18.03.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 162 / Tagesordnungspunkt 21

Lisa PausDIE GRÜNEN - Steuerliche Förderung des Mietwohnungsneubaus

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Staatssekretär Pronold, mit Verlaub, ich kann Ihre Aussagen nicht teilen. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt Hunderttausende Wohnungsuchende in Berlin, in Hamburg, in München, in allen Großstädten dieser Republik, die auf bezahlbare Wohnungen warten. Die schlechte Nachricht dieses Tages ist aber: Diese Menschen werden weiter warten müssen, meine Damen und Herren. Dabei hatte Frau Hendricks alle Chancen, das Spiel am Wohnungsmarkt in einer heißen Phase zu drehen. Doch leider haben Sie von der Sozialdemokratie diesen Elfmeter glatt verschossen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei ist Schäuble angesichts der Flüchtlingszahlen – das wurde schon angesprochen – bereit, auf circa 2,15 Milliarden Euro Steuereinnahmen zu verzichten. Es liegt also nicht am Geld, dass es nichts wird mit dem bezahlbaren Wohnraum.

Wenn wir es aber dennoch nicht schaffen, den laufenden Bauboom in nachhaltige Bahnen, was tatsächlich bezahlbaren Wohnraum angeht, zu lenken, dann liegt das eben schlicht daran, dass Sie sich des falschen Werkzeugs bedienen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Sonder-AfA, die Sie uns hier heute vorgelegt haben, erreicht weder Genossenschaften – die ja sowieso bereits steuerbefreit sind – noch die öffentlichen Wohnungsunternehmen, obwohl gerade die öffentlichen Wohnungsunternehmen dringend Förderung bräuchten, weil sie zum Teil mit hohen Verlusten zu kämpfen haben.

Ja, wir brauchen Neubau. Ja, wir brauchen auch private Investitionen. Ihre Sonder-AfA ohne Mietobergrenze ist aber nichts anderes als ein Steuersparmodell für Millionäre. Und es ist ein Geschenk in Milliardenhöhe an die besonders ertragsstarken – also noch nicht einmal an alle – privaten Wohnungsunternehmen, die das Geld natürlich gerne mitnehmen werden, deswegen aber keine einzige zusätzliche, geschweige denn soziale Wohnung bauen werden. Sie machen aus Betongold Betonplatin, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Glauben Sie wirklich, wegen des verschwindend geringen Zinsvorteils der Steuerabschreibungen werden zusätzliche Wohnungen gebaut? Ich bin überzeugt, es werden durch diese Sonderabschreibung keine Wohnungen, die nicht schon vorher geplant waren, neu entstehen. Diese Sonder-AfA wird eben nur Mitnahmeeffekte erzeugen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wird auch nicht zur Kostendämpfung im Baubereich beitragen, sondern leider eher zum Gegenteil führen.

In Ihrem Gesetzentwurf heißt es im Wortlaut:

Ziel der Förderung ist es, Investoren zum Bau von Wohnungen im unteren und mittleren Mietpreissegment zu bewegen. Wohnungen mit hohem Standard (Luxusausstattung) bedürfen keiner staatlichen Förderung und werden somit vollständig von der Förderung ausgeschlossen.

Den Ansatz sehe ich wohl. Es wäre schön, wenn es so wäre. Aber welche Baukosten setzen Sie denn als Grenze für diesen Wohnungsbau im angeblich unteren und mittleren Segment? Davon war inzwischen viel die Rede. Sie setzen die Fördergrenze bei 3 000 Euro pro Quadratmeter fest. Das ist kein günstiger Wohnungsbau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Schauen wir uns einmal gängige Vergleichszahlen an: In Berlin zum Beispiel wird neuer Wohnraum heute im Schnitt für 1 700 Euro errichtet. Berlin ist da keine Ausnahme. In Konstanz erhielt die Städtische Wohnungsbaugesellschaft den Deutschen Bauherrenpreis 2016 für eine Wohnanlage, wo der Quadratmeter gut 1 800 Euro gekostet hat. Und auch das Soziale Großstadt-Dorf in Bochum wurde unter anderem vom Deutschen Städtetag prämiiert, weil dort integratives Mehrgenerationenwohnen sogar für nur 1 400 Euro realisiert werden konnte.

Sie aber bleiben bei Wohnungserrichtungskosten von bis zu 3 000 Euro. Dazu kommen dann noch die Grundstückskosten. Das wird von Ihnen gefördert. Ich frage Sie allen Ernstes: Glauben Sie wirklich, dass auch nur eine Wohnung anschließend für 6,50 Euro oder 7,50 Euro pro Quadratmeter vermietet wird, meine Damen und Herren?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Baukostengrenze ist eben deutlich zu hoch. Dabei verzichten Sie auch noch vollständig auf eine energetische Staffelung, die allein höhere Grenzwerte hätte rechtfertigen können.

Ich kann nur hoffen, dass der Bundesrat diese falsch justierte Messlatte nach unten korrigieren wird. Der Finanzausschuss hat dazu schon entsprechende Beschlüsse gefasst. Der Bundesrat muss da noch nachziehen. Das allein wird aber trotzdem nicht reichen, um aus diesem schlechten Gesetz ein gutes zu machen. Denn selbst wenn die Kosten pro Quadratmeter nicht 3 000 Euro, sondern nur 1 500 Euro betragen, bedeuten niedrige Baukosten nicht automatisch niedrige Mieten. Da alle Neubauten nicht der Mietpreisbremse unterliegen, können diese Wohnungen sofort zu jedem erzielbaren Preis vermietet werden. Das bedeutet: Familien, Flüchtlinge und Studierende werden deshalb wieder das Nachsehen haben. Ohne Sozialbindung und ohne Mietobergrenzen werden gerade auf den angespannten Wohnungsmärkten keine bezahlbaren Mietwohnungen entstehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Deswegen ist unser Gegenvorschlag zu Ihrem Steuersparmodell für Millionäre eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit, ein altes Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Wir wollen Steuererleichterungen im Tausch gegen sozialen Wohnraum, öffentliches Geld für tatsächlich dauerhaft öffentliche Güter. Wir würden damit dafür sorgen, dass wieder günstige Wohnungen errichtet werden, und verhindern, dass Millionen Menschen nach der Arbeit noch zum Amt müssen und zum Bittsteller werden, weil ihr Einkommen nicht für die Miete reicht.

Wir haben in Deutschland seit der Abschaffung der Gemeinnützigkeit 2 Millionen Sozialwohnungen verloren. Die Abschaffung der früher einmal vorhandenen Gemeinnützigkeit war ein Fehler, der uns Milliarden gekostet hat. Es wird Zeit, diesen Fehler auszumerzen und die Entscheidung wieder rückgängig zu machen, damit die Abwärtsspirale beim sozialen Wohnungsbau endlich gestoppt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank. – Der Kollege Olav Gutting, CDU/CSU-Fraktion, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6680757
Wahlperiode 18
Sitzung 162
Tagesordnungspunkt Steuerliche Förderung des Mietwohnungsneubaus
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine