Gabriele FograscherSPD - Änderung des Bundeswahlgesetzes
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt wollen wir keine Legendenbildung betreiben! Herr Tempel, die Vorwürfe, die Sie hier äußern, sind wirklich unnötig. Den Vorwurf der Schieberei weise ich ganz entschieden zurück.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir haben uns bei der Neuordnung der Wahlkreise an Fristen zu halten. Zu Beginn jeder Wahlperiode des Deutschen Bundestages beruft der Bundespräsident eine unabhängige Wahlkreiskommission ein. Der Bundeswahlleiter und Präsident des Statistischen Bundesamtes ist Vorsitzender dieser Kommission. Sie hat über Änderungen der Bevölkerungszahlen im Wahlgebiet zu berichten und darzustellen, ob und welche Veränderungen sich für die Einteilung der Bundestagswahlkreise daraus ergeben. Das ist notwendig, damit wir dem Anspruch des Artikels 38 des Grundgesetzes, der auf die Gleichheit der Stimme, das heißt den Erfolgswert der Stimme, abzielt, möglichst gerecht werden.
Dabei sind auch Grundsätze zu beachten: Ländergrenzen sind einzuhalten. Die Zahl der Wahlkreise in den einzelnen Ländern muss deren Bevölkerungsanteil weitestgehend entsprechen. Bei einer Abweichung eines Wahlkreises von mehr als plus/minus 25 Prozent von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen. Der Wahlkreis soll ein möglichst zusammenhängendes Gebiet bilden. Kommunale Grenzen sollen möglichst eingehalten werden.
Bereits aus dem im Januar 2015 von der Wahlkreiskommission vorgelegten Bericht ergibt sich, dass Bayern statt bisher 45 Wahlkreise 46 Wahlkreise erhält. Es stimmt: Nach den Zahlen von Ende 2013 hätte Hessen einen Wahlkreis, den es in der vergangenen Wahlperiode zusätzlich erhalten hat, wieder abgeben müssen. Bereits in dem Bericht von Januar 2015 heißt es dazu aber:
Ob es allerdings für Hessen dabei bleibt, wird die weitere Bevölkerungsentwicklung zeigen. Bei Betrachtung der Entwicklung in der Zeit vom 31. Dezember 2011 bis 31. Dezember 2013 auf Basis der neuen Zensuszahlen zeichnet sich nämlich ab, dass in absehbarer Zeit nicht Hessen, sondern Thüringen einen Wahlkreis wird abgeben müssen ...
Diese Entwicklung hat sich also schon im Januar 2015 abgezeichnet. Deshalb haben wir als Berichterstatter uns entschieden, die aktuellsten Zahlen abzuwarten. Ende Februar 2016 wurde die Prognose des Bundeswahlleiters bestätigt: Mit den amtlichen Zahlen – das sind also keinen gegriffenen Zahlen – vom Juli 2015 verliert Thüringen einen Wahlkreis an Bayern.
Die Verteilung der 299 Wahlkreise auf die Bundesländer erfolgt rein mathematisch auf der Basis der aktuellsten Zahlen und folgt der Bevölkerungsentwicklung. Einen politischen Ermessensspielraum oder, wie hier von den Linken unterstellt, eine politische Einflussnahme gibt es dabei nicht.
Für Thüringen – auch das sehen wir; Herr Brandt hat es gesagt – ist diese Entwicklung bedauerlich. Aber ich gebe zu bedenken: Ebenso schwierig wäre der Verlust eines Wahlkreises in Hessen zu vermitteln. Zur Wahl zum 18. Deutschen Bundestag ist nämlich der Wahlkreis Main-Kinzig – Wetterau II – Schotten in Hessen neu gebildet worden. Nach den Zahlen für Ende 2013 hätten wir das für den 19. Deutschen Bundestag wieder rückgängig machen müssen, aufgrund der Zahlen jedoch wissend, dass der Wahlkreis entsprechend der Bevölkerungsentwicklung zur Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wieder neu zu bilden wäre. Das hätte kein Mensch verstanden – schon gar nicht in Hessen.
Der zusätzliche Wahlkreis für Bayern wird im Südwesten Oberbayerns gebildet. Er besteht aus den Landkreisen Landsberg am Lech und Starnberg und der Gemeinde Germering.
Auch der Wahlkreis Ingolstadt überschreitet mit plus 27,2 Prozent die gesetzliche Grenze und muss deshalb verkleinert werden. Wir schlagen deshalb vor, die Stadt Schrobenhausen und die Verwaltungsgemeinschaft Schrobenhausen dem Wahlkreis Freising zuzuordnen. Diese Lösung ist nicht befriedigend, da der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen auseinandergerissen wird. In der nächsten Legislaturperiode muss nach einer Lösung gesucht werden, die die Einheit dieses Landkreises Neuburg-Schrobenhausen wieder herstellt.
Aufgrund des zusätzlichen Wahlkreises für Bayern hätte theoretisch die Möglichkeit bestanden, in Oberbayern Wahlkreise zu bilden, die mit den Landkreisgrenzen übereinstimmen. Das hätte bedeutet, dass es umfangreiche Veränderungen in 7 von 15 Wahlkreisen vom Norden bis zum Süden Oberbayerns gegeben hätte. Darauf konnten wir uns nicht verständigen.
Auch die zwingende Neuzuschneidung in Oberfranken stößt auf große Kritik vor Ort. Der Wahlkreis Coburg wird zum Wahltag eine Abweichung von mehr als minus 25 Prozent ausweisen. Deshalb ist auch hier eine Neuabgrenzung zwingend notwendig.
Die Wahlkreiskommission hat vorgeschlagen, zwei Gemeinden aus dem Wahlkreis Hof in den Wahlkreis Coburg zu verlagern. Dieser Vorschlag stieß und stößt bei den Betroffenen und in der Öffentlichkeit auf Widerstand. In zahlreichen Gesprächen haben wir verschiedene Vorschläge diskutiert und auch berechnen lassen. Der nun getroffene Kompromiss sieht vor, die Gemeinde Geroldsgrün aus dem Wahlkreis Hof in den Wahlkreis Coburg zu verlagern.
Auch für Oberfranken gilt es, bei künftigen Wahlkreisneueinteilungen Lösungen zu finden, die der Bevölkerungsentwicklung und der Einhaltung der kommunalen Grenzen entsprechen.
Zahlreiche Vorschläge gab es auch für die Neuzuschneidung in Niederbayern. Es gab kleine Lösungen und große Lösungen, es gab Zustimmung und Widerstand vor Ort – unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Für eine umfängliche, aber langfristige Lösung gab es leider keine Zustimmung, so dass wir uns, was Niederbayern angeht, im Wesentlichen auf die Vorschläge der Wahlkreiskommission verständigt haben.
In neun Bundesländern werden keine Veränderungen vorgenommen, und in fünf Bundesländern soll es nur geringe Veränderungen geben. Die Einteilung der Bundestagswahlkreise folgt der Bevölkerungsentwicklung. Dabei sind die Spielräume begrenzt. Ich bitte daher um Verständnis, dass manch notwendige Änderung trotz Widerstand und Protest vor Ort umgesetzt werden muss.
Mein besonderer Dank gilt allen, die sich mit dieser Reform befasst und auch durch Unterschriften ihren Protest zum Ausdruck gebracht haben. Ein herzlicher Dank geht an das Büro des Bundeswahlleiters, das uns hervorragend unterstützt und jeden denkbaren Vorschlag und jede Überlegung grafisch und rechnerisch dargestellt hat. Ich möchte mich auch bei meinen nichtbayerischen Berichterstatterkollegen für die Geduld bei der komplizierten Neuzuschneidung in Bayern und beim Bundesministerium des Innern für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Britta Haßelmann das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6678887 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 161 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Bundeswahlgesetzes |