Frank TempelDIE LINKE - Änderung des Bundeswahlgesetzes
Lieber Kollege Brandt! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist schon Unsinn? Die Änderung des Bundeswahlgesetzes beinhaltet normalerweise mit der Anpassung der Aufteilung der Bundestagswahlkreise eine Routinefrage. Grundsätzlich – da sind wir uns einig – muss überall in Deutschland eine abgegebene Stimme den gleichen Wert haben. Das heißt, von Zeit zu Zeit muss die Bevölkerungszahl überprüft und die Größe der Wahlkreise der Entwicklung der Einwohnerzahl angepasst werden.
Bereits im Herbst vergangenen Jahres lag hierzu ein Vorschlag der Wahlkreiskommission vor, rechtzeitig – wohlgemerkt –; denn eine Bundestagswahl beginnt mit verschiedenen Wahlhandlungen, die mit klaren Fristen festgelegt sind. Bis dahin sollte also zumindest die Gliederung der Wahlkreise gesetzlich klar fixiert sein. Eine solche Wahlhandlung ist auch die Aufstellung der Vertreter für die Wahl der Direktkandidaten. Diese können für die Bundestagswahl 2017 in den Gebietsverbänden bereits ab dem 23. März des Jahres 2016 gewählt werden. Das ist gesetzlich klar geregelt. Bis zum 23. März dieses Jahres, meine Damen und Herren, wird dieses Gesetz aber nicht auf dem Weg sein; bis dahin wird es definitiv nicht beschlossen sein. Wir haben heute den 17. März 2016 und sind gerade einmal bei der ersten Lesung.
Der Vorschlag der Wahlkreiskommission hätte bereits im Herbst des vergangenen Jahres ins Plenum eingebracht werden können. Offensichtlich hat aber schon jemandem eine Veränderung nicht gefallen. Unter Berücksichtigung der bis dahin vorliegenden Einwohnerzahlen hätte sich nämlich Folgendes ergeben: Bayern bekommt, wie gesagt, einen zusätzlichen Bundestagswahlkreis, und gestrichen wird aufgrund gesunkener Einwohnerzahlen der Wahlkreis 175 in Hessen, der Wahlkreis Main-Kinzig – Wetterau, ganz zufällig der Wahlkreis des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber. Nach dem heute vorliegenden Gesetzentwurf verliert aber, wie gesagt, nicht Hessen, sondern Thüringen einen Wahlkreis. Der Spiegel schreibt dazu – Sie haben es erwähnt; ich möchte das zitieren, Herr Präsident –:
CDU-Generalsekretär Peter Tauber profitiert von einer Intervention seines Parteifreundes Thomas de Maizière ...
(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Quatsch!)
Gerade in einer Zeit wie heute, in der das Vertrauen der Bürger in die Politik und die Parteienlandschaft arg gelitten hat und Politikverdrossenheit in Stimmen für Rechtspopulisten umschlägt, wird hier im Bundestag das Bild einer Selbstbedienungspolitik bedient. Es wurde ganz einfach gewartet und gewartet, bis die Einwohnerzahlen in die gewünschte Richtung passten. Nun kann eben in Thüringen statt in Hessen ein Bundestagswahlkreis gestrichen werden. Wenn auch mit deutlicher Verspätung: Peter Tauber behält seinen Wahlkreis, und Thüringen, ein Ost-Bundesland, wird in Zukunft mit zwei Abgeordneten weniger im Bundestag vertreten sein; das ist nämlich die Konsequenz eines Wahlkreisverlustes.
Dass für diese CDU-interne Gefälligkeit der Gesetzentwurf nicht bis zum 23. März verabschiedet ist, dass Thüringen gerade eine Gebiets- und Verwaltungsreform auf den Weg bringt und die Veränderung der Wahlkreise der neuen Gebietsstruktur vier Jahre später hätte angepasst werden können, ist Ihnen alles egal. Dass Sie mit dieser Vetternwirtschaft ein negatives Klischee über die Politik bedienen, ist Ihnen auch egal. Sehr geehrte Damen und Herren, das politische Signal einer solchen Schieberei ist in Thüringen und auch darüber hinaus absolut negativ und unnötig. Das alles ist Ihnen egal.
(Beifall bei der LINKEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: „Schieberei“ ist ja wohl zu beanstanden! – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Genau! Da gibt es klare Kriterien!)
Wir unterbreiten Ihnen dazu zwei Vorschläge – wie gesagt, wir haben ja Zeit; dies ist die erste Lesung, und es werden Beratungen dazu stattfinden –:
Unser erster Vorschlag ist: Der Gesetzentwurf wird abgelehnt oder – noch besser – zurückgezogen, und die Anpassung der Wahlkreise an die Einwohnerzahlen erfolgt erst in der nächsten Legislatur.
Unser zweiter Vorschlag ist: Der Bundestag – hören Sie genau zu; das löst nämlich das Problem – wird rechtzeitig eine Stichtagslösung festlegen, um langfristig klarzustellen, wann welche Bevölkerungszahlen zur Berechnung der Wahlkreise tatsächlich gelten. Dann sind solche Ministergefälligkeiten für die Zukunft präventiv verhindert.
(Beifall bei der LINKEN – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Hören Sie doch mit dem Unsinn auf! – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Das ist ja wirklich absoluter Quatsch!)
Herr Präsident, ich muss mich leider entschuldigen. Meine Fraktion muss im NSU-Untersuchungsausschuss vertreten sein. Ich werde mir all Ihre weiteren Reden noch anhören, und ich freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen. Aber leider muss, wie gesagt, auch meine Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss vertreten sein; das ist eine Pflichtaufgabe. Deswegen muss ich nun einmal dorthin.
(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Sie hätten mal lieber auf Ihre Rede verzichtet! Das wäre besser gewesen!)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Gabriele Fograscher, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 161 |
Agenda Item | Änderung des Bundeswahlgesetzes |