Kerstin AndreaeDIE GRÜNEN - Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war am Mittwoch beim parlamentarischen Abend des VCI. Es ist nicht unbedingt ein Heimspiel für die Grünen, bei den Vertretern der chemischen Industrie zu sein. Das ändert sich jetzt ein bisschen. Wir haben dort die steuerliche Forschungsförderung vorgestellt und natürlich breite Unterstützung bekommen. Logisch.
(René Röspel [SPD]: Ja, das kann ich mir vorstellen!)
– Logisch, ja. Aber ich komme nachher noch einmal zum VCI.
(René Röspel [SPD]: Die wollen das Geld gerne haben!)
Volker Kauder war auch da, und er hat uns erklärt, warum das alles nicht geht: wegen Mitnahmeeffekten; man könne alle Ausgaben absetzen. Das sind berechtigte Sorgen,
(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)
und natürlich nehmen wir sie ernst. Es geht um das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Deswegen legen wir einen Gesetzentwurf vor, der genau eine solche Abgrenzung vornimmt, damit es eben nicht zu Mitnahmeeffekten kommt. Ich empfehle Volker Kauder, sich diesen Gesetzentwurf einmal gut anzuschauen. Er ist modern, er ist innovativ – das ist Mittelstandspolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wissen Sie, die Innovationszyklen werden immer kürzer. Das heute verfügbare Wissen verdoppelt sich alle sieben Jahre. Im Jahr 2030 wird dies alle 72 Tage der Fall sein. Das heißt, wir brauchen eine Förderung, die den Herausforderungen – dieser Schnelligkeit, dieser Dynamik – und der Digitalisierung gerecht wird, eine Förderung, die zu dieser neuen Innovationswelt passt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was sind jetzt die Vorteile unseres Ansatzes? Wir legen nicht fest, welches konkrete Forschungsvorhaben gefördert wird, weil wir nicht wissen, welche Vorhaben letztendlich entscheidende Durchbrüche bringen können. Wir fördern Ausgaben, nicht Gewinne – wie Sie mit den Patentboxen. Wer Gewinne macht, der hat es schon geschafft.
Wir wollen nicht die Projektförderung einschränken, sondern parallel zur Projektförderung einen steuerlichen Bonus von 15 Prozent für Forschungs- und Entwicklungsausgaben einführen. Als Nachweis dafür, dass es tatsächlich Forschungs- und Entwicklungsausgaben sind, gibt es ein Zertifikat. Das muss auch nicht die Steuerbehörde prüfen; vielmehr gibt es – wie heute schon beim ZIM oder bei Forschungsprojekten – Forschungszentren, zum Beispiel Jülich, die diese Zertifikate ausstellen. Damit hat man die Abgrenzungsprobleme, die scheinbar Volker Kauders Sorge sind, gelöst. Schauen Sie sich das an! Hier liegt der richtige Vorschlag.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt kommt die schlechte Nachricht an den VCI: Wir fokussieren auf den Mittelstand. Das hat gute Gründe: Über 60 Prozent der kontinuierlich forschenden KMUs werden nicht von der öffentlichen Forschungs- und Innovationsförderung erreicht. Die öffentliche Projektförderung geht an mehr als der Hälfte der forschenden Unternehmen vorbei, unter anderem, weil die Bürokratie für die kleinen Unternehmen zu groß ist. Unterhalten Sie sich mal mit den Unternehmen!
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Tue ich! Machen wir permanent und stellen dann Anträge!)
Sie sind nicht in der Lage, die Projektförderung zu nutzen, weil ihnen die Manpower fehlt. Ein großes Unternehmen hat entsprechende Abteilungen. Ein kleines Unternehmen hat vielleicht kreative Ideen, schlaue Ideen, hat Potenzial, das wir heben wollen, aber eben nicht die Möglichkeit, die Projektförderung zu nutzen. Deswegen fokussieren wir auf die KMU.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Unsere bisherige Forschungsförderung ist konzernlastig, und das können wir uns nicht dauerhaft leisten.
Jetzt schauen wir einmal über den nationalen Tellerrand hinaus. In 27 der 34 OECD-Länder gibt es eine steuerliche Förderung von FuE. In allen EU-Ländern außer Estland und Deutschland gibt es eine steuerliche Forschungsförderung.
Was ist jetzt mit Ihnen? Alle drei Parteien sind mit der Forderung nach einer steuerlichen Forschungsförderung in den Wahlkampf gegangen. Die SPD hatte ihren „Modernisierungspakt für Deutschland 2025“. Und was steht da drin? Die Forderung nach einer steuerlichen Forschungsförderung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Der Beifall gilt Ihnen von der SPD. Der Beifall gilt auch der CDU. Denn was forderten Sie auf Ihrem Parteitag im Dezember 2014? Eine steuerliche Forschungsförderung. Ja, es ist doch einfach mal an der Zeit.
(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn Deutschland in der Spitzengruppe der führenden Industrie- und Innovationsnationen bleiben möchte – angesichts der Herausforderungen, die vor uns stehen, wäre das klug, auch im Hinblick auf Arbeitsplätze –, dann muss die Politik mehr tun, um Forschung und Entwicklung in den Unternehmen zu fördern.
Ich bin jetzt gespannt auf die Debatte. Jetzt haben Sie den Gesetzentwurf, und dann werden Sie sagen: Das klappt nicht, das klappt auch nicht, an der Stelle funktioniert es nicht usw. – Wunderbar! Es ist die erste Lesung. Dann fangen Sie an, bringen Sie Änderungsanträge ein! Wir sind bereit, das alles zu verbessern, damit wir als Deutscher Bundestag in unserem gemeinsamen Interesse, die Kreativität kleiner und mittelständischer Unternehmen zu fördern und ihr Potenzial zu heben, eine steuerliche Forschungsförderung zusammen auf den Weg bringen können. Ich verspreche Ihnen: Wir werden dann nicht das Copyright auf diesen Gesetzentwurf beanspruchen. Aber fangen Sie jetzt nicht an, in der Debatte kleinteilig an irgendwelchen Punkten herumzumäkeln, sondern sagen Sie uns klipp und klar, ob Sie bereit sind, der steuerlichen Forschungsförderung den Weg zu bereiten. Lassen Sie uns das gemeinsam machen – für den Innovationsstandort Deutschland! Es wäre wunderbar, wenn wir das hinkriegen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Ralph Brinkhaus, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6680509 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen |