14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 7

Elvira Drobinski-WeißSPD - Menschenrechtsschutz bei Produktion im Ausland

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Im Zuge der Globalisierung ist Wirtschaft, was Produktions-, Liefer- und Dienstleistungsketten angeht, weltweit sehr weit verzweigt. Insbesondere lohnkostenintensive Arbeiten werden oft in den Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens oder Afrikas erledigt. Das könnte man positiv sehen; denn eine starke lokale Wirtschaft in den Entwicklungsländern bietet diesen Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung und Wissenstransfer.

Multilaterale Unternehmen können also einen erheblichen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Mit „nachhaltig“ meine ich, dass diese ihre Ziele auch nach sozialen, menschenrechtlichen und ökonomischen Kriterien ausrichten. Einige deutsche Unternehmen nehmen diese gesellschaftliche Verantwortung bereits wahr und engagieren sich. Sie integrieren Nachhaltigkeitsstrategien in ihr Kerngeschäft. Dieses Engagement jedoch – jetzt kommt eine Einschränkung – ist nur freiwillig. Bisher muss kein Unternehmen über Arbeits- und Umweltbedingungen Rechenschaft ablegen.

Die vorher schon genannten Unglücksfälle haben gezeigt: Ein nachhaltiges Engagement der international agierenden Unternehmen ist nicht Standard. Die verantwortungsvollen Unternehmen stehen im Wettbewerb mit denen, die nach wie vor Diskriminierung, Lohndumping und Umweltverschmutzung verantworten oder akzeptieren. Leider fehlt derzeit jegliche Transparenz. Noch schlimmer finde ich: Die Nichtanwendung menschenrechtlicher Sorgfalt und die Zerstörung der Umwelt bleiben für diese Unternehmen folgenlos. Das wollen wir und das wollen viele Konsumenten so nicht länger hinnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass Kinder weltweit zur Schule gehen und nicht in Steinbrüchen oder Textilfabriken arbeiten. Wir wollen, dass Arbeiter so entlohnt werden, dass sie und ihre Familien davon leben können. Wir wollen, dass aus der Verletzung von Menschenrechten kein Vorteil gezogen werden kann.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])

Das Textilbündnis, verehrte Kolleginnen und Kollegen, stellt eine Handlungsmöglichkeit für gelebte Verantwortung dar. Ziel des Bündnisses ist es, konkrete Verbesserungen der sozialen und ökologischen Standards entlang der gesamten textilen Wertschöpfungskette zu erreichen. Mit dem Bündnis sollen unter anderem international anerkannte Leitlinien und Standards wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder die ILO-Kernarbeitsnormen – darauf wird der Kollege Barthel nachher noch eingehen – flächendeckend in der Bekleidungs- und Textilindustrie umgesetzt werden. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Für Verbraucherinnen und Verbraucher können derzeit unabhängige und transparente Textilsiegel als Orientierung dienen, anhand derer sie erkennen können, ob ein Produkt diesen Erwartungen entspricht.

Sehr geehrte Damen und Herren, die vorliegenden Anträge enthalten vorwiegend Vorschläge, wie man den Bereich der Textilproduktion verbessern kann. Das reicht nicht. Nichtregierungsorganisationen decken immer wieder Verletzungen von Arbeitsrechten und Umweltzerstörungen auf; keine Branche kann sich von diesen Vorwürfen komplett freisprechen. Deshalb begrüße ich, dass auf europäischer Ebene im Oktober 2014 die sogenannte CSR-Richtlinie verabschiedet wurde. Kapitalmarkt­ori­en­tierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen müssen zukünftig eine erweiterte Berichterstattung vorlegen. Das heißt, sie sollen künftig stärker über nichtfinanzielle Aspekte und von ihnen verfolgte Konzepte berichten. Bundesjustizminister Heiko Maas und sein Ministerium bereiten gerade die Umsetzung in nationales Recht vor.

Die Pflichten zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Aspekte müssen noch in diesem Jahr im Handelsgesetzbuch verankert werden. Im Bereich Umwelt müssen dann beispielsweise Angaben zu Treibhausgasemissionen, zum Wasserverbrauch, zur Luftverschmutzung oder zum Einsatz erneuerbarer Energien gemacht werden. Im Bereich der Arbeitnehmerbelange müssen Angaben zu den Arbeitsbedingungen, zur Achtung der Arbeitnehmerrechte, zum Gesundheitsschutz oder zur Sicherheit am Arbeitsplatz gemacht werden. Es gäbe hier noch weitere Punkte aufzuzählen. Doch für mich ist hier wesentlich: Ein Unternehmen, das kein Konzept hinsichtlich sozialer und ökologischer Standards hat, muss erklären, warum es sie nicht hat.

Konsumenten und Investoren erhalten durch die Pflichten zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Aspekte endlich bessere Informationen über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen, anhand derer sie entscheiden können, ob sie in die Unternehmen investieren, Lieferbeziehungen mit ihnen eingehen oder deren Produkte kaufen. Ich unterstütze diesen Ansatz. Er ist – anders als der Antrag der Grünen – branchenübergreifend und nicht auf die Textilbranche beschränkt. Und er ist – anders als der Antrag der Linken – auf europäische Vorgaben ausgerichtet und beschränkt sich nicht auf das nationale Recht. Soziale und ökologische Verantwortung soll ein Wettbewerbsvorteil und darf nicht länger ein Wettbewerbsnachteil sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Danke, Frau Kollegin Drobinski-Weiß. – Jetzt hat der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel für die Bundesregierung das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6753939
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Menschenrechtsschutz bei Produktion im Ausland
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