Kirsten LühmannSPD - Änderung des Luftverkehrsgesetzes
Verehrter Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Polizistin steht an einer Tankstelle und betankt ihren Streifenwagen. Neben ihr steht ein vollbesetzter Reisebus. Der Busfahrer steigt aus. Die Polizistin stellt bei ihm eine Alkoholfahne fest. – Uns allen ist klar, was passiert: Es wird ein Bußgeld verhängt, und der Busfahrer darf natürlich nicht weiterfahren.
Wenn ihr Kollege, der auf einem Flughafen Streife geht, einen Piloten feststellt, der gerade aus einem Flugzeug kommt und auch nach Alkohol riecht, ist es wesentlich komplizierter. Natürlich gibt es bereits einen Straftatbestand; aber der ist sehr schwer zu beweisen. Von daher bedurfte es dringend einer Änderung.
Schon jetzt nehmen die Fluggesellschaften in Deutschland ihre Verantwortung für Sicherheit sehr ernst und führen anlassbezogene Kontrollen durch. Wenn dabei festgestellt wird, dass ein Pilot oder eine Pilotin unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen steht, spricht bereits die Firma ein Flugverbot aus. Aber verdachtsunabhängige Stichprobenkontrollen sind weder vorgeschrieben noch erlaubt. Die Koalitionsfraktionen haben in ihrem Änderungsantrag diese Lücke endlich geschlossen und stichprobenartige Kontrollen vorgeschrieben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die deutschen Fluggesellschaften regeln die Durchführung dieser Kontrollen in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Betriebsräten. Das ist gut und richtig so. Aber wir haben natürlich auch Piloten und Pilotinnen, die Deutschland anfliegen und nicht für eine deutsche Fluggesellschaft arbeiten. Auch die müssen wir kontrollieren. Dafür ist das Luftfahrt-Bundesamt zuständig, das diese Kontrollen durchführen kann.
Wir haben zusätzlich Regelungen eingeführt, wie sie auch für Busfahrer gelten. Also: Wer zukünftig versucht, unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen oder problematischen Medikamenten ein Flugzeug zu steuern – das gilt auch für den Fall, dass er es bereits gesteuert hat –, und dabei erwischt wird, muss – jetzt endlich gilt das auch im Flugverkehr – mit einem Bußgeld und Flugverbot rechnen. Während der Nachweis von Alkohol oder auch Drogen relativ einfach mit einem Schnelltest möglich ist – einige von uns haben vielleicht schon einmal gepustet; bei einem Drogenschnelltest kann man allein durch das Wischen über die Haut feststellen, ob die getestete Person Drogen konsumiert hat oder nicht –, ist dies bei Medikamenten deutlich schwieriger. Aber Medikamentenmissbrauch ist genauso gefährlich.
Eine Langzeitstudie aus den USA hat festgestellt, dass Medikamentenmissbrauch bei Piloten und Pilotinnen in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Das gilt für verschiedene Substanzen. Ich möchte nur eine exemplarisch anführen: Bei circa 20 Prozent der tödlich verunglückten Piloten und Pilotinnen wurde festgestellt, dass sie in starkem Maße unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln, sogar unter dem Einfluss von verschreibungspflichtigen Schlafmitteln standen. Ich finde das erschreckend.
(Beifall bei der SPD)
Aber nicht alle Medikamente sind problematisch. Und bei den problematischen Medikamenten kommt es auf die Dosis an. Daher wird das Luftfahrt-Bundesamt eine Liste für alle Kontrollierenden erstellen, in der beide Punkte aufgeführt sind.
Dabei sollten wir aber nicht aus den Augen verlieren, dass Missbrauch von Medikamenten, Drogen oder Alkohol eine Krankheit darstellt und dass die Betroffenen Hilfe brauchen. Sehr gut finde ich daher, dass alle deutschen Fluggesellschaften bereits Anlaufstellen für die Betroffenen geschaffen haben, die nicht das Ziel haben, die betroffenen Menschen möglichst schnell aus dem Arbeitsverhältnis hinauszudrängen, sondern im Gegenteil dafür sorgen wollen, dass die Beschäftigten in die Lage versetzt werden, ihren Beruf gefahrlos auszuüben. Und das ist der richtige Weg.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Erlauben Sie mir zum Schluss den Hinweis, dass Berufe mit besonderer Verantwortung – wie zum Beispiel Piloten, Ärzte, Polizisten, aber auch Politiker – besonders anfällig für Suchterkrankungen sind. Das sollten wir nicht totschweigen. Wir dürfen aber auch die Betroffenen nicht stigmatisieren und ausgrenzen. Es werden Hilfsangebote gebraucht, wie sie von den Fluglinien und vielen anderen Arbeitgebern gemacht werden.
Ich möchte – da sind wir uns, denke ich, einig – nicht nur in einer sicheren Gesellschaft leben, sondern auch in einer menschlichen. Dieser Gesetzentwurf wird dazu einen Beitrag leisten.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6753107 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Luftverkehrsgesetzes |