelt mit Nachdruck und hat sich mal informiert und fördert jetzt ein Forschungsvorhaben. – Meine Frage an Sie wäre: Empfinden Sie das angesichts dessen, was uns die Gerichte in Münster gesagt haben und was die Staatsanwaltschaft sagt, nämlich dass das Tierschutzgesetz geändert werden müsste, um eine Handlungsgrundlage zu haben, als ein angemessenes Handeln des Ministers?

Meine weitere Frage an Sie lautet: Die Zahlen sind gestiegen. Im Jahr 2014 hatten wir 45 Millionen. Im Jahr 2015 sind es – das sind Zahlen des Ministeriums – sogar 50 Millionen. Wenn Ihre Politik so weitergeht, werden wir in diesem Jahr 55 oder 60 Millionen getötete Küken haben. Ist das nach Ihrer Auffassung das Handeln des Ministers, von dem Sie hier die ganze Zeit reden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, erstens ist es nicht so, dass wir erst damit begonnen haben, das zu fördern, als der Minister zur Uni gegangen ist, um sich zu informieren.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie aber eben gesagt!)

– Nein, das habe ich nicht gesagt. Hätten Sie mir zugehört, dann hätten Sie gehört, dass wir 2008 damit begonnen haben, zu fördern, und zwar mit über 700 000 Euro, und dass jetzt über 1 Million Euro nachgeschossen wurde.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind schon fast zehn Jahre!)

– Jetzt rede ich, die Frage haben Sie schon gestellt. – Es hilft immer, zuzuhören.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Also: Wir fördern seit 2008. Das ist der erste Punkt.

Zweiter Punkt. Es ist ein lösungsorientierter Ansatz. Bei dem Ansatz, den Sie nennen, nämlich ein Verbot durchzuführen, haben Sie nie gesagt, wo diese – wie Sie sagen – 50 Millionen Küken bleiben sollen. Wollen Sie die haben? Sie können die bestimmt gern kriegen. Die Brütereien jedenfalls haben die über.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das wäre eine Möglichkeit.

Die andere Möglichkeit, eine Möglichkeit, die wir in der Praxis durchsetzen können, wäre, in Zukunft zu vermeiden, dass diese Küken geboren werden.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die schlüpfen! Das sind Vögel und keine Säugetiere!)

Dieser Ansatz, den wir jetzt verfolgen, ist genau der richtige Ansatz. Das NIR-Spektroskop ist so weit entwickelt, dass wir bis Ende des Jahres einen Prototypen haben und im nächsten Jahr die Serienreife erreichen. Sobald die Serienreife erreicht ist, brauchen wir keine männlichen Küken mehr zu töten, und das ist unser Ziel. Das ist Tierschutz, wie wir ihn in der CDU sehen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im nächsten Jahr stellen wir den Antrag wieder!)

– Sie haben schon die Frage gestellt. Sie können sich gern noch einmal melden, meine Redezeit verlängert sich. Dafür wäre ich sehr dankbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Davor, dass die Verbraucher für die Eier und für das Fleisch nicht mehr bezahlen wollen, zumindest nicht flächendeckend, dürfen wir die Augen nicht verschließen. Das ist die Realität. Nichtsdestotrotz unterstützt das BMEL das Projekt der Zweinutzungsrasse. Den dafür eingesetzten Betrag haben wir vorhin schon vom Kollegen Stier gehört. Das ist natürlich eine langfristige Alternative, und wir wollen ja möglichst schnell verhindern, dass die Küken getötet werden.

Letztlich führt kein Weg an der frühzeitigen Geschlechtsbestimmung im Ei vorbei.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 2008 arbeiten Sie daran, und es passiert immer noch nichts!)

– Darf ich jetzt mal?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch! Erklären Sie das mal!)

– Ich habe das gerade erklärt. Wenn Sie das nicht verstanden haben, dann erkläre ich das bilateral noch einmal. Vielleicht ist es dann einfacher. – Wir müssen festhalten: Tierschutz ist das Thema der CDU, und das ist für uns ein wichtiges Thema, auf das wir ständig schauen und bei dem wir nach Verbesserungen suchen.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wohl der Hohn!)

Einer Verbesserung sind wir jetzt ganz, ganz nah und führen sie gerade zu einem guten Ziel. Wir wissen, was in der Praxis los ist, weil wir ständig im Gespräch mit Betroffenen sind und am liebsten gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen erarbeiten, damit sie in der Praxis auch wirklich angewendet werden können.

Wieder einmal zeigt sich: Situationen zu bejammern und öffentlichkeitswirksame, schreckliche Bilder zu veröffentlichen, ist der falsche Weg. Wir zeigen Lösungen auf, um schlimme Bilder zu vermeiden. Dies ist Tierschutz, wie wir ihn verstehen. Das Schlimmste, was passieren kann, ist doch, dass wir das Töten verbieten und die günstigeren Eier und das günstigere Fleisch aus dem Ausland, wo das Töten weiter billigend in Kauf genommen wird, in den Regalen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6678832
Wahlperiode 18
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Zukunftsfähige Hühnerhaltung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta