Edelgard Bulmahn - Aktuelle Stunde zu Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Panama Papers haben eine ganz wichtige Botschaft an uns alle gesendet, nämlich die, dass diejenigen, die Geld verstecken, und diejenigen, die ihnen dabei helfen, nicht mehr sicher sein können, dieses Geschäft im Dunkeln ungestört vollziehen zu können.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])
Das ist eine viel wichtigere Botschaft, als manch einer denkt; denn wir alle wissen: Kapital ist ein scheues Reh, und in diesem Punkt ist es besonders scheu. Es kann gar nicht haben, wenn es irgendjemanden gibt, der möglicherweise am Lichtschalter dreht.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da wurde schon mancher Bock geschossen!)
Dafür haben wir dem Recherchenetzwerk zu danken, aber auch – das sage ich ganz offen – den Steuerfahndern in den Ländern, die eine Menge Aufklärungsarbeit geleistet haben, und zwar schon lange vor Veröffentlichung der Panama Papers. Sie werden diese Arbeit auch jetzt, da die Daten bekannt sind, leisten und auch nach den Panama Papers.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein zweiter Punkt macht mir viel mehr Sorge. Ich finde etwas Erschreckendes an dem, was die Panama Papers hervorgebracht haben. Sie werfen eine brisante Frage auf, die sich die Menschen im Land stellen: Wer auf dem internationalen Parkett – in Banken, Unternehmen, Politik, Sportinstitutionen – ist eigentlich nicht verwickelt, wenn sich in irgendeiner Weise die Möglichkeit bietet, sich dem Fiskus mit einer Briefkastenfirma zu entziehen und es den Ehrlichen zu überlassen, zu zahlen? Das ist etwas, was an den Grundfesten unserer Demokratie, unseres Gemeinwesens rüttelt. Wenn wir nicht dagegen vorgehen, wird das dazu führen, dass Menschen in obskuren Alternativen ihren Vorzug sehen und meinen, da werde mit Patentrezepten das geboten, was man bei uns vermisse.
Die Frage ist: Was heißt das? Was schließen wir daraus? Die erste Antwort darauf ist, dass Schluss damit sein muss, dass nur angekündigt und abgewartet wird. Vielmehr muss wirklich etwas getan werden, was den Menschen, die zweifeln, die Botschaft vermittelt: In den Parlamenten und Regierungen von Bund und Ländern sitzen Menschen, die es ernst damit meinen, ihren Beitrag, den sie nach dem Gesetz zu leisten haben, zu leisten.
Ich will, Herr Michelbach, nicht verkennen, dass da schon eine Menge erreicht ist. BEPS ist eine ganz wichtige Sache. Wir haben in den letzten Jahren allerhand Dinge erreicht. Wenn wir das vor sechs oder sieben Jahren vorhergesagt hätten, dann hätte uns niemand geglaubt, dass man so weit kommen kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber wir wissen auch, dass das, was erreicht worden ist, erreicht worden ist, nicht weil es irgendwo eine große moralische Wende gegeben hat, sondern weil denen, die hinterzogen haben, und auch denen, die jetzt mit uns die Abkommen geschlossen haben, klar geworden ist, dass es mit der Geheimniskrämerei nicht so weitergeht, dass man schlicht und ergreifend ein viel zu hohes Risiko eingeht, wenn man Unanständiges macht, – dass man nämlich auffliegt – und dass sich Steuerhinterziehung immer weniger lohnt, da es immer aufwendiger wird, ein solches Versteckspiel zu treiben. Wir müssen auf jeden Fall auf diesem Weg weitergehen, und zwar in erster Linie auf dem internationalen Parkett; denn es nützt nichts, wenn man alleine dasteht, während alle anderen lukrative Möglichkeiten der Steuerhinterziehung anbieten, und nichts dagegen machen kann.
Beim Austrocknen dieses Sumpfs muss man sich natürlich darüber im Klaren sein, dass man auch mit Fröschen am Tisch sitzt. Es gibt solche, die mittlerweile nicht mehr anders können, als in der Rhetorik mit uns übereinzustimmen, aber dennoch dafür sorgen, dass es Lücken und Verzögerungen gibt und dass es so schnell nicht möglich ist, etwas gegen die Missstände zu tun. Deswegen geht es neben der Arbeit an den internationalen Abkommen darum, klarzustellen, dass die Kontrolle dessen, was man verabredet hat, genauso wichtig ist. Es geht auch um Sanktionen gegenüber denjenigen, die sich an Verabredungen nicht halten. Man muss deutlich machen: Wir sind ein Teil einer Wertegemeinschaft auf dem internationalen Parkett, die auch wirtschaftlich stark genug ist, Sanktionen durchzusetzen. All das kann man, finde ich, ein Stück weit mehr tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Bundesfinanzminister hat mit seinem Zehn-Punkte-Plan einige Maßnahmen angesprochen. Für vieles – das füge ich jetzt hinzu – wären die Panama Papers und die dadurch etwas aufgeschreckt schnelle Reaktion gar nicht nötig gewesen. Die nordrhein-westfälische Steuerfahndung arbeitet zusammen mit dem Landeskriminalamt seit eineinhalb Jahren an der Auswertung von Daten, die sich auf das Thema Panama und auf Institutionen, die mit den Panama Papers ans Licht kommen, konzentriert. Es gibt sogar schon staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Das ist also nicht neu. Es ist vielleicht in der Dimension größer, als man gedacht hat. Man dachte, dass man für 16 Milliarden Euro Mehreinnahmen gesorgt hat. Nun weiß man, was für ein kleiner Teil dessen das ist, der hinterzogen und verschoben wird.
Es ist natürlich schon bemerkenswert, dass jetzt vieles aufgescheucht wirkt. Wenn ich mir einmal die zehn Punkte des Plans anschaue, dann stelle ich fest, dass beispielsweise unter Punkt 9 von der verspätet einsetzenden Verjährung bei Steuerbetrug die Rede ist. Ich erinnere mich sehr gut daran, als ich im November 2012 beim IRS in Washington war, dass uns genau dies dort vorgestellt wurde und ich diese Forderung damals gestellt habe. Es hat dreieinhalb Jahre gedauert, bis dieser Punkt nun auftaucht.
Es gibt auch Punkte, die nicht im Zehn-Punkte-Plan enthalten sind, obwohl sie dort gut stehen könnten. Dankenswerterweise sind sie im Vorschlag der Bundestagsfraktion der SPD enthalten. Ein Beispiel – auch das ist nicht neu –: Seit zwei Jahren liegt dem Bundestag ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor. Darin geht es darum, dass man Banken und nicht nur einzelne überführte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belangen können muss. Bisher konnte man immer nur eine lächerliche Strafe verhängen, was einer Lappalie gleichkam. Es muss klar sein, dass diejenigen, die sich geschäftsmäßig an diesem Werk beteiligen, um ihre Lizenz bangen müssen. Sie sind systemrelevant, legen Wert darauf, dass sie gestützt werden, nehmen aber ihre Verantwortung nicht wahr. Sie sagen nicht: „Hier ist eine Lücke; die Politik muss diese Lücke schließen“, sondern sie sind froh, wenn es eine Lücke gibt, die sie ausnutzen können. Das sollte keine systemrelevante Institution machen dürfen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will nur kurz drei Punkte nennen, um die man die Vorschläge ergänzen könnte, die auch sofort wirken könnten.
Erster Punkt. In Deutschland ist man mit seinem Welteinkommen steuerpflichtig. Wer eine Offshorekonstruktion nutzt – um dort Steuern zu hinterziehen –, ist schon heute meldepflichtig; er muss nicht erst meldepflichtig gemacht werden. Nur, es ist ein Witz, dass es eine Ordnungswidrigkeit ist, wenn er gegen diese Meldepflicht verstößt. Erste Frage also: Wie stellen wir sicher, dass eine andere Sanktion als bisher droht, wenn man nicht meldet, und wie kann man die Banken in die Verantwortung einbeziehen? Jeder Arbeitgeber muss melden, was sein Arbeitnehmer verdient. Aber wenn es darum geht, dass Banken Kapitaleinkünfte angeben sollen, dann wird offenbar ein Menschenrecht verletzt. Das kann nicht sein.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der zweite Punkt – er ist mehrfach angesprochen worden –: Banken müssen als Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können; da darf nicht auf Einzelpersonen abgestellt werden. Im Bundesrat liegt seit gut zwei Jahren ein entsprechender Gesetzentwurf vor. Ich bitte dringend darum, ihn zu behandeln und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Der dritte Punkt – auch er ist angesprochen worden –: Es gibt Unternehmen, die die gesamten Gewinne, die sie in Deutschland erwirtschaften – diese sind wegen der Kaufkraft und der Größe des Landes hoch –, über Lizenzgebühren in Steueroasen verschieben, um hier keine Steuern bezahlen zu müssen und auch dort, wohin sie sie verschieben, keine Steuern bezahlen zu müssen.
Diese beiden Lücken müssen geschlossen werden. Zu diesem Punkt gibt es schon einen Ansatz. Es geht jetzt darum – neben dem, was man schon verabredet hat und was ergänzt werden kann –, dafür zu sorgen, dass das auch durchgesetzt wird und nicht nur auf dem Papier steht. Es darf nicht sein, dass wir uns bei der nächsten Leaks-Diskussion, die es irgendwann wieder geben wird, hier wieder treffen, über dasselbe reden und fragen: Warum haben wir das eigentlich nicht gemacht, als die Panama Papers vorlagen? Diesen herzlichen Wunsch habe ich an den Deutschen Bundestag. Die Länder und wir als Nordrhein-Westfalen sind in hohem Maß bereit, daran mitzuwirken. Ich glaube, wir tun damit wirklich auch der Demokratie etwas Gutes. Der Zweifel daran, dass wir das wirklich in den Griff bekommen, wäre auch ein Zweifel daran, dass wir am Ende die Ehrlichen entlasten und vor allen Dingen die großen staatlichen Aufgaben wahrnehmen können.
Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Redner spricht Dr. Anton Hofreiter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6751235 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 163 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen |