Erich IrlstorferCDU/CSU - Reform der Pflegeberufe
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute ein Thema, das seit einem Jahrzehnt diskutiert wird und das uns alle – das sieht man an der Debatte – wirklich berührt. Pflege ist das Thema der Gesundheitspolitik in der 18. Legislaturperiode.
Durch das Erste Pflegestärkungsgesetz hat diese Große Koalition die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen spürbar erweitert. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Begutachtungsverfahren werden dank dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz noch in dieser Wahlperiode eingeführt werden. Vor allem Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Demenz werden dadurch bessergestellt.
Diese Reform der Pflegeversicherung ist die größte seit Einführung dieser Versicherung; sie war notwendig und ist richtig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir als Union – das möchte ich hier noch einmal unterstreichen – sind weder in irgendeiner Hurrastimmung noch in einem Miesmachmodus. Ich glaube, uns alle eint doch das Ziel, dass wir Verbesserungen wollen; das ist die Situation. Aber ich glaube auch, wenn ich die Diskussion hier verfolge, dass die Situation der Pflege in Deutschland teilweise schlechter geredet wird, als sie ist. Das ist etwas unfair.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])
Um die Situation in der Pflege zu verbessern, reicht es nicht, wenn wir nur die Situation der Menschen mit pflegerischem Versorgungsbedarf und ihre Angehörigen im Blick haben. Nein, wir müssen auch die Situation der in der Pflege tätigen Berufsgruppen verbessern. Wir müssen Versorgung ganzheitlich betrachten; das ist wesentlich. Verbesserungen sind nur dann möglich, wenn wir das Verhältnis der Betroffenen in diesem Dreiklang aus Pflegebedürftigen, Angehörigen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Pflegeberufen optimieren und hier keine Gruppe ausklammern. Deshalb muss in aller Deutlichkeit gesagt werden: ohne Veränderung keine Verbesserung. Wir wollen diese Berufe natürlich auch zukunftsfest machen. Daher steht für mich außer Frage, dass wir die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte, egal ob in Vollzeit, Teilzeit oder in der Ausbildung, verbessern müssen.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir über dieser Diskussion die Pflegeschulen nicht vergessen. Wir brauchen für die Schulen eine Bestandssicherung. Da darf es keine Rolle spielen, ob diese Pflegeschulen groß oder klein sind, ob sie auf dem Land oder in der Stadt liegen. Ich bin sehr dankbar, dass wir in diesem Gesetzentwurf auch die Möglichkeit der Kooperation der Schulen untereinander verankert haben, weil das für uns wesentlich ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da wir schon beim Thema Schule sind, dann möchte ich hier in aller Deutlichkeit unterstreichen: Wenn wir alle immer wieder durch die Lande ziehen und über ein duales Ausbildungssystem reden, dann kommt es wirklich darauf an, keine weltfremde Diskussion über die Akademisierung des Berufs zu führen. Wir brauchen eine Akademisierung, vollkommen klar. Aber ich glaube, der Vorschlag einer Akademikerquote zwischen 10 und 20 Prozent eines Jahrgangs ist maßvoll und auch richtig. Das duale Ausbildungssystem in Theorie und Praxis ist unser System für die Stärkung der Pflege. Es ist klar, dass der Zugang zu diesem Beruf selbstverständlich auch über die Mittelschulen und über die Hauptschulen, somit über alle Schultypen, gelingen muss. Wir brauchen schon jetzt jede junge Kraft in diesen Berufen, und wir werden sie in Zukunft brauchen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Da das Schulgeld vorhin schon angesprochen worden ist, spare ich mir diesen Bereich. Die Schulgeldabschaffung war überfällig. Deshalb sind wir froh, dass der Gesetzentwurf das vorsieht. Wesentlich ist allerdings für uns, dass die Inhalte in der Verordnung und auch in den Eckpunkten klar sind. Aktuell ist es so, dass die Eckpunkte zwar gut gewählt sind, aber nur Überschriften sind. Der Inhalt, das Fleisch fehlt.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Genau!)
Aber es ist auch klar, dass wir im parlamentarischen Verfahren – das ist zugesagt – diese Diskussion führen und dass wir in den Anhörungen und allem, was dazu geplant ist – wir haben hier einen klaren Zeitplan –, auch noch einmal kritisch draufschauen. Dass man diskutiert, macht doch unsere Demokratie aus.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre sehr förderlich!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über Arbeitsbedingungen sprechen, ist es notwendig, dass wir über Regelungen sprechen, wie wir einen Beruf attraktiv machen, damit es nicht nur bei Worthülsen bleibt. Es ist notwendig, dass man hier auch die Gewerkschaften an die Seite nimmt. Wenn eine Berufsausbildung in der Krankenpflege, der Altenpflege, der Kinderkrankenpflege in einen Beruf münden soll, ist vollkommen klar, dass hier für gleiche Leistung auch gleiche Bezahlung notwendig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das ist keine Sonderleistung, sondern das ist in meinen Augen anständig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin dem BMG und auch dem Herrn Minister sehr dankbar, dass sie hier nicht die Augen zumachen und sagen: Es ist alles eitel Sonnenschein, es ist überhaupt kein Problem; die Pflegeszene ist glücklich. – Das ist ja nicht so; das wissen wir. Hier gibt es sehr, sehr viele kritische Ansätze. Hier ist Angst im System. Deshalb ist es gut, dass er sich diesen Fragen stellt. Am 30. April wird er dazu in Bayern sein, und alle in der Szene betroffenen Entscheider werden dabei sein und über dieses Thema offen diskutieren. Da muss ich schon einmal sagen: Das ist ein ganz, ganz starkes Stück gelebte Demokratie und Mitsprache. Dafür herzlichen Dank an dieser Stelle.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluss kommen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir eines nicht vergessen: Man muss die Sorgen und Nöte der Beschäftigten inhaltlich und aufklärend angehen. Ich glaube, der richtige Ansatz ist – Herr Kollege Lauterbach hat hier versucht, das darzustellen –, den fachlichen Inhalt festzulegen und das Ganze mit Blick auf die zeitliche Perspektive auszurichten; denn Volkskrankheiten wie die Demenz werden uns in den nächsten Jahrzehnten dauerhaft beschäftigen. Deshalb müssen sie sich in der Lehre, in der Ausbildung wiederfinden. Ich glaube, das ist wichtig.
Natürlich wissen wir auch, dass die Berufe gewisse Spezialisierungen haben. Ich weiß auch, dass das Klientel in der Kinderkrankenpflege bzw. in der Altenpflege jeweils ein anderes ist. In Bayern würde man sagen: Das ist ein ganz anderer Schlag von Mensch. – Und so ist es auch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Diskussion, meine sehr geehrten Damen und Herren, dürfen wir aber nicht spaltend führen. Denn wenn wir eine generalistische Ausbildung wollen, dann müssen wir versuchen, diese Hürden abzubauen. Aber wir müssen auch die Kritik in aller Klarheit ernst nehmen
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist mal ein Wort!)
und dürfen die Ohren vor den kritischen Stimmen nicht verschließen. Dann werden wir auch sehen, in welcher Geschwindigkeit wir das Ganze erledigen können. Ich glaube, nach einer zehnjährigen Diskussion wird es nicht darauf ankommen, ob wir vor der Sommerpause oder nach der Sommerpause eine Entscheidung treffen.
In diesem Sinne: Gute Beratungen und herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen uns Hoffnung! Wir setzen auf Sie!)
Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich dem Abgeordneten Marcus Weinberg, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6680495 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Pflegeberufe |