14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 6

Stephan MayerCDU/CSU - Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Es ist gut, dass wir in diesem Hohen Haus endlich den Gesetzentwurf zur Einstufung der drei Maghreb-Länder Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten beraten. Ich möchte nicht verhehlen, dass er, wenn es nach der Unionsfraktion gegangen wäre, hier frühzeitiger hätte behandelt werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich gestehe zu, dass man hier unterschiedlicher Meinung sein kann. Aber, liebe Frau Kollegin Amtsberg, ich möchte mich schon in aller Deutlichkeit gegen Ihren wirklich haltlosen Vorwurf gegenüber dem Bundesinnenminister verwahren, mit diesem Gesetzentwurf würde ein Blankoscheck für Menschenrechtsverletzungen ausgestellt. Das ist haltlos, das ist unzutreffend, und das gehört sich einfach nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist auch unverschämt!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es hat sich in der Vergangenheit herausgestellt, dass die Einstufung bestimmter Länder als sichere Herkunftsstaaten tatsächlich etwas bewirkt. Damit setzen wir ein klares Signal, dass Politik handlungsfähig ist. Noch im ersten Halbjahr 2015 kamen 47 Prozent der Bewerber aus den sechs Ländern des westlichen Balkans. Heute spielen die Bewerber aus den sechs Westbalkanländern de facto keine Rolle mehr. Im März kamen gerade einmal 1 200 Bewerber aus diesen Ländern, im Januar waren es 1 400. Es ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Es zeigt sich also sehr wohl, dass die Einstufung eines Landes als sicheres Herkunftsland eine klare Signalwirkung entfacht. Davon geht aber auch eine deutliche Verfahrensbeschleunigung aus.

Eines aber bleibt gewahrt – um dies klar zu sagen, Frau Kollegin Jelpke –: Es wird auch für die Bewerber aus sicheren Herkunftsstaaten ein individuelles und faires Verfahren gewährleistet. Nur wird das Verfahren beschleunigt. Ich wehre mich in aller Deutlichkeit gegen den Vorwurf, dass ein schnelles Verfahren ein rechtsunsicheres Verfahren sei. Das Gegenteil ist der Fall. Ein schnelles Verfahren kann sehr wohl auch vollkommen rechtssicher sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Brantner, Bündnis 90/Die Grünen?

Selbstverständlich. Sehr gerne.

Gut.

Herr Mayer, ich möchte kurz auf Ihren Vergleich mit dem Balkan eingehen. Die Zahl der Antragsteller ist momentan schon sehr gering. Von Tunesiern sind seit Beginn dieses Jahres 132 Anträge gestellt worden, also 132 Anträge in mehr als drei Monaten bundesweit. Auf wie viel wollen Sie die Zahl denn noch reduzieren? Wo sind die großen Zahlen, vor denen Sie solche Angst haben und aufgrund derer Sie meinen, wir bräuchten diese Gesetzesänderung?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Frau Kollegin Brantner, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, weil sie mir die Gelegenheit bietet, deutlich zu machen, dass es natürlich nicht darum geht, Angst zu haben, sondern eher darum, klare Signale zu entfachen.

Im Jahr 2015 hatten wir 4 910 Antragsteller aus den Ländern Tunesien, Marokko und Algerien. Es kamen aber knapp 26 000 Bewerber aus diesen drei Ländern. Es sind also noch Tausende von Marokkanern, Algeriern und Tunesiern in unserem Land, die bislang noch keinen Antrag gestellt haben. Es ist aber davon auszugehen, dass sie in den nächsten Wochen und Monaten einen Antrag stellen werden. Man darf also nicht verkürzt nur die aktuellen Zuzugszahlen in den Blick nehmen, wie Sie es getan haben. Vielmehr muss man sehr wohl auch ins Kalkül ziehen, dass im letzten Jahr insgesamt 2 000 Tunesier, 14 000 Algerier und etwas mehr als 10 000 Marokkaner zu uns kamen, die in den nächsten Wochen und Monaten mit großer Wahrscheinlichkeit Anträge stellen werden. Deshalb macht es sehr wohl Sinn und ist in der Sache geboten, dass wir diese drei Länder als sichere Herkunftsstaaten einstufen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Einstufung als sicheres Herkunftsland bewirkt, dass die Verfahren innerhalb von einem Monat durchgeführt werden können. Die abgelehnten Bewerber – die Anerkennungsquoten sind verschwindend gering – müssen innerhalb einer Woche unser Land verlassen. Sie haben eine Klagefrist von einer Woche. Diese Klage hat nicht einmal aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss auch innerhalb einer Woche gestellt werden. Zudem unterliegen sie einem absoluten Beschäftigungsverbot. Die Einstufung eines Landes als sicheres Herkunftsland hat also ganz konkrete Vorteile zur Folge.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gilt, den Blick auch einmal auf die verschwindend geringen Schutzquoten zu richten. Wir hatten im gesamten letzten Jahr eine Anerkennungsquote bei Tunesiern von 0,00 Prozent. Bei den Algeriern lag diese Quote bei 0,97 Prozent und bei den Marokkanern bei 2,26 Prozent.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Rest sind Dublin-Fälle!)

Auch in diesem Jahr haben sich die Schutzquoten nicht nach oben verändert, sondern sogar nach unten. Bei den Tunesiern lag sie in den ersten beiden Monaten wieder bei 0,00 Prozent. Bei den Marokkanern waren es 1,6 Prozent und bei den Algeriern 1,2 Prozent. Es gibt also keine sachlichen Gründe, die dafür sprechen, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

Ich möchte in aller Deutlichkeit betonen, dass aus den drei Ländern, um die es heute geht, bedauerlicherweise überproportional viele Personen stammen, die in der Silvesternacht in Nordrhein-Westfalen straffällig geworden sind. Von den mittlerweile 153 festgestellten Tatverdächtigen waren 149 Ausländer. Zwei Drittel dieser ausländischen Straftäter waren Algerier und Marokkaner. Insbesondere mit Blick auf die überproportional hohe Straffälligkeit der Menschen aus diesen drei Ländern gibt es sehr gute Gründe, die Verfahren zu beschleunigen.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, sehr dankbar bin, dass Sie Ende Februar bzw. Anfang März in diese drei Länder gereist sind und in intensiven Gesprächen mit den drei Regierungen dafür gesorgt haben, dass zugesichert wurde, dass diese drei Länder ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommen, eigene Staatsangehörige zurückzunehmen. Das ist an sich eine Selbstverständlichkeit, der bislang aber leider nur sehr unzureichend nachgekommen wurde.

Die Innenminister der drei Länder haben Ihnen auch zugestanden, dass sie in sehr kurzer Zeit bereit sind, zur Identitätsfeststellung der eigenen Staatsangehörigen beizutragen, Marokko zum Beispiel ganz konkret innerhalb von 45 Tagen. Alle drei Länder haben sich bereit erklärt, Rückführungen entweder im Rahmen von Charterflügen oder von Linienflügen zu akzeptieren. Alle drei Länder haben sich auch bereit erklärt, Passersatzpapiere auszureichen, um eine schnelle Rückführung der eigenen Staatsangehörigen zu ermöglichen. Ich danke Ihnen namens unserer Fraktion ausdrücklich für Ihren erfolgreichen Einsatz in diesen drei Ländern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir werden dieses parlamentarische Verfahren sauber, ordentlich und seriös betreiben. Aber ich bin mit Blick auf die Zahl der in den nächsten Wochen und Monaten anstehenden Anträge der Überzeugung: Wir sollten uns nicht zu viel Zeit lassen. Deshalb ist es richtig, dass wir heute in einer Sondersitzung des Innenausschusses zusammenkommen und, so hoffe ich, die Durchführung der Sachverständigenanhörung in der nächsten Sitzungswoche, Ende April, beschließen. Aus meiner Sicht steht auch einer schnellen Behandlung und Beschlussfassung in der zweiten und dritten Lesung in diesem Hause nichts entgegen. Um es klar zu sagen: Hier sind Seriosität und ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber auch Schnelligkeit geboten.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Kollege Stephan Mayer. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist Nina Warken für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6753867
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien
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