14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 7

Mechthild HeilCDU/CSU - Menschenrechtsschutz bei Produktion im Ausland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von den Grünen! Ich danke Ihnen ausdrücklich für den Antrag „Kleidung fair produzieren“, den Sie hier eingebracht haben. Ich glaube nämlich: Es gibt niemanden in diesem Raum, der nicht die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Bangla­desch und in anderen produzierenden Ländern verbessern möchte. Auch in der Bevölkerung wächst die Zahl derer, die gern wissen wollen, ob der Kaffee, den sie trinken, und die Bluse, die sie tragen, fair produziert wurden. Viele Menschen in Deutschland sind sensibilisiert, und das finde ich richtig gut,

(Beifall bei der CDU/CSU)

zeigt es doch – bei aller Abschottungsrhetorik der letzten Monate und bei allem lautstarken Protest und Ablehnungsgeschrei, zum Beispiel bezogen auf TTIP oder andere Handelsabkommen –: Es gibt in Deutschland die Leute, die über den Tellerrand hinaussehen, denen es wichtig ist, unter welchen Bedingungen Waren im Ausland produziert werden, die wir anschließend kaufen. Es gibt immer mehr Menschen, die verstehen, dass wir solche Herausforderungen nur gemeinsam lösen können – gemeinsam in Europa und in einem gemeinsamen Markt zum Beispiel mit den USA.

Wir allein in Deutschland haben nicht die Marktmacht, die Arbeitsbedingungen zum Beispiel in Bangladesch zu ändern.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist Quatsch!)

Auch deswegen ist TTIP wichtig. Ich teile das Ziel, die Transparenz für die Verbraucher in Bezug auf die Lieferketten zu verbessern und die Unternehmen bei der Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten stärker in die Verantwortung zu nehmen. Herzlichen Glückwunsch an die Grünen! Frau Künast, Sie haben es wirklich geschafft, dieses Thema in dieser Woche wieder prominent in den Medien zu platzieren.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut gemacht!)

Vielen Dank für die Initiative. Das tut dem Thema gut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wir reden jetzt darüber!)

Aber auch, wenn wir die übergeordneten Ziele, die Sie formuliert haben, sehr wohl teilen,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt irgendwann das Aber!)

so halten wir doch Ihre Lösungsansätze weder für notwendig noch für zielführend.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil? – Johannes Selle [CDU/CSU]: Kommt alles noch!)

Die Wirklichkeit ist viel mühsamer und viel komplizierter, als Sie das hier eben dargestellt haben. Denn nicht ein weiteres Gesetz in Europa ist notwendig. Wichtig ist, alle relevanten Akteure entlang der Lieferketten einzubinden. Dazu gehören natürlich die Unternehmen, dazu gehören die Länder, also die Regierungen, dazu gehören die Gewerkschaften, und dazu gehören natürlich auch Standardorganisationen, wie zum Beispiel die ILO, die Arbeitsstandards festlegen. Alle müssen gemeinsam an einen Tisch und in den Verbesserungsprozess eingebunden werden.

Deshalb ist unser Ansatz ein anderer. Er entspricht übrigens auch den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Wir treiben den Verbesserungsprozess auf nationaler und auf internationaler Ebene voran, mit freiwilligen und mit verbindlichen Regelungen. Ich glaube, diese Mischung ist uns wirklich gut gelungen.

Sie selber haben das Textilbündnis angesprochen. Ihre Kritik am Textilbündnis verstehe ich allerdings nicht. Sie sagen, das Textilbündnis sei ausschließlich national und freiwillig,

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Das war von den Grünen! Deswegen!)

deswegen bringe es nichts.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt, dass es nichts bringt! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nicht zugehört! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Kein Ergebnis! Das Statement kriegen Sie gleich ausführlich!)

Was ist das wieder für ein Weltbild? Von den Linken bin ich es gewöhnt, aber nicht von den Grünen. Also: Alles, was freiwillig geschieht, ist schlecht, alles, was auf staatlichem Zwang beruht, ist gut. Das widerspricht nicht nur jeder menschlichen Erfahrung, sondern das ist auch sachlich vollkommen falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gebe ich Ihnen recht! Es geht auch überhaupt nicht um dieses Thema! Sachlich völlig falsch, was Sie da erzählen!)

Ja, die Mitgliedschaft im Textilbündnis ist freiwillig. Aber: 55 Prozent des deutschen Textileinzelhandels sind in diesem Bündnis organisiert, und wenn man sich die Entwicklung ansieht, dass stellt man fest, dass das, was im Oktober 2014 mit 34 Teilnehmern angefangen hat, jetzt auf immerhin 180 Mitglieder angewachsen ist.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es kommt auf die Frage an, was passiert, und nicht darauf, wie viele drin sind!)

Dazu zählen im Übrigen auch große Konzerne wie Edeka, Aldi, Adidas, Boss, H&M, KiK oder Otto, die natürlich alle international aufgestellt sind.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Primark!)

Es ist also nicht so, dass es sich hierbei um ein rein nationales Bündnis handelt. Eine internationale Ausrichtung war von Anfang an unser Ziel. Dazu kommt – ich glaube, das ist auch sehr entscheidend –: Die Teilnehmer haben sich auf eine hohe Verbindlichkeit geeinigt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber noch nicht darauf, was verbindlich sein soll!)

Dafür unterziehen sie sich einem Audit durch unabhängige Dritte. Dieser Prozess läuft im Moment. Im nächsten Monat wird er beendet, und das Ergebnis wird natürlich auch veröffentlicht, damit jeder sehen kann, wie gut die Unternehmen eigentlich sind.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie mal den Staatssekretär gestern hier hören müssen!)

Das Bündnis leistet also viel mehr, als Sie unterstellen. Das ist ein Riesenerfolg. Das ist richtig gut, und wir sind noch lange nicht am Ende dieser Entwicklung. Dafür an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an unseren Entwicklungsminister Gerd Müller und auch an sein Haus. Da er nicht da ist, kann es der Staatssekretär sicherlich ausrichten. Vielen Dank von uns an Sie für Ihre Arbeit!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Heil, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage des Kollegen Kekeritz?

Nein, er hat hier gleich die Gelegenheit. Er kann noch sprechen.

Kann er nicht.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, kann ich nicht! Darf ich nicht! Frau Künast hat gesprochen!)

Sie hatten ja eine Vorreiterin. Frau Künast hat gesprochen. Nein.

Sie sehen: Deutschland geht in vielen Fragen voran. Unser Ziel ist klar: Wir wollen die sozialen und ökologischen Standards bei der Herstellung von Textilien erhöhen. Dazu brauchen wir Partner. Allein werden wir das nicht schaffen. Die bis zu 140 Produktionsstufen, die – C&A hat das im Moment veröffentlicht – für die Herstellung eines Hemdes nötig sein können, bekommt man nicht einfach mit einem deutschen oder europäischen Gesetz in den Griff. Wir brauchen die Partnerschaft, das Know-how, die Einsicht der Unternehmen. Kleidung wird in Dutzenden von Ländern produziert, in Tausenden von Betrieben mit ganz unterschiedlichen Problemstellungen: vom Mindestlohn bis hin zur Kinderarbeit, von gentechnisch veränderten Baumwollpflanzen bis hin zu gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen, vom vernachlässigten Brandschutz bis hin zum fehlenden Tierschutz. Wenn wir darauf Einfluss nehmen wollen, brauchen wir Verbündete, um unsere Marktmacht zu stärken, und wir brauchen die Bereitschaft der Länder, uns auf diesem Weg zu begleiten.

Deswegen, liebe Grüne, liebe Kollegen von den Linken, bei den Zielen sind wir uns einig, aber die von Ihnen vorgeschlagenen Wege sind einfach falsch. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist überraschend!)

Vielen Dank, Kollegin Heil. – Nächster Redner in der Debatte: Niema Movassat für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6753934
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Menschenrechtsschutz bei Produktion im Ausland
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