18.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 162 / Tagesordnungspunkt 20

Lothar BindingSPD - Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kerstin Andreae hat gerade gefragt, was wir, die SPD, jetzt machen werden, ob wir uns auf die Seite der CDU/CSU oder auf die Seite der Linken schlagen.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die gleiche Seite!)

– Ja, eben, wenn die Rede nicht ambivalent sein kann, dann ist sie multivalent. – Du hast aber auch gesagt: Wir brauchen eine Förderung, die zur Dynamik der Wissensmehrung unserer Gesellschaft passt.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Das ist ein guter Anspruch. Jetzt muss man überlegen, ob der gemachte Vorschlag hinreichend dafür ist oder ob damit nicht möglicherweise nur eine bürokratische Standardforschung gefördert wird. Das kann man zumindest nicht ausschließen. Noch wichtiger aber ist – das wurde schon erwähnt –, dass es sich dabei um eine Ex-post-Förderung handelte.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist leider auch nicht richtig!)

Eine Innovation, also eine Forschung im Kontext mit erhöhten Risiken, die sich auf eine Ex-post-Förderung gründet, verbindet sozusagen Risiko und Kosten mit dem Moment der Hoffnung. Das ist aber vielleicht noch etwas zu vage.

Auch das, was Ralph Brinkhaus gesagt hat, ist, glaube ich, etwas zu vage.

(Beifall der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Er hat gesagt, es werde schon genug Forschung und Entwicklung geben, wenn die Vermögen- und die Erbschaftsteuer abgeschafft würden, wenn überhaupt die Steuern gesenkt würden und es einen Bürokratieabbau gäbe. Ich glaube, es wäre ein bisschen schwierig, wenn wir es uns so einfach machen würden.

Was den Ländervergleich angeht, hat Petra Sitte, wie ich finde, sehr gut abgeleitet, wie gefährlich der ist. Man muss schon immer die ganze Landschaft begreifen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Es geht nicht, einen Parameter – Forschung und Entwicklung für kleine und mittlere Unternehmen in einem bestimmten Land – zu nehmen und daraus Schlussfolgerungen für das eigene Land zu ziehen. Ein solches Vorgehen wäre naiv und könnte nicht funktionieren, weil wir die Wirkung überhaupt nicht kennen.

Im Grundsatz finden wir gut, was die Grünen sagen. Die bisherige Innovationsförderung im Bereich FuE erreicht die KMUs nur unzureichend.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Das finden wir auch. Wir finden auch den technischen Ansatz gut: 15 Prozent aller FuE Ausgaben könnten steuerlich angerechnet werden. Das haben wir auch so in unserem Industrie 4.0-Papier unter dem Stichwort „Tax Credit“ entwickelt. Weiterhin finden wir gut, den Forschungsbonus zu begrenzen auf KMU Unternehmen mit nicht mehr als 249 Mitarbeitern und einem Umsatz von höchstens 50 Millionen Euro – allerdings unter Ausschluss der Doppelförderung. Sie sehen also, dass wir Ihren Vorschlag a priori nicht schlecht finden. Er braucht aber sicherlich noch eine Feinjustierung.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerne!)

Auch Folgendes ist gut: Wenn die Kosten für FuE den Einkommensteueranteil überschreiten, verwandelt sich die Steuergutschrift in einen echten Zuschuss. Das ist schon der Weg, den man gehen muss, um kleinen und mittleren Unternehmen an dieser Stelle zu helfen.

Natürlich hat der Vorschlag große Tücken. Er führt nämlich – das wurde schon gesagt – zu Mitnahmeeffekten, weil er völlig unspezifisch ist. Wenn ich der Geschäftsführer eines kleinen oder mittleren Unternehmens wäre, müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht das, was ich sowieso schon tue, dann einfach als FuE deklariere, womit es förderungswürdig wäre.

Auch wichtig ist: Speziell in Abgrenzung zur Projektförderung ist die Zielgenauigkeit der Regelungen in diesem Vorschlag mit der einer Gießkanne zu vergleichen. Die Zielgenauigkeit ist der große Vorteil der Projektförderung.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Du hast doch schon zwei Zwischenfragen gestellt.

Ralph Brinkhaus hat vorhin gesagt, dass es aber auch Unternehmen mit fünf Mitarbeitern gebe, die an der Projektförderung teilnehmen. Ein solches Beispiel mag es geben. Projektförderung kann aber, ehrlich gesagt, nicht unser systemischer Förderungsansatz für KMUs sein.

(Beifall der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da muss mehr passieren. Jeder, der schon einmal einen Forschungsantrag gestellt hat, der ja mitunter in 500 Seiten dicken Bänden ausartet, weiß, dass hier eine Ergänzung vonnöten ist. Wir wissen genau – das kann man nicht leugnen –: Kleine und mittlere Unternehmen schrecken häufig vor bürokratischen Hindernissen zurück.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Große Unternehmen schultern – das muss man sagen – solche Anträge leicht. Ich habe viel mit SAP zu tun. Die können, weil sie eine Abteilung dafür haben, solche Anträge exzellent stellen. Das sind also zwei Welten, die nicht miteinander zu vergleichen sind. Deshalb sind wir auch nicht a priori gegen einen solchen Gedanken. Wir sind aber noch nicht so weit, ihn in der Weise zu unterstützen, dass wir Ja zu eurem Antrag sagen.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht doch mal Vorschläge! Wär doch schön, wenn wir das zusammen machen würden!)

Wir haben, was die Koalition bzw. die Regierung angeht, auch Selbstkritik vorzutragen: Wir hatten eine gute Gelegenheit für ein Gesetz zur Förderung von FuE; darauf haben wir verzichtet. Wir haben auch kein Venture-Capital-Gesetz gemacht. Auch das wäre sehr gut gewesen. Ich habe da schon eine scharfe, aber abstrakte Kritik im Kopf:

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union ist innovationsfeindlich! – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wir hätten schon gewusst, was wir da reingeschrieben hätten! Es hat an der SPD gelegen!)

Fiskalische Ziele dominieren bei uns zu stark bestimmte Zukunftsaufgaben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man kann durchaus feststellen, dass es in der Koalition große Debatten darüber gibt. Wir sagen: Da kann man zukunftsorientiert sehr viel mehr machen, als wir gegenwärtig in der Koalition leisten. Natürlich können jetzt schon die Kosten für FuE als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Aber das ist die unspezifischste Förderung, die man sich vorstellen kann. Das ist zwar eine Hilfe, aber entbehrt jeder Zielgenauigkeit.

Allerdings ist auch schon viel passiert. Ein Blick auf die Förderlandschaft zeigt: Es gibt eine institutionelle Förderung, die Vorlaufforschung ermöglicht. Es gibt den Pakt für Forschung und Innovation; das Stichwort „Exzellenzcluster“ ist schon erwähnt worden.

(René Röspel [SPD]: Sehr gute Idee!)

In diesem Zusammenhang sind auch die Hochschulen und Universitäten, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Max-Planck-Institute, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz sowie die DFG zu nennen. Es gibt schon eine sehr ausgefeilte Landschaft, die Forschung in der von uns gewünschten Weise organisiert.

Es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um auch unseren Koalitionspartner dazu zu bringen, die von mir erwähnten Defizite gesetzgeberisch zu beheben. Das ist sicherlich eine schöne Aufgabe. Wir diskutieren solche Dinge auch sehr gern. Dabei ist unsere Hoffnung immer größer als die Befürchtung. Mit diesem ins Positive gewendeten Satz möchte ich das Thema heute beschließen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Philipp Murmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6680572
Wahlperiode 18
Sitzung 162
Tagesordnungspunkt Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen
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