14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 4 + ZP 3

Florian Pronold - Aktionsplan für gemeinnützige Wohnungswirtschaft

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine ganze Menge Menschen in Deutschland haben derzeit Sorge, wie sie heute oder in Zukunft bezahlbaren Wohnraum finden. Diese Sorge nehmen wir alle in diesem Hohen Hause sehr ernst. Ich glaube daher, es würde der Debatte sehr gut tun, wenn man nicht in das übliche Spiel zwischen Opposition und Regierung verfällt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja die Rede von Frau Jörrißen gehört!)

Man könnte vonseiten der Opposition anerkennen, dass diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Hinblick auf bezahlbaren Wohnraum deutlich mehr gemacht haben, als in den letzten Legislaturperioden getan wurde, und dass wir mehr gemacht haben, als im Koalitionsvertrag steht, weil wir erkannt haben, dass es in Studierendenstädten und Metropolregionen ein Marktversagen gibt, das wir ohne Intervention nicht auflösen können.

Was so abstrakt klingt, heißt ganz konkret, dass wir für die Rentnerin, die in eine kleinere Wohnung ziehen will, bezahlbaren Wohnraum haben, dass wir für einen ganz normalen Krankenpfleger, der heute eine Wohnung in Berlin sucht, ein Angebot haben, das er sich leisten kann, und dass wir für die Polizeibeamtin eine Wohnung in der Stadt haben, sodass sie nicht jeden Tag 30, 40 Kilometer von ihrer Wohnung bis zur Arbeit fahren muss. Das ist doch das, was wir gemeinsam wollen: bezahlbaren Wohnraum auch in angespannten Wohnungsmärkten vorhalten.

Dafür haben wir eine ganze Fülle von Maßnahmen durchgeführt, zum Beispiel in den Bereichen der sozialen Wohnraumförderung und der Städtebauförderung, die Zurverfügungstellung von Bundesgrundstücken mit einem Preisnachlass für den sozialen Wohnungsbau, die Erhöhung des Wohngeldes usw.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht eine Wohnung! Nicht einen Vertrag! Nur auf dem Papier!)

Man könnte also auch einmal anerkennen, dass wir hier eine ganze Menge auf den Weg gebracht haben,

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das funktioniert nicht!)

obwohl für diese Dinge nach unserem Grundgesetz der Bund fast keine Zuständigkeiten mehr hat, weil die große Verantwortung bei den Ländern liegt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es ist aber in Ordnung, dass wir über weitere Instrumente diskutieren und uns Gedanken darüber machen, was wir tun können, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen. So unterscheidet sich der Wohnungsmarkt in Deutschland zum Beispiel von dem Wohnungsmarkt in Österreich durch eine andere Tradition.

Herr Kollege Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Paus?

Sehr gerne.

Herr Staatssekretär, Sie haben sich jetzt genauso wie Frau Jörrißen wieder selber gelobt.

Sie machen es ja leider nicht.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Sie haben gesagt, dass die BImA, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, jetzt Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau abgibt, weil der Haushaltsausschuss das beschlossen hat. Ich gehe davon aus, dass Ihnen wie mir bekannt ist, dass es bisher nicht einen einzigen Vertrag gibt. Kein einziges Grundstück und keine einzige Wohnung ist bisher von der BImA an welche Kommune, welche Region und welches Land in der Bundesrepublik auch immer für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden. Von daher ist das bisher schlicht ein Beschluss des Haushaltsausschusses. Deswegen möchte ich Sie fragen, wie Sie trotzdem sagen können, schon unglaublich viel auf den Weg gebracht zu haben.

Daneben will ich Sie heute konkret fragen, was Sie dafür tun wollen, dass die BImA tatsächlich Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau abgibt und die Länder, Kommunen und Regionen endlich davon profitieren können.

Um den ersten Teil Ihrer Frage zu beantworten: Wir haben die Mittel für die soziale Wohnraumförderung, die über die Länder ausgegeben werden, verdoppelt, und wir haben jetzt in den Haushaltsverhandlungen zusätzliches Geld für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung gestellt.

Zweitens. Es ist eine Sonder-AfA für Wohnungen im mittleren Segment in angespannten Wohnungsmärkten auf dem Weg. Daneben haben wir für die Flüchtlingsunterbringung eine verbilligte und teilweise sogar kostenlose Überlassung von BImA-Grundstücken vereinbart. Die ersten BImA-Programme sind von den Kommunen übrigens nicht angenommen worden, weil wir parallel dazu für die Flüchtlingsunterbringung entsprechende Liegenschaften des Bundes – oft nach notwendigen Renovierungsarbeiten – umsonst zur Verfügung gestellt haben. Ich weiß, dass es derzeit eine ganze Menge Verhandlungen zwischen den Kommunen und der BImA über das vom Haushaltausschuss beschlossene Programm und die von uns allen begrüßte Entscheidung gibt,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist noch nichts passiert!)

dass nun auch öffentliche Liegenschaften des Bundes preisgünstig für den sozialen Wohnungsbau abgegeben werden. Diese Verhandlungen laufen, und wir können bald darüber berichten. Auch im Fachausschuss haben wir mit der BImA bereits über diese Fragen gesprochen, und unser Ministerium hält hier ständigen Kontakt. Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass sich hier der Wille des Gesetzgebers bzw. des Haushaltsgesetzgebers durchsetzen wird.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich glaube, es geht jetzt darum, zu schauen, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht worden sind, Fehler, die übrigens von allen – auch von allen, die hier sitzen – gemacht wurden. Man ist nämlich von falschen Prognosen ausgegangen. Karl Valentin hat einmal gesagt: Das Gefährliche an Prognosen ist, dass sie auf die Zukunft gerichtet sind. – Da hatte er recht. In der Wohnungswirtschaft gilt das besonders. Nach dem Skandal um die Neue Heimat wurden verschiedene Weichenstellungen vorgenommen, durch die sich unser Wohnungsmarkt anders entwickelt hat als zum Beispiel der Wohnungsmarkt in Österreich. Ein Unterschied zwischen Wien und München ist, dass sich in Wien 70 Prozent der Mitwohnungen in der Hand von Genossenschaften oder in kommunaler Hand befinden; in München sind es vielleicht 10 bis 15 Prozent. In München beträgt die Bestandsmiete für Wohnungen in der Hand von Genossenschaften oder kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ungefähr 6,50 Euro bis 7 Euro pro Quadratmeter, während die durchschnittliche Miete in München mittlerweile bei weit über 14 Euro liegt. Das heißt: Der heute immer noch existierende ehemalige gemeinnützige Sektor, bestehend aus Genossenschaften und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, ist weiterhin sehr wichtig, weil sich die Polizeibeamtin oder der Krankenpfleger in Städten wie München sonst überhaupt keine bezahlbare Wohnung mehr leisten könnten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Im Grunde ist es richtig, zu überlegen, wie wir den gemeinnützigen Sektor wieder stärken. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir neben den Maßnahmen, die ich beschrieben habe, auch darüber nachdenken müssen, den nicht profitorientierten Sektor auf dem Wohnungsmarkt Stück für Stück auszuweiten. Deswegen macht es Sinn, über die Frage einer neuen Gemeinnützigkeit nachzudenken. Dabei muss man aber ehrlicherweise einige Dinge berücksichtigen:

Erstens braucht es Wohnungsbaugesellschaften, die mit Blick auf diesen neuen Gemeinnützigkeitsbegriff tatsächlich bauen wollen.

Zweitens darf man die Fehler, die in der Vergangenheit gemacht worden sind, nicht wiederholen, etwa bezüglich der Instandhaltung oder der fehlenden Mieterbeteiligung.

Drittens wird eine Frage aufgeworfen, die uns sehr bald beschäftigen wird; denn es kann sein, dass wir rechtlich weniger ein Problem mit Europa haben werden – das sehe ich in dieser Frage überhaupt nicht; das schaffen wir –, sondern als Bundesgesetzgeber. Solange nämlich die Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung weiterhin alleine bei den Ländern liegt und der Bund keine Mitzuständigkeit hat, wird, wenn wir alle miteinander zu dem Ergebnis kommen, den nicht profitorientierten, gemeinnützigen Sektor auszuweiten, das schwierig umzusetzen sein. Deswegen kann ich an Sie nur appellieren: Wir brauchen die Gesetzgebungskompetenz dafür. In diesem Punkt sind sich fast alle Fachpolitiker in diesem Raum einig. In den Ländern wird das aber noch nicht so gesehen. Das Land Berlin hat sich aber bereits positiv dazu geäußert.

Wir können ab 2019, auch wenn wir das als Bund wollten, nicht einmal mehr die soziale Wohnraumförderung weiterführen, weil dies eine Übergangsregelung ist. Deswegen ist die Voraussetzung, um bei dem Thema Gemeinnützigkeit weiterzukommen, dass wir als Bund wieder eine Mitverantwortung für die soziale Wohnraumförderung haben. Dafür sollten wir gemeinsam in diesem Haus kämpfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Volkmar Vogel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6753164
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Aktionsplan für gemeinnützige Wohnungswirtschaft
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