14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Zusatzpunkt 6

Marie-Luise DöttCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu gesundheitsgefährdenden Abgasbelastungen in vielen Städten

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes haben in den letzten Tagen für erhebliche Diskussionen gesorgt. Deshalb ist es erforderlich, sich noch einmal mit den Hintergründen zu befassen. Ziel ist die Verbesserung der Luftqualität vor allem in den Ballungsräumen und Großstädten.

Wir haben in den vergangenen Jahren insbesondere die Feinstaubbelastung in den Städten im Fokus gehabt. Genau darauf zielte die grüne Plakette. An vielen Orten ist die Feinstaubbelastung durch den Straßenverkehr nach Einführung der Umweltzonen zurückgegangen. Es gibt aber ein weiteres Problem. Wir haben in den Städten auch erhebliche Stickoxidbelastungen, und zwar vor allem an stark befahrenen Straßen.

2015 waren die Stickoxidwerte an 60 Prozent der Luftmessstellen an den durch Verkehrsemissionen belasteten Straßen in den Ballungsräumen zu hoch. Stickstoffdioxid ist gesundheitsschädlich, weil es die Atemwege reizt und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. Dieser Aspekt wird von den bisherigen Feinstaubplaketten nicht hinreichend berücksichtigt. Es besteht also Handlungsbedarf, und den sieht auch die Europäische Kommission.

Gegen Deutschland läuft ein Vertragsverletzungsverfahren. Deshalb ist es richtig, das Problem anzugehen, und deshalb war es auch richtig, das Thema auf der Sondersitzung der Umweltministerkonferenz auf die Tagesordnung zu setzen. Worüber ich mich allerdings wundere, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, wie schnell man sich auf ein Instrument, nämlich auf die Einführung der blauen Plakette einigen konnte, wie schnell das Gremium sicher war, dass man mit der Weiterentwicklung der 35. BImSchV das richtige Instrument gefunden hat. Ich bin der Auffassung, dass die Fünfunddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zwar ein mögliches Instrument ist, aber die Einführung der grünen Plakette hat auch gezeigt, dass die am Ende daraus resultierenden Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuge zu erheblichen Belastungen für die Bürger und die Wirtschaft führen. Genau an dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, dass man mit diesem Instrument vorsichtiger umgeht, statt die Bürger mit der Ankündigung der Einführung einer blauen Plakette, also der Androhung neuer Fahrverbotszonen, zu überraschen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viele Besitzer von Dieselfahrzeugen, von denen sich so mancher für den Diesel entschieden hat, weil er klimaverträglicher ist als ein Benziner, erfahren über die Presse am Wochenende, dass ihr Auto künftig nur noch eingeschränkt nutzbar ist.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Wie viele Handwerksmeister und Mittelständler haben am Wochenende überlegt, wie sie mit ihrem Fuhrpark künftig in die Innenstädte zu ihren Kunden kommen sollen? Und wie viele Bürgerinnen und Bürger haben überlegt, wie sie mit ihrem Euro-5-Diesel künftig die Kinder transportieren, den Einkauf bewältigen oder nur zu ihrer Wohnung in der Innenstadt gelangen sollen? Mit solchen politischen Überraschungseffekten bekommen wir für die erforderlichen Reduzierungen der Schadstoffbelastungen keine Unterstützung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage das nicht nur der Bundesumweltministerin, sondern auch den Länderumweltministern, von denen die Initiative auf der Sondersitzung der Umweltministerkonferenz des Bundes und der Länder in der vergangenen Woche ausging. Es ist ja richtig, dass die Bundesumweltministerin den Auftrag aus der Umweltministerkonferenz zumindest wohlwollend prüfen muss. Und dass sich das BMUB der Problematik bewusst ist, kann man an den Ausführungen des Umweltministeriums zu den Kernfragen ablesen: Da informiert das Ministerium auf seiner Website darüber, dass der Zeitpunkt der Einführung der Plakette noch nicht feststeht, dass das Bundesumweltministerium mit den Ländern und den anderen Ressorts die Ausgestaltung genau prüfen wird, dass nur Dieselfahrzeuge mit hohem Stickoxidausstoß betroffen sein werden und dass es Ausnahmeregelungen geben soll, um soziale Härten zu vermeiden. Da lese ich also ein deutliches Problembewusstsein heraus.

Meine Damen und Herren, wichtiger als über neue Fahrverbotszonen für die Bürger nachzudenken, ist es, sich anzuschauen, worüber auf der Sondersitzung der Umweltministerkonferenz noch diskutiert wurde. Da ging es nämlich um die Manipulationsvorwürfe bei Diesel-Pkws, die illegalen Abschalteeinrichtungen in Fahrzeugen, um die Überwachung der Immissionen und um neue europäische Abgaskontrollen. Hier liegen für mich die Handlungsschwerpunkte der Politik. Hier muss es schnell vorangehen – mit härteren Kontrollen und mit mehr Ehrlichkeit

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das irgendwann schon mal dem Verkehrsminister gesagt?)

statt mit neuen Fahrverboten. Der erste Adressat, wenn es um Fortschritte bei der Luftreinhaltung und beim Klimaschutz geht, sind die Hersteller, nicht der Bürger und der Handwerker, die sich auf hohe Immissionsstandards bei ihren Euro-5-Dieseln verlassen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD])

Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Ralph Lenkert von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6753619
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu gesundheitsgefährdenden Abgasbelastungen in vielen Städten
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