14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 4 + ZP 3

Sylvia JörrißenCDU/CSU - Aktionsplan für gemeinnützige Wohnungswirtschaft

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wohnen ist einer der privatesten und intimsten Bereiche in unserem Leben. Ich jedenfalls lasse nicht jeden in meine Wohnung. In unseren eigenen vier Wänden haben wir unseren Lebensmittelpunkt. Hier leben wir mit unseren Familien, hier treffen wir unsere Freunde, hierhin kehren wir nach einem Arbeitstag zurück. Die Wohnung bietet uns Schutz und Geborgenheit. Sie ist Voraussetzung für Beruf, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe.

Frau Bluhm, ich bin froh, dass wir den Menschen in Deutschland gute Voraussetzungen bieten. Wir haben einen im Großen und Ganzen gut funktionierenden Wohnungsmarkt, der auf Angebot und Nachfrage reagiert, wie andere Märkte auch. Auch in Berlin können Sie eine bezahlbare Wohnung finden. Nur: Wer unbedingt in Mitte wohnen möchte, muss bereit sein, etwas mehr zu bezahlen. Und wenn unter Ihrer Regierungsbeteiligung mehr Geld oder mehr Steine für den sozialen Wohnungsbau gekommen wären, wäre die Situation zugegebenermaßen in Berlin noch etwas entspannter, Frau Bluhm.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Sie verbreiten mit Ihrem Antrag nur Angst. Ich möchte gern von der Panikmache in Ihrem Antrag Abstand nehmen, und ich möchte erst recht von der vollständigen Verstaatlichung des Wohnungsmarktes Abstand nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Als Baupolitikerin sehe ich die zentrale Herausforderung – auch ohne Ihre Nachhilfe –, insbesondere in den Ballungsräumen zielgruppengerechten und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen: für Familien, für Alleinlebende, für Senioren, für Studenten und für Asylberechtigte.

Wir kennen die maßgeblichen Faktoren, die unsere Wohnungspolitik bestimmen. Die demografische Entwicklung in unserem Land erfordert, dass wir zukünftig deutlich mehr kleinere, barrierearme und altersgerechte Wohnungen bauen. Wir können auch den Klimawandel nicht ignorieren. Er erfordert das Einhalten energetischer Standards im Neubau und im Bestand bei gleichzeitiger Abwägung der Wirtschaftlichkeit. Wir befinden uns in einer Zeit zunehmender Verstädterung, die die Wohnungslandschaft in Deutschland sehr heterogen macht. Wir haben strukturschwache Regionen mit Wohnungsleerständen und Ballungszentren mit überhitzten Wohnungsmärkten.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Herausforderungen sind nicht eindimensional und erfordern daher differenzierte Lösungen. Das Realisieren der von Ihnen vorgeschlagenen sozialistischen Wohnungswirtschaft hilft den strukturschwachen Regionen nicht, attraktiver zu werden. Es hilft auch den Städten nicht, ihre Probleme zu lösen. Kurzum: Es hilft uns nicht.

Ich erkenne an, dass der soziale Wohnungsbau bei der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum eine wichtige Rolle spielt.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt das Aber!)

Aber die öffentliche Wohnraumförderung allein ist nicht das Allheilmittel für unsere Probleme. Wir können unsere Ziele nur erreichen, wenn wir alle Akteure ins Boot holen und in die Pflicht nehmen.

Wir reagieren bereits auf diese Situation:

Wir haben die Kompensationsmittel für den sozialen Wohnungsbau verdoppelt. Von 2016 bis 2019 erhalten die Länder insgesamt mehr als 4 Milliarden Euro. Diese Mittel müssen jetzt aber auch von den Ländern zweckgebunden verwendet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben die Wohngeldnovelle beschlossen. Seit 2016 ist das Wohngeld deutlich erhöht. 870 000 Haushalte profitieren davon. Über ein Drittel derer beziehen wieder oder erstmals Wohngeld.

Seit dem letzten Jahr stellt der Bund durch die BImA Grundstücke für Maßnahmen im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung und für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nur auf dem Papier!)

Bei mir zu Hause in Hamm sind heute bereits 800 Flüchtlinge in einer ehemaligen, umgebauten Kaserne untergebracht. Eine Erweiterung findet gerade statt. Sie sehen, wir haben schnell gehandelt.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht beim sozialen Wohnungsbau!)

Wir wollen, dass für Studierende und Auszubildende mehr gebaut wird. Deshalb haben wir im Zukunftsinvestitionsprogramm 120 Millionen Euro Fördermittel für innovative bauliche Konzepte bereitgestellt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns jetzt einen Blick nach vorne richten: Das beste Rezept bei Wohnungsnot ist noch immer der Bau neuer Wohnungen. Hierzu brauchen wir ein baufreundliches Klima, nicht nur für den öffentlich geförderten, sondern auch für den genossenschaftlichen und privaten Wohnungsbau.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen eine befristete und regionalisierte Sonderabschreibung einführen.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kriegen gerade die Genossenschaften nicht!)

Diese wirkt schnell und zielgerichtet genau dort, wo der Druck auf die Wohnungsmärkte am größten ist. Wir brauchen sie dringend, um den privaten Mietwohnungsbau anzukurbeln. Die Bundesregierung hat bereits geliefert – ein großer Erfolg und ein wichtiger Impuls.

Viel zu kurz kommt mir immer die Betrachtung des selbstgenutzten Wohneigentums. Deutschland liegt mit seiner Eigentumsquote im europäischen Vergleich an vorletzter Stelle.

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das ist traurig!)

Dabei hat gerade das selbstgenutzte Wohneigentum mehrfache soziale Wirkungen:

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Hat aber nichts mit dem Thema zu tun!)

Selbstgenutztes Wohneigentum stabilisiert Wohnquartiere, fördert Integration und ist Schutz vor Gentrifizierung. Selbstgenutztes Wohneigentum ist vor allem für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen eine ganz wichtige Form der privaten Altersvorsorge.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die können sich das nicht leisten!)

Nicht zuletzt wird durch Umzugsketten beim Bau von selbstgenutztem Wohneigentum immer auch eine Mietwohnung frei.

Für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen muss daher die Wohneigentumsförderung gestärkt werden. Ich möchte, dass die Wohnungsbauprämie auf den Stand der heutigen Zeit gebracht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die letzte Anpassung der Einkommensgrenze erfolgte vor 20 Jahren. Das hat dazu geführt, dass allein aufgrund tariflicher Lohnerhöhungen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Förderung herausgefallen sind. Das kann nicht sein. Durch eine Anpassung würden wir gerade die unteren Einkommensklassen fördern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch zu einem wichtigen Punkt kommen, zu den Baukosten. Es ist klar, dass nur gebaut wird, wenn eine Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Das gilt im Übrigen sogar für kommunale Wohnungsbaugesellschaften. Die Baukosten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Dadurch verteuern sich auch die Mietpreise. Also müssen die Kostentreiber angegangen werden. Hier hat die Baukostensenkungskommission gute und realisierbare Punkte identifiziert, die jetzt zügig umgesetzt werden müssen. Über die Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen haben wir bereits in der letzten Sitzungswoche ausgiebig debattiert. Deshalb nenne ich jetzt nur wenige Stichpunkte: Das Normungswesen muss überarbeitet werden; Kosten- und Nutzenaspekte müssen besser abgewogen werden. Ich denke vor allem auch an die Energieeinsparverordnung. Die EnEV 2016 treibt, laut Branchenberechnungen, die Baukosten um 8 Prozent in die Höhe, bei einem Nutzen, der kaum noch messbar ist. Die CO 2 -Emissionen sinken lediglich um 0,02 Prozent. Hier muss das Ende der Fahnenstange erreicht sein.

Bleiben wir bei der EnEV und der für dieses Jahr angestrebten strukturellen Neukonzeption und Zusammenlegung mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Hierzu hat das Wirtschaftsministerium ein Gutachten beauftragt. Die Sonderbauministerkonferenz, die gestern tagte, hat erhebliche Zweifel an den Annahmen, die dem Wirtschaftlichkeitsgutachten zugrunde liegen, und sie hat auch Zweifel daran, dass die Ende 2015 formulierten Forderungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Technologieoffenheit und Vereinfachung erfüllt sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich fordere daher unser Bauministerium auf, das Gutachten kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls ein weiteres in Auftrag zu geben.

Sie sehen: Wir haben bereits vieles getan, und es gibt immer noch vieles zu tun. Aber die Weichen sind gestellt, und wir sind auf einem richtigen Weg.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Britta Haßelmann.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6753162
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Aktionsplan für gemeinnützige Wohnungswirtschaft
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