18.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 162 / Tagesordnungspunkt 19 + ZP 3

Marcus WeinbergCDU/CSU - Reform der Pflegeberufe

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Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf da gleich anknüpfen: Ich glaube, diese erste Debatte hat deutlich gemacht, dass wir drei Dinge in den Blick nehmen sollten. Wir sind offen für die Diskussion. Das heißt, wir werden die Kritikpunkte gerne mit aufnehmen, Frau Kollegin Scharfenberg, wenn sie objektiv und sachlich vorgetragen werden und nicht populistisch und einfach.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich damit auseinandersetzen!)

Dafür nehmen wir als Regierungskoalition uns auch Zeit; das haben wir schon gesagt. Dieses Thema gibt es ja seit 2003. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auch auf den letzten Metern, die wir gehen wollen, die Zeit nehmen, uns damit auseinanderzusetzen, an welchen Stellen wir noch Veränderungen vornehmen können. Das wird letztendlich auch darin münden, dass wir Veränderungen – davon gehe ich fest aus – mit implementieren.

Aber eins muss man auch mal sagen – der Minister hat das deutlich gemacht –: Die Debatte ist nicht neu, und die Große Koalition hat den Reformentwurf nicht in irgendwelchen komischen Hinterzimmern formuliert. Seit mittlerweile über zehn Jahren wird darüber diskutiert. Deswegen sollten wir, finde ich, mit Blick auf die Ordnung der Debatte vier Dinge feststellen.

Erstens. Wir sind uns doch einig – das haben die Redner aller im Parlament vertretenen Fraktionen gesagt –: Mit Blick auf den Fachkräftemangel, mit Blick auf den demografischen Wandel und vor allem – das finde ich wichtig – mit Blick auf die Veränderung der Berufsbilder – sie ist die Folge – brauchen wir eine Reform. Das ist die Ausgangssituation.

Zweitens. Ziel muss es doch sein, zwei Dinge zusammenzubringen: Auf der einen Seite müssen wir die Qualität, die Spezialisierung, die wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, bewahren, und auf der anderen Seite müssen wir gleichzeitig über die Entsäulung eine breitere Ausbildung erreichen.

Das heißt drittens für uns – das ist ja der Ansatz der Reform dieser Ausbildungen –, dass wir die Vielfalt steigern. Das wird dann viertens, glaube ich, auch zu einer Steigerung der Attraktivität der einzelnen Berufsfelder führen.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das behaupten Sie jetzt hier so!)

Das muss unser Ansinnen sein, auch mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte.

Deshalb möchte ich noch einige Bemerkungen zu den – in Anführungszeichen – „Kritikpunkten“ machen. Von vielen Rednern wurde schon gesagt, dass seit 2003 über dieses Thema, über die Einführung von entsprechenden Erprobungsklauseln für eine generalistische Ausbildung in den Gesetzen zur Altenpflege und Krankenpflege, diskutiert wird. Dazu gab es Modellprojekte. Wenn man diese Modellprojekte einmal analysiert, dann kann man drei Ergebnisse feststellen.

Erstens. Die Ausbildungsinhalte überschneiden sich bis zu 80 oder 90 Prozent.

Zweitens – und das halte ich für besonders wichtig –: Die Kompetenzsteigerung – das wurde von den Betroffenen und von denjenigen, die sie begleitet haben, artikuliert – hat immens zugenommen. Das ist ja auch klar. Wenn ich heute – im Vergleich zur Situation vor 50, 60 oder 70 Jahren – in der Altenpflege tätig bin, dann muss ich doch auch wissen, was in der Krankenpflege passiert. Und umgekehrt muss ich doch auch in der Krankenpflege wissen, was später möglicherweise beim Übergang – das erleben wir ja mehr und mehr – zur Altenpflege notwendig ist. Und ich muss das wissen, um beides zusammenzubringen. Ich muss also eine generalistische Basis haben, damit ich weiß, was derjenige, der als Nächster die Pflege übernimmt, weiß. Das heißt, die Kompetenzsteigerung ist zentral.

Dritter Punkt – auch das wurde bereits angesprochen –: Für diejenigen, die sich möglicherweise vor 20, 30 Jahren entschieden haben, ihr Leben lang – in Anführungszeichen – nur Altenpflege, nur Krankenpflege oder nur Kinderkrankenpflege zu machen, muss ich Perspektiven schaffen. Es wurde von Rednern angesprochen: Wenn jemand 20, 30 Jahre in der Altenpflege arbeitet, stellt sich die Frage – denn das ist ein schwieriger Job –: Was kann man perspektivisch bieten? Hier, glaube ich, bieten die Modellprojekte eine erste Analyse, auf der wir aufbauen können. Noch einmal: Es gilt, auch mal zu sagen: Das machen wir jetzt einfach! Wir machen es jetzt mal! Wir wollen nicht noch mal vier oder acht Jahre darüber diskutieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insoweit möchte ich den Präsidenten des Deutschen Pflegerates, Herrn Westerfellhaus, zitieren, der ganz richtig gesagt hat:

Wer jetzt die Reform der Pflegeausbildung auf Eis legt, der handelt in hohem Maße fahrlässig. Damit würde das Aus für eine moderne Form der Pflegeausbildung riskiert, die wir angesichts der demografischen Entwicklungen mehr denn je benötigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt viele weitere Kronzeugen, die sich ja bereits seit Monaten an der Debatte beteiligen: Caritas, Diakonie. Sie sagen immer wieder: Ja, wir unterstützen den grundsätzlichen Weg dieser Reform. Sie sagen aber auch: Achtet auf die Fußnote, und achtet auf den Teufel, der häufig im Detail steckt! – Das haben wir uns als Große Koalition vorgenommen. Sie haben bei allen Rednern gemerkt, dass sie sagten: Wir werden uns mit den Kritikpunkten auseinandersetzen. – Das gilt insbesondere für die große Anhörung. Danach wird es noch weitere Gespräche geben.

Aber man muss auch objektiv sein. Wir haben auch hier das Thema Kinderkrankenpflege dreimal diskutiert. Die Vorwürfe treffen in der Form, wie sie formuliert wurden, nicht zu. Ich will es noch einmal sagen – weil der Vorwurf ja kam, die Kinderkrankenpflege wird im Bereich der Spezialisierung nahezu komplett gestrichen –: Das stimmt einfach nicht. – Es wurde gesagt: Wenn Sie mit dem Vertiefungsansatz und dem Ansatz der frei verteilbaren Stunden arbeiten, kommen Sie auf eine Gesamtzahl von 1 400 Stunden – bei insgesamt 2 500 Stunden. – Ich glaube, das ist ein Beweis, dass die Spezialisierung im Kern erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Übrigen ist es so, dass heute schon zwei Drittel der Ausbildung in der Krankenpflege und der Kinderkrankenpflege identisch sind.

Deswegen darf ich zum Schluss Folgendes sagen: Wir freuen uns und erwarten eine gute und breite Debatte. Noch einmal: Ich glaube, dass das eine oder andere modifiziert werden könnte. Das hat der Minister auch zugesagt. Ich glaube, dass wir in Absprache mit dem Minister und der Familienministerin als Große Koalition das Gespräch suchen, nicht nur mit der Opposition, solange die kritischen Punkte objektiv vorgetragen werden, sondern auch mit den Verbänden. Dann, glaube ich, wird am Ende eine Reform stehen, für die es sich gelohnt hat zu kämpfen. Insofern wünsche ich uns eine gute Debatte.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6680503
Wahlperiode 18
Sitzung 162
Tagesordnungspunkt Reform der Pflegeberufe
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