13.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 163 / Zusatzpunkt 1

Lothar BindingSPD - Aktuelle Stunde zu Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen

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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hans Michelbach hat vorhin gesagt: Wir brauchen ethische und moralische Grundsätze. – Das sehen wir genauso. Aber es wäre natürlich toll, die Unternehmen würden sich ganz ohne Gesetzgebung und ganz ohne Regulierung daran halten. Dann hätten wir viel weniger Gesetzgebung und Regulierung.

Wir haben oft gehört: Über 50 Staaten nehmen am automatischen Informationsaustausch teil. Ganz toll! Panama nimmt nicht teil. Die USA nehmen übrigens auch nicht teil, und die USA sind ein relativ großer Markt. Wer das mit bedenkt, merkt: Wir reden immer noch über stumpfe Schwerter. Gleichwohl haben wir sehr viel gemacht, auch sehr viel Gutes. Deshalb kann man nicht sagen, wir hätten nicht reguliert. Wir haben wirklich viel gemacht.

Wir haben sogar so viel gemacht, dass sich der neue Bankenpräsident als Erstes über die Komplexität der Regulierung beklagt hat. Er hat ganz vergessen, dass die Komplexität der Regulierung im Vergleich zur Komplexität des Marktes unterkomplex ist.

(Beifall bei der SPD)

Eigentlich hätte er sich überlegen müssen, wie die Marktgesetze, die er befolgen und definieren kann, etwas zu vereinfachen sind. Dann wäre viel passiert.

Umso verdienstvoller ist die Arbeit des Journalistennetzwerkes, das viele Dinge aufgedeckt hat, die wir und viele andere zunächst nicht gesehen haben. Sie haben uns geholfen, sodass wir jetzt von mehreren Tausend Briefkastenfirmen wissen. Das ist doch erstaunlich.

Was ist eigentlich so eine Briefkastenfirma? Sie hat keinen Beschäftigten – Arbeitsplätze sind ja manchmal ein Argument –, sie hat überhaupt kein nennenswertes aktives Geschäft zur Erzielung wirtschaftlicher Erträge, und die tatsächlich wirtschaftlich Begünstigten sind verschleiert. Eine Briefkastenfirma bietet sich also zur Geldwäsche, zur Steuerhinterziehung und zu allen anderen Sauereien an.

Der Bundesrat – das hat Norbert Walter-Borjans ja schon vorgetragen – hat schon vor zwei Jahren einen ganz guten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steuerstraftaten eingebracht. Um es abzukürzen, will ich nur einmal aus der Gegenäußerung der Regierung zitieren. Die Bundesregierung sagt – das ist eine Aussage –: Die bestehenden Rechtsgrundlagen reichen aus. Eine andere Aussage lautet, eine Verschärfung des nationalen Aufsichtsrechts sei nicht sinnvoll. Daneben haben wir von den Kollegen der CDU oft gehört, wir bräuchten eine Regulierungspause. Ich glaube, mit Blick auf die Erkenntnisse, die wir heute haben, können wir feststellen: Diese drei Aussagen waren falsch.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Nun schauen wir auf die zehn Punkte, die jetzt genannt werden. Das müssen wir Fachpolitiker kritisch betrachten. Einer dieser Punkte ist substanziell, und zwar der hinsichtlich der Verjährungsfristen. Alle anderen sind doch eher Placebo als wirkungsmächtige Regulierungen. Ich glaube, das ist angesichts der Größe des Panama-Skandals zu wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um ein paar Dinge konkret zu nennen: Wir müssen in der vierte Geldwäscherichtlinie öffentliche Register der wahren Eigentümer einführen. Das wurde schon ein paar Mal gesagt. Ich glaube, das ist unabdingbar, weil wir die verantwortlichen Personen sonst überhaupt nicht dingfest machen können. Das ist aber nötig. Daneben müssen diese Register international vernetzt sein.

Heiko Maas hat kürzlich die Einrichtung eines nationalen Transparenzregisters für Unternehmen vorgeschlagen. Das ist eine sehr gute Sache und ein guter erster Schritt. Diesen ersten Schritt müssen wir aber wahrscheinlich noch weiterentwickeln, um am Ende des Weges anzukommen.

Daneben sollten wir die Geldströme von und zu dubiosen Unternehmen blockieren. Wie kann man das erreichen? Man kann hier nationalstaatlich schon etwas machen. Wir haben nämlich schon ganz gute Gesetze dagegen. Dabei ist es egal, ob diese Geldströme der Steuerhinterziehung, der Tarnung von Schwarzgeld, dem Terrorismus, der Geldwäsche, dem Menschenhandel oder dem Drogenhandel dienen.

Ich will einmal eine Regelung nennen: Bei Geschäftsbeziehungen mit nicht kooperativen Staaten gibt es erhöhte Mitwirkungspflichten. Das ist eine gute Regel. Dummerweise – das ist jetzt natürlich eine Kritik – hat das BMF vergessen, zu definieren, was unkooperative Staaten sind. Das heißt, dieses Gesetz läuft leer. Es gibt keinen Anwendungsbereich. Wir haben hier eine tolle Regel, die aber nicht funktioniert, weil wir gar nicht wissen, für wen sie gilt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daneben könnten wir die Hinzurechnungsbesteuerung verschärfen. Natürlich gibt es passive oder niedrig besteuerte Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften – zum Beispiel Kapitalgesellschaften oder auch Briefkastenfirmen –, und natürlich könnten wir all diese Gewinne schon jetzt den deutschen Gesellschaftern zurechnen. Jetzt hören wir: Du musst doch mit den anderen kooperieren. Das müssen wir nicht. Die Banken kennen die Geldströme doch. Wir würden dann nur die nicht erwischen, die das Geld mit dem Koffer wegtragen. Insofern wäre das ein gutes Instrument.

Ich kenne das Cadbury-Schweppes-Urteil. Eine Hinzurechnung ist im europäischen Kontext zwar nur bei echten Missbrauchsfällen nötig, aber in Bezug auf die Hinzurechnung haben wir eine ganz gute Idee.

Zur Quellensteuer haben wir schon viel gehört. Auch diese Transfers können die Banken benennen. Die Quellensteuer ist eine gute Idee; sie wurde heute schon mehrfach genannt.

Man muss aber natürlich sagen: Nach der Zins- und Lizenzrichtlinie ist das innerhalb Europas nicht so leicht möglich, weil wir die Besteuerung im Zielstaat angestrebt haben. Das gilt europaweit.

(Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble nickt)

– Sie stimmen dem zu. – Wäre es deshalb nicht wichtig, noch einmal darüber nachzudenken – die Folge dieser guten Regel waren nämlich Lizenzboxen in den Niederlanden und Rulings in Luxemburg –, ob diese Zins- und Lizenzrichtlinie nicht noch einmal überarbeitet werden muss? Das sind Regeln, die dem, was wir heute bekämpfen, letztendlich den Weg bereiten.

Deshalb wäre es klug, an dieser Stelle auch noch einmal über europäische Regeln nachzudenken und zu schauen, ob sich hier alle Staaten so verhalten, wie es dem Willen des gesamteuropäischen Volkes entspricht. Ich glaube, hier gilt es, noch einmal nachzuschärfen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Als nächster Redner spricht Uwe Feiler für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6751302
Wahlperiode 18
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen
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