14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 6

Nina WarkenCDU/CSU - Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte kommt mir fast wie ein Déjà-vu vor. Sie erinnert mich stark an unsere Diskussion um die Einstufung der Westbalkanstaaten. Die Opposition stellt sich erneut, wie schon bei den Balkanstaaten, gegen eine Maßnahme, um Asylmissbrauch und unkontrollierte Zuwanderung einzudämmen. Erneut haben wir eine ganze Reihe realitätsferner Kritikpunkte gehört,

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche konkret?)

und erneut liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, den wir ohne die Blockade schon längst beschlossen hätten.

Nach allem, was wir auch heute gehört haben, lässt sich feststellen: Die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer ist dringend notwendig und rechtlich zulässig. Die Kritik daran ist unzutreffend und nicht haltbar. Das alles zeigt sich an den folgenden drei Tatsachen:

Erstens. Schon bei den Balkanländern wurde von der Opposition behauptet, die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten würde nichts bringen. Das gleiche Argument haben wir in der heutigen Debatte gehört. Tatsache ist jedoch, dass die Zahl der Asylbewerber vom Balkan auch in der Folge der Einstufung stark zurückgegangen ist. Zum Vergleich: 23 000 waren es im Juli 2015 und noch knapp 5 000 im Oktober, nachdem alle Balkanländer als sicher eingestuft waren. Inzwischen sind es sogar nur noch 1 200. Der Grund für den Rückgang ist: Die Menschen vom Balkan haben sehr schnell gemerkt, dass es nichts bringt, unbegründete Asylanträge zu stellen; sie können nicht in unserem Land bleiben. Damit steht fest: Die Einstufung als sicheres Herkunftsland wirkt und hilft, den unkontrollierten Zustrom einzudämmen. Diese Signalwirkung brauchen wir nun auch dringend im Hinblick auf Algerien, Marokko und Tunesien.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Bemerkung oder Zwischenfrage von Frau Bulling-Schröter?

Ja.

Gut.

Herzlichen Dank. – Frau Kollegin, ich möchte Sie etwas zu Marokko fragen. Laut internen Berichten der Bundesregierung ist Marokko eines der Länder, die bereits jetzt am meisten vom Klimawandel betroffen sind. Meine Frage ist: Inwieweit gehen solche Einschätzungen in die Einstufung als sicheres Herkunftsland ein? Das Thema Klimaflüchtlinge wurde bekanntlich auch im Koalitionsvertrag angesprochen. Es ist erwiesen, dass bereits Menschen aus Gründen des Klimawandels flüchten.

Im Asylverfahren wird geprüft, ob jemand individuell verfolgt oder bedroht wird. Man kann selbst dann, wenn ein Herkunftsland als sicher eingestuft ist, den persönlichen Grund für einen Asylantrag vortragen. Man kann dabei jedweden Grund vorbringen. Wenn man aufgrund klimatischer Verhältnisse flieht, kann man das ins Asylverfahren einbringen. Ob das zum Erfolg des Asylverfahrens führt, ist eine andere Frage. Darüber, welche Gründe im Verfahren angeführt werden, entscheidet jeder selbst. Das hat nichts damit zu tun, ob ein Land als sicher eingestuft wird oder nicht. Jeder kann weiterhin seine Fluchtgründe darlegen. Das ist schließlich Sinn des Asylverfahrens und wird weiterhin aus rechtsstaatlichen Gründen möglich sein. Dass ein individueller Schutz aus Klimagründen zu gewähren ist, bezweifle ich. Aber solche Gründe können weiterhin vorgetragen werden. Ich hoffe, dass ich damit Ihre Frage beantwortet habe.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Lesen Sie einmal Ihren Koalitionsvertrag! Das wäre hilfreich!)

Es lohnt sich nicht, sich auf den Weg zu machen. Diese Signalwirkung hatten wir schon bei den Balkanstaaten. Eine ähnliche Signalwirkung brauchen wir auch bei den Maghreb-Staaten. Das Argument, dass im Moment wegen des zu geringen Zustroms aus den Maghreb-Staaten kein Handlungsdruck besteht, zählt nicht. Die Zahl der Flüchtlinge vom Westbalkan ist im letzten Jahr zuerst schleichend gestiegen. Im Mai waren es 10 000, im Juni 14 000 und im Juli 23 000. Am Jahresende waren es insgesamt 150 000 Menschen, die vom Westbalkan zu uns kamen. Auch bei den Maghreb-Staaten ist ein ähnlicher Trend erkennbar.

Zweitens behauptet die Opposition, dass die Lage in den Maghreb-Staaten die Einstufung als sichere Herkunftsländer nicht zulässt; das haben wir mehrfach gehört. Im Gesetzentwurf wurde die Lage in allen drei Ländern in aller Ausführlichkeit bewertet. Auch die Schutzquoten sprechen eine deutliche Sprache. In Marokko, Algerien und Tunesien drohen weder eine systematische Verfolgung noch ein Bürgerkrieg. Im Januar und Februar wurden aus allen drei Ländern zusammen lediglich sechs Personen als schutzbedürftig anerkannt. Mehr als 4 000 sind jedoch seit Jahresanfang gekommen. Wir werden die aufgeworfenen Fragen und Ihre Bedenken, liebe Kollegen, in der Anhörung in der nächsten Sitzungswoche ausführlich erörtern. Ich bin aber überzeugt, dass bei dem Gesetzentwurf diesbezüglich alles bedacht wurde.

Drittens fordert die Opposition, Deutschland solle sich lieber um die Integration kümmern, als gegen Asylmissbrauch und unkontrollierte Zuwanderung vorzugehen. In diesem Sinne äußerte sich zum Beispiel der thüringische Ministerpräsident zum vorliegenden Gesetzentwurf im Bundesrat.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Mann!)

Diese Kritik übersieht vollkommen, wie viel bereits in Deutschland getan wird, um die Integration zu verbessern. Integration setzt allerdings voraus, dass man sich an die Spielregeln in unserem Land hält. Wir haben – das wird in diesem Zusammenhang oft verschwiegen – gerade mit Asylbewerbern aus dem Maghreb ein massives Kriminalitätsproblem, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wo der Großteil der Asylanträge aus diesen Ländern bearbeitet wird. Hier ist laut dem nordrhein-westfälischen Innenministerium im letzten Jahr rund jeder dritte Marokkaner oder Algerier, der in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung untergebracht war, kriminell geworden. Es ist kein Zufall, dass zwei Drittel der Tatverdächtigen im Zusammenhang mit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln ausgerechnet aus diesen beiden Ländern kommen. Das sind Tatsachen, auf die wir entschlossen reagieren müssen und vor denen wir die Augen nicht verschließen dürfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist deshalb richtig, dass der Bundesinnenminister vor kurzem mit den Maghreb-Staaten deutliche Vereinfachungen und Verbesserungen bei der Rückführung vereinbart hat. Das stärkt die Akzeptanz unseres Asylsystems und entlastet Kommunen wie Behörden. Diese Vereinbarung muss nun aber auch mit Leben erfüllt werden. Rund 2 000 Marokkaner, Algerier und Tunesier halten sich noch immer in Deutschland auf, obwohl sie längst ausreisepflichtig sind und keine Duldung haben. Hier sind der politische Wille und entschlossenes Handeln der Länder gefragt, wenn es darum geht, diese Personen zügig abzuschieben.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6753871
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien
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