Carola ReimannSPD - Reform der Pflegeberufe
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Zeitpunkt dieser Bundestagsdebatte zur Reform der Pflegeberufe hätte man nicht besser wählen können; denn gleich im Anschluss werden viele von uns an der Kundgebung zum Equal Pay Day am Brandenburger Tor teilnehmen.
(Mechthild Rawert [SPD]: Genau!)
Am Equal Pay Day wird jedes Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass eine Selbstverständlichkeit, nämlich gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, in Deutschland leider keine Selbstverständlichkeit ist.
Diese Lohnungerechtigkeit zulasten der Frauen hat viele Ursachen. Um sie zu bekämpfen, müssen wir gleich mehrere dicke Bretter bohren. Ein dickes Brett haben wir schon durch, nämlich den gesetzlichen Mindestlohn. Ein weiteres dickes Brett ist die mangelnde Transparenz und die Tabuisierung von Gehaltsfragen. Auch hier sind wir mit dem Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit auf einem guten Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es wird jetzt Zeit, dass wir gegen die traditionell schlechte Bewertung von sozialen Berufen vorgehen; denn es sind vor allem Frauen, die das ausbaden. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es so wichtig, dass wir mit dieser Reform der Pflegeberufe ein zentrales Berufsfeld im sozialen Bereich aufwerten. Das gilt vor allem für die Altenpflege, die wie Krankenpflege und Kinderkrankenpflege im neuen einheitlichen Berufsfeld zusammengefasst wird.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Fachkräfte in der Altenpflege im Vergleich zu anderen Berufsgruppen deutlich schlechter verdienen. Noch stärker ist dieser Effekt, wenn man den Vergleich zur Krankenpflege zieht. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat das kürzlich noch einmal in aller Deutlichkeit aufgezeigt.
In meinem Heimatland Niedersachsen liegt das monatliche Bruttoentgelt für Fachkräfte in der Altenpflege um mehr als 800 Euro niedriger als für Fachkräfte in der Krankenpflege. 800 Euro weniger für die gleich wertvolle Arbeit: Das kann man niemandem erklären.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Deshalb ist es gut, dass wir durch die gemeinsame Ausbildung auch eine bessere Bezahlung in der Altenpflege forcieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Attraktivität eines Berufsfelds hängt nicht allein von der Bezahlung ab. Die neue einheitliche Pflegeausbildung wird künftig Fachkräfte in die Lage versetzen, die pflegerische Versorgung über Altersgrenzen hinweg in allen Versorgungsformen in hoher Qualität auszuüben. Diese neuen Kompetenzen ermöglichen zukünftig auch bessere Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dadurch ist es in der Altenpflege immer noch nicht besser!)
Hinzu kommt meines Erachtens die hochschulische Ausbildung als zweiter Zugang zum Beruf. Wir schaffen damit eine zeitgemäße Ausbildung, die auch neue Bewerberinnen- und Bewerbergruppen anspricht. Wer sich für diesen Bereich entscheidet, der muss auch Aufstiegsmöglichkeiten haben. Soziale Berufe und Karrierechancen dürfen kein Widerspruch mehr sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU])
Wir wollen aber auch, dass diese Aufstiegschancen für alle gelten. Deshalb wird der Zugang zur neuen Pflegeausbildung allen geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern mit einem Schulabschluss nach zehn Jahren offenstehen. Das finde ich wichtig. Dazu gehört auch, dass das Schulgeld in der Altenpflege endlich der Vergangenheit angehören wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU])
Kolleginnen und Kollegen, es geht uns bei dieser Reform nicht allein um die Aufwertung, sondern auch darum, die Qualität der Pflege für die Zukunft sicherzustellen. Die Lebenserwartung steigt. Chronische Erkrankungen nehmen zu. Die Fälle von Multimorbidität und die Zahl der demenziell und psychisch erkrankten Menschen steigen ebenfalls. Das heißt, die besonderen Belange älterer Menschen sind zunehmend auch bei der Pflege im Krankenhaus zu berücksichtigen. Zugleich sind schon heute in Pflegeeinrichtungen vertiefte medizinisch-pflegerische Kenntnisse absolut erforderlich. Nur eine breit aufgefächerte Ausbildung, wie wir sie jetzt auf den Weg bringen, qualifiziert zur Pflege von Menschen in allen Lebenssituationen und allen Altersphasen, egal wo sie gepflegt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ja, die neue Pflegeausbildung bringt Veränderungen mit sich. Aber sie ist auch dringend nötig, um den Pflegeberuf zukunftsfähig zu machen. Solche Veränderungen lösen natürlich auch Fragen und Sorgen aus. Das kennen wir von anderen großen Reformvorhaben, und wir nehmen daher diese Anliegen sehr ernst. Leider werden diese Fragen und berechtigten Anliegen von manchen genutzt, um daraus politisch Kapital zu schlagen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen meinen Sie denn?)
Auch das ist nicht neu. Wer sich aber auf der Jagd nach der ganz großen Schlagzeile zu völlig überzogenen Äußerungen wie „Super-GAU für die Pflege“ hinreißen lässt, disqualifiziert sich am Ende selbst;
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
zumal Sie, liebe Frau Scharfenberg, zeitgleich ein Moratorium, also einen Aufschub für den angeblichen Super-GAU, fordern. Das ist schon kurios, passt aber in der Widersprüchlichkeit zu den Aussagen Ihrer Parteikollegin und Landesministerin Barbara Steffens, die bei dieser Reform vor einem Schnellschuss warnt.
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Widerspruch? – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo ist die Auswertung der Modellprojekte, die ja genau unterschiedlich waren?)
Wir reden hier über eine langjährig vorbereitete, in Modellprojekten – auch in NRW – erprobte und gerade mit den Ländern breit diskutierte Reform. Allein die Diskussion läuft schon seit über zehn Jahren.
(Beifall bei der SPD)
Frau Steffens warnt also vor einem zehnjährigen Schnellschuss.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Vor einem politischen Schnellschuss!)
Einige von uns sind alt genug, um die Knoff-Hoff-Show im Fernsehen noch zu kennen. Wenn es die noch gäbe, dann wäre Frau Steffens mit ihrem Wunder der Physik ganz sicher dabei.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich empfehle ein bisschen mehr Sachlichkeit und Gelassenheit. Die letzten offenen Fragen werden wir dann ganz konstruktiv im parlamentarischen Verfahren klären, und da gilt natürlich das Struck’sche Gesetz.
Danke fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Klein-Schmeink für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6680437 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Pflegeberufe |