13.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 163 / Zusatzpunkt 1

Wolfgang Schäuble - Aktuelle Stunde zu Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hofreiter,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Leben ist so hart, Herr Kollege Schäuble!)

wissen Sie, ein Mindestmaß an Sachkenntnis schadet nicht, wenn man so heftige Vorwürfe erhebt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, das war jetzt wieder schlecht!)

– Ja, Mindestmaß. Lassen Sie mich einmal ein paar Sachen sagen.

Das Problem ist wirklich ärgerlich, und es ist nicht neu. Es ist auch so: Ich bin seit Ende 2009 Bundesfinanzminister. Vorher gab es auch Bundesfinanzminister. Ich bin der erste, der mit großem Nachdruck, und zwar konsequent, jedes Jahr, daran arbeitet. Wir haben den automatischen Informationsaustausch. Es ist gesagt worden, wir hätten vor ein paar Jahren nicht für möglich gehalten, was wir alles erreicht haben. Es sind inzwischen über 100 Länder, die sich am automatischen Informationsaustausch beteiligen. Unterschrieben haben wir den Vertrag übrigens in Berlin im Herbst 2014. Das ist für internationale Verhältnisse relativ schnell. Wir – ich persönlich zusammen mit meinem britischen Kollegen – haben die Initiative für die BEPS-Initiative im Rahmen von G 20 ergriffen; übrigens während der mexikanischen G-20-Präsidentschaft, wenn Sie es überprüfen wollen. Wir haben sie dann relativ schnell – immer für globale Verhältnisse – im globalen Prozess vorangebracht. Seit dem Gipfel in Antalya ist sie implementiert. Dort sind viele Punkte, die jetzt gefordert sind, längst enthalten.

Deswegen ist es in der Tat wahr – hier bin ich mit dem Kollegen Walter-Borjans völlig auf derselben Linie –, dass das, was wir in zehn Punkten zusammengefasst haben, keineswegs alles neu ist. Deswegen habe ich die Veröffentlichung auch begrüßt, so wie bei den Luxemburg-Leaks. Sogar Ihr Fraktionskollege im Europäischen Parlament hat öffentlich gesagt: Herr Schäuble hat jede dieser Veröffentlichungen immer genutzt, um international und europäisch Druck dahinter zu machen. – Reden Sie einmal mit Herrn Giegold darüber!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben zwei grundlegende Probleme, die wir bei aller Erregung nicht übersehen dürfen. Wir müssen sie lösen. Das erste Problem ist: Ein Land wie wir – wir haben sowieso die Globalisierung –, das so sehr in die internationale Arbeitsteilung eingeflochten ist, muss Regelungen international zustande bringen. Wir können sie nicht im nationalen Alleingang machen, die nützen gar nichts. Angesichts der Fungibilität von Geld sind heute solche Regelungen nur noch global zu erreichen. Deswegen müssen wir diesen Weg gehen. Da kannst du manchmal fast verrückt werden, so mühsam ist das. Das ist alles wahr. Trotzdem muss man es tun. Wir bringen es beharrlich voran. Deswegen machen wir Druck dahinter. Die Europäer sind übrigens nicht die Schlechtesten dabei. Aber weil Sie die Niederlande als Vorbild genannt haben, wäre ich gerade ein bisschen zurückhaltend. Schauen Sie sich einmal die Patentboxen und einige andere Dinge an.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe sie nur beim Transparenzregister als Vorbild genannt!)

– Bei der Transparenz. Entschuldigung, wir haben doch in Europa die Richtlinie verabschiedet und beschlossen. Wir sind in der Umsetzung. Wir setzen sie auch um. Das Entscheidende ist, dass wir den automatischen Informationsaustausch hinbekommen.

Wir werden jetzt auch in dieser Woche in Washington sagen – meine europäischen Kollegen machen mit –: Die, die nicht mitmachen – Panama ist eines der Länder, das beim automatischen Informationsaustausch nicht mitmacht –, werden wir auf eine schwarze Liste setzen und bestimmte Finanzgeschäfte nicht mehr machen. Wir haben die übrigens von der schwarzen Liste nicht in einer nationalen Entscheidung gestrichen. Das sind immer Empfehlungen des Global Forum. Das gibt es bei der OECD. Das ist das einzige Forum, bei dem man international gegen Steuerhinterziehung und übrigens auch gegen Geldwäsche arbeiten kann.

Das zweite Problem, auf das ich Sie aufmerksam machen möchte, ist: Wir sind ein Bundesstaat. Die Verwaltungskompetenz liegt im Wesentlichen bei den Ländern. Das ist auch richtig. Deswegen arbeiten Bund und Länder eng zusammen. Wir machen Gesetze. Der Bundesrat hat die Gesetzgebungsinitiative, aber der Bundestag muss entscheiden. Zum Antrag des Bundesrates vor zwei Jahren hat die Bundesregierung in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass dieser Antrag deswegen ins Leere zielt, weil die Rechtslage im KWG bereits so ist, dass, wenn systematisch gegen diese Vorschriften verstoßen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet wird, dies für Banken und Bankiers auch heute schon strafbar ist. Das ist geltendes Recht. Wer dagegen systematisch verstößt, kann seine Lizenz als Bank verlieren. Das ist geltendes Recht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen hat die Bundesregierung damals gesagt: Diese Initiative zielt ins Leere.

So haben wir das übrigens auch mit dem Restrukturierungsmechanismus und -fonds zum ersten Mal umgesetzt; da gibt es nämlich datenschutzrechtliche Probleme. Datenschutz wird ja gelegentlich hochgehalten. Heute sind Sie gerade für Law and Order, beim nächsten Mal sind Sie für Datenschutz. Ich bin immer für beides.

Wir haben die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die BaFin Meldungen an die Steuerbehörden macht, wenn sie bei der Überprüfung von Banken Erkenntnisse zur Verletzung steuerlicher Vorschriften oder zur Beihilfe dazu gewinnt. Seit es diese Rechtsgrundlage gibt, macht dies die BaFin mit großem Nachdruck. Das ist einer der Gründe, warum die Banken, auch ausweislich der Ergebnisse des Rechercheverbunds, die entsprechenden Vorschriften umgesetzt haben.

Insofern ist der zentrale Punkt, an dem wir arbeiten, Register anzulegen, damit wir die wirtschaftlichen Eigentümer kennen, und zwar die wirklichen. Die Register müssen einen einheitlichen Standard haben und dann miteinander vernetzt werden, international und national. Auch dafür brauchen wir datenschutzrechtliche Grundlagen. Wir, die fünf Größeren in Europa – Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und wir –, sind jetzt dabei, dies zu verabreden; wir machen das schon einmal vorab zwischen uns fünf. Vor der Umsetzung brauchen wir aber eine rechtliche Grundlage für den Datenaustausch. Sonst können wir es nicht machen. Da bitte ich, die Grundlage dafür schnell zu schaffen. Wenn wir beides miteinander verbinden, haben wir die wesentlichen Punkte, die wir angehen können, umgesetzt.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen. In den Bund-Länder-Finanzgesprächen plädiert der Bund – die beiden großen Koalitionsfraktionen – gelegentlich dafür, dem Bund im Zusammenwirken mit der Steuerverwaltung der Länder mehr Kompetenzen zu geben. Regelmäßig lehnen das die Länder mit Abscheu und Empörung ab – und wenn Herr Walter-Borjans nickt, dann ist das so. Das hat ja auch gute Gründe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Hofreiter, das müssen Sie nur zur Kenntnis nehmen und dann nicht der Bundesregierung vorwerfen.

Ich habe eine Bitte. Im Kampf gegen Steuerhinterziehung sind wir in den letzten Jahren viel besser geworden. Im Kampf gegen Geldwäsche sind wir bei den Vorschriften besser geworden, aber die Umsetzung ist nicht optimal. Deswegen stehen wir in den internationalen Listen nicht so gut da. Herr Michelbach, die Bargelddebatte hat übrigens auch ein bisschen damit zu tun, dass international empfohlen wird, Bargeldgeschäfte mit Obergrenzen zu versehen, jenseits derer die Beteiligten registriert werden müssen. Das ist eine internationale Empfehlung, und ich werde dafür eintreten, dass wir sie auch umsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Aber: Auch wenn wir die rechtlichen Vorschriften haben, ist die Verwaltungskapazität im Bereich der Geldwäschebekämpfung bisher nicht ausreichend. Deswegen haben wir in der Bundesregierung vor einigen Monaten entschieden – es hat eine Zeit lang Verhandlungen gegeben –: Wir schaffen eine neue FIU, Financial Intelligence Unit, die nicht beim BKA, sondern beim Zoll angesiedelt wird – im Wesentlichen mit neuen Mitarbeitern –, die die relevanten Informationen filtert. Da bitte ich die Länder – deswegen habe ich gebeten, dass wir es, wenn möglich, auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz der kommenden Woche behandeln –, einen entsprechenden Unterbau zu schaffen. Die Umsetzung des Polizeirechts ist nach dem Grundgesetz Sache der Länder. Das ist Sache der Gewerbeaufsicht. Die Gewerbeaufsicht ressortiert in den Ländern üblicherweise bei den Arbeits- und Sozialministerien, weil es da vor allen Dingen um Arbeitsschutzvorschriften und Sonstiges geht. Sie können sich vorstellen: Geldwäsche läuft da unter „ferner liefen“. Es geht aber so nicht weiter. Deswegen ist meine Bitte, dass wir, wenn wir es auf Bundesebene ändern, dies auf Länderebene entsprechend tun. Es ist sehr viel besser, wenn wir alle die rechtlichen Regelungen schaffen.

Da können wir auch noch einige Dinge machen. Ich stimme zum Beispiel dem Vorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Herrn Eigenthaler, zu, der gesagt hat: Lasst uns doch bei Kunden, die Geschäftsbeziehungen mit Steueroasen haben, nicht mehr den Nachweis führen, ob sie da tatsächlich reale Geschäfte machen, sondern eine Beweislastumkehr vornehmen. – Das ist rechtsstaatlich möglich. Ich finde, wir sollten hier schnell zu einem Ergebnis kommen und es umsetzen. Es ist nicht so, dass wir mit unseren Vorschlägen ein Monopol haben. Es ist gut, wenn es noch bessere Vorschläge gibt, die wir umsetzen können.

Bitte diskreditieren Sie nicht den Ansatz, dass wir das europäisch und international umsetzen müssen – sonst bleibt es vergeblich –, und zerstören Sie nicht die Grundlagen der arbeitsteiligen Wirtschaft in globalisierten Finanzmärkten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächster Redner spricht Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6751238
Wahlperiode 18
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen
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