Christian HaaseCDU/CSU - Aktionsplan für gemeinnützige Wohnungswirtschaft
Verehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Plattenbauprogramm der DDR – daran hat mich der vorliegende Antrag der Linken erinnert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Damals, 1973, wurde von oben herab ein Wohnungsbauprogramm mit dem einzigen Ziel verordnet, 3 Millionen neue Wohnungen zu bauen – unabhängig vom Bedarf, von der Effizienz und den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger, die nachher in diesen Wohnungen wohnen mussten. In der Bundesrepublik machen wir heute zum Glück eine andere Politik. Es gibt keine Bevormundung, sondern Vielfalt – Vielfalt, was Miete und Wohneigentum anbelangt, und Vielfalt auf der Investorenseite. Dort, wo sie gewachsen und sinnvoll ist, haben wir schon heute eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft, die meist gut funktioniert. Als ehemaliges Aufsichtsratsmitglied eines solchen Unternehmens weiß ich, worüber ich spreche.
Die Linken fordern dagegen einen gigantischen staatlichen Wohnungsbausektor – egal wo und egal wie teuer. Sie trauen sich erst gar nicht, eine Summe für die angedachte Gemeinschaftsaufgabe zu nennen. Es wird aber wohl ein zweistelliger Milliardenbetrag sein. Dazu kommt, dass als Ersatz für die bisherigen Kompensationsmittel 5 Milliarden Euro an die Länder fließen. Das wäre fünfmal mehr als bisher. Weiterhin gehen 2 Milliarden Euro als Ersatz für die Städtebaumittel an die Länder. Mit weiteren 5 Milliarden Euro soll der Energie- und Klimafonds reich beschenkt werden. Das sind dann zusammen noch einmal 12 Milliarden Euro – und das pro Jahr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Ihre Luftschlösser nehmen damit gigantische Ausmaße an. Die Finanzierung bleibt komplett im Nebel. Frau Bluhm, das ist keine Win-win-Situation, sondern eine Wind-Wind-Situation. Eine verantwortungsvolle Politik sieht sicherlich ganz anders aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch inhaltlich gibt es drei entscheidende Argumente gegen eine rein staatliche oder gemeinnützige Wohnungswirtschaft:
Erstens. Die Politik hätte durch die gewaltigen staatlichen Subventionen und Fördergelder einen enormen Einfluss auf diese gemeinnützigen Unternehmen. Ein guter Politiker ist aber noch lange kein guter Manager von Wohnungsbauunternehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wohin das führt, haben wir oft genug erlebt. Der riesige Wohnungsbaukonzern Neue Heimat, der ja auch in Ihrer Antragsbegründung Erwähnung findet, sollte uns da ein mahnendes Beispiel sein. Dieses Gewerkschaftsunternehmen betrieb unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit jahrzehntelange Misswirtschaft. Die Linken fordern nun die Auferstehung dieses Geschäftsmodells.
Zweitens. Es käme zu einer staatlich geförderten Gettoisierung durch Großsiedlungen dort, wo Durchmischung gefragt wäre. Das können wir doch nicht ernsthaft wollen. Die Negativbeispiele Duisburg-Marxloh oder Berlin-Neukölln geistern seit langem durch die Presse.
Kollege Haase, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bluhm?
Nein, ich bin gerade im Schwung. – Man könnte hier noch viele andere Stadtteile aus ganz Deutschland nennen. In diesen Vierteln haben wir gewaltige Probleme: religiöse Radikalisierung, Bandenkriminalität und rechtsfreie Räume. Das sind die Sorgen der Menschen in unserem Land. Liebe Freunde, wir müssen etwas gegen diese Gettos tun und dürfen sie nicht auch noch staatlich fördern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Drittens. Es wäre ein weiteres Ergebnis dieses Antrages, dass die Kommunen faktisch gezwungen wären, solche Unternehmen zu gründen. Ansonsten würden sie keine Unterstützung mehr erhalten, wenn sie die Wohnungsnot vor Ort bekämpfen wollen. Diese Bevormundung ist keine Unionspolitik. Wir wollen, dass die Kommunen selber entscheiden können, wie sie dem Wohnungsmangel begegnen. Denn darüber sind wir uns ja offensichtlich einig: Natürlich herrscht in vielen Großstädten ein Mangel an Wohnraum. Natürlich müssen wir Politiker hier Lösungen finden. Aber genau das tun wir auch. Die Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition haben die Punkte benannt. Ich will auch daran erinnern, dass wir in den 90er-Jahren jedes Jahr 600 000 neue Wohnungen gebaut haben – ohne ein solches Programm wie in Ihrem Antrag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt müssen wir diese Politik in der Praxis wirken lassen. Denn ein kurzfristig und unangemessen aufgeheizter Wohnungsbaumarkt treibt zunächst einmal die Baupreise nach oben. Damit würde wieder viel Geld verbrannt. Was wir brauchen, sind Kontinuität und Verlässlichkeit, damit die Wohnungswirtschaft Kapazitäten aufbaut. Denn gerade in der Baupolitik sind langfristiges Denken und Fingerspitzengefühl gefragt. Konsequenzen der Baupolitik sehen wir oft erst nach vielen Jahren. Dann können manche demografische Trends schon wieder vorbei sein.
Drei kurze Beispiele. Die Erstsemesterzahlen gehen nach neuesten Studien viel stärker zurück, als es die Kultusministerkonferenz erwartet. Wie lange hält also der Bedarf an mehr Studentenwohnungen an? Oder wie viele Wohnungen für Flüchtlinge brauchen wir tatsächlich? Wird die Urbanisierung anhalten? Diese Fragen zeigen, dass wir in jedem Fall durchdachte und flexible Konzepte brauchen. Alles andere ist nicht nachhaltig. Jetzt einen milliardenschweren öffentlichen Wohnungssektor zu fordern, ist unter diesen Gesichtspunkten völlig unverantwortlich.
Gerade als Vertreter kommunalpolitischer Interessen kann ich wirklich nur davor warnen, den Kommunen diese gewaltige Aufgabe aufzubürden, deren Umsetzung per Definition – so schreiben Sie es ausdrücklich in Ihrem Antrag – unrentabel wäre. Bei den Kommunen würde sie aber dennoch Personal und Geld binden. Dabei sind schon jetzt viele kommunale Haushalte auf Kante genäht. Für andere wichtige Investitionen stünde dann automatisch weniger Geld zur Verfügung. Wir sprechen in Deutschland von einem kommunalen Investitionsstau von 130 Milliarden Euro. Während wir mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz dagegenhalten, wollen Sie neue Investitionspflichten festzurren.
Sollten wir nicht den Kommunen vor Ort die Entscheidung überlassen, wo sie ihre Ressourcen einsetzen? Der vorliegende Antrag zwingt die Kommunen, alles auf eine Karte zu setzen. Wir wollen den Kommunen die Wahl lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn kommunale Wohnungsunternehmen sind bereits ein wichtiger Teil der deutschen Wohnungswirtschaft. Sie bieten bezahlbare Mieten und tragen so zu einer ausgewogenen Stadtentwicklung bei. Laut Städte- und Gemeindebund sind es über 700 Unternehmen, die circa 2,5 Millionen Wohnungen in Deutschland besitzen. Diese Möglichkeit wird also schon intensiv genutzt, überall dort, wo es sinnvoll ist.
Auch genossenschaftliche Modelle leisten einen wichtigen Beitrag, wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht. Es lassen sich viele positive Beispiele nennen, etwa der Schalker Bauverein aus Gelsenkirchen. Hier müssen wir schauen, wie wir die Wohnungsbaugenossenschaften besser unterstützen können. Herr Mindrup hat eben an seinem Beispiel deutlich gemacht, dass das unter den gegebenen Rahmenbedingungen gut funktioniert.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU] und Detlev Pilger [SPD])
Diesen gut funktionierenden Unternehmen wollen die Linken nun mit ihrem Antrag auch noch die Arbeit erschweren. Die Liste der zusätzlichen Pflichten und Regeln für gemeinnützige Unternehmen ist lang, der Kontrollmechanismus ist aufgebläht. Ein wenig mehr Vertrauen auch in die kommunale Familie wäre da besser. Aber wenn man planlos Milliarden in ein System pumpt, ist eine entsprechende Überprüfung natürlich nötig. Die beschriebene „Vier-Ebenen-Kontrolle“ wird es allerdings zum Nulltarif nicht geben. Also wieder einmal mehr Bürokratie! Noch viel schlimmer wäre allerdings die Gängelung der betroffenen Unternehmen. So beheben wir die Wohnungsnot in Deutschland nicht.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU] – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sie sind echt innovativ!)
Ein letzter Aspekt ist: Viele Kommunen haben gar keine Wohnungsnot. Ganz im Gegenteil: Viele Kommunen in ländlichen Räumen leiden unter einem Bevölkerungsrückgang. Dieses Ungleichgewicht müssen wir viel stärker in den Blick nehmen. Wenn wir die Attraktivität kleinerer Städte erhöhen, unterstützen wir nicht nur die Menschen, die dort leben, sondern verringern auch den Zuzug in die Ballungsräume.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In diesem Zusammenhang ist auch die Wohnsitzauflage für Flüchtlinge zu nennen. Ich leite derzeit eine Arbeitsgruppe der Kommunalpolitischen Vereinigung zum Thema Integration. Alle Bürgermeister bestätigen mir, wie wichtig die Wohnsitzauflage für eine Planungssicherheit bei der Integration ist. Viele Flüchtlinge zieht es in die Großstädte, wo schon Landsleute oder Verwandte leben. Das erschwert die Durchführung einer planmäßigen Integration massiv und verstärkt die Wohnungsknappheit. Mit einer Wohnsitzauflage beugen wir deshalb auf einen Streich zwei Problemen vor.
Natürlich müssen wir Flüchtlingen, die auf dem Land bleiben, eine Perspektive bieten – eine ideale Gelegenheit, die Strukturförderung im ländlichen Raum voranzutreiben.
Die heutige Debatte hat zweierlei klargemacht: Erstens, in der Baupolitik ist Fingerspitzengefühl gefragt. Zweitens, die deutsche Wohnungswirtschaft ist vielfältig. Das sollten wir beibehalten und mit Augenmaß weiter fördern. Wahlfreiheit statt Bevormundung – das ist und bleibt unsere Politik.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kollege Detlev Pilger spricht jetzt für die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6753269 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Aktionsplan für gemeinnützige Wohnungswirtschaft |