14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 7

Klaus BarthelSPD - Menschenrechtsschutz bei Produktion im Ausland

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Es ist ja schön, dass es eine lebendige Debatte gibt und dass wir uns offensichtlich in den Zielen sehr einig sind. Es ist auch gut, dass das Thema Rana Plaza hier nicht in Vergessenheit gerät und dass wir uns, wie das auch Frau Künast getan hat, heute nach drei Jahren noch einmal daran erinnern. Ich will noch einmal daran erinnern, dass solche gefährlichen Arbeitsbedingungen und die Gefährdung von Gesundheit und Leben von Menschen, krankmachende Arbeit und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zentrale Ursachen von Flucht und Vertreibung sind und dass man diesen Zusammenhang immer wieder herstellen muss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube auch, dass es Sinn macht, sich 14 Tage vor dem 1. Mai weltweit für gute Arbeit einzusetzen.

In der Tat gibt es Fortschritte zu verzeichnen, und die sollten wir nicht leugnen. Das macht keinen Sinn. Zum Beispiel hat es im Jahr 2000 weltweit nicht einmal zehn Rahmenabkommen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gegeben, die international Arbeitsbedingungen regeln. Mittlerweile gibt es 85 davon. Deren Erfolg hängt zum Beispiel davon ab, dass sie in den Partnerländern wirksam kontrolliert und umgesetzt werden. Die Erfahrung zeigt: Dort, wo es starke Gewerkschaften und betriebliche Vertretungen mit gesetzlichen Rechten gibt, funktioniert das auch einigermaßen. Dort funktioniert es jedenfalls besser. Deswegen ist es so, dass die Sozialdemokratie zum Beispiel bei allen internationalen Abkommen so penetrant für die Einhaltung von ILO-Kernarbeitsnormen kämpft,

(Beifall bei der SPD)

die Streikrecht, Tarifautonomie, Verbot von Kinderarbeit, Koalitionsfreiheit usw. umfassen.

Es ist andererseits natürlich auch richtig – das ist angesprochen worden –, dass der jetzige Stand, den wir erreicht haben, unbefriedigend ist. Es könnte viel mehr solcher Rahmenabkommen geben. Wir haben schon seit 15 Jahren die Bemühungen auf europäischer Ebene um entsprechende Regelungen beim Import von Produkten, bei Partnerschaftsabkommen usw. Die Umsetzung der internationalen Vereinbarungen hinkt jedoch hinterher. Stichworte sind SDGs und CSR und Nationaler Aktionsplan.

Wenn ich beim Nationalen Aktionsplan bin, dann muss ich mich etwas über die Linken wundern; denn sie scheinen das, worauf sich dieser bezieht, überhaupt nicht zu kennen. Herr Movassat, Sie haben übrigens zu allem Möglichen geredet, aber nicht zu Ihrem Antrag. Sie haben einen Rundumschlag gemacht. Was Sie hier beantragen, ist ziemlich erbärmlich. Da heißt es zum Beispiel: Die Bundesregierung wird aufgefordert, „den Prozess bei den Vereinten Nationen zur Entwicklung verbindlicher internationaler Standards im Bereich der Wirtschaft und Menschenrechte zu unterstützen“. Meine Damen und Herren, so etwas gibt es seit 2011, und es geht jetzt darum, das national umzusetzen. Das erwähnen Sie nicht einmal.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In Ihrem Antrag blenden Sie die internationale Dimension völlig aus, weil Sie sich nicht trauen, die internationale Komponente in Ihren Reihen anzusprechen.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das habe ich doch gesagt!)

Sie müssen das einfach einmal nachlesen. Es gibt eine Differenz zwischen Ihrem Antrag und Ihren Reden.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das habe ich gesagt! Lesen Sie meine Rede nach!)

Bei der Formulierung Ihres Antrags hatten Sie die nationale Brille auf; bei den Reden, die Sie hier halten, ist das etwas anderes.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Unter Niveau, Klaus!)

Es gibt in der Tat viel zu tun. Diese Koalition geht das Thema an. Das machen wir. Auch das Textilbündnis reicht nicht aus; aber es geht immerhin voran. Wir sind gespannt, was die Arbeitsgruppen im Sommer auf den Weg bringen.

Diejenigen, die für verbindliche und umfassende Regelungen kämpfen, haben recht: Die Zeit der Freiwilligkeit läuft irgendwann einmal ab. Die Verantwortung tragen diejenigen, die jahrelang blockiert haben. Herr Fuchtel, ich glaube, wir müssen irgendwann zu einem Punkt kommen, an dem wir sagen – den Vergleich mit der Ampel finde ich sehr gut –: Wir haben in der Straßenverkehrsordnung keine freiwillige Entscheidung, ob man bei Rot halten oder weiterfahren will, sondern wir haben einen verbindlichen Halt, und wer nicht hält, wird bestraft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, an diesem Punkt sind wir langsam angekommen.

Deswegen kämpfen wir – gemäß Beschlüssen unserer Fraktion und unserer Partei – für Transparenz im Welthandel, für verbindliche Standards und Regeln, für eine verbindliche Umsetzung, für verbindliche Kontrollen und für Sanktionen. Wir kommen damit auch vorwärts, zum Beispiel bei den Konfliktmineralien. Die Bundesregierung hat unsere Position mittlerweile übernommen und setzt sich in Europa für verbindliche Regelungen für den Import von Konfliktmineralien ein.

Herr Kollege Barthel, ich will Sie in Ihrem Redeschwall nicht unterbrechen,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Schwall“?)

aber der Kollege Movassat meldet sich schon seit geraumer Zeit. Darf er etwas sagen oder fragen?

Er darf, natürlich.

Herr Kollege Barthel, erstens glaube ich nicht, dass es nationalistisch ist, wenn man fordert, dass der Bundestag Gesetze verabschiedet. Diese Kritik finde ich ziemlich absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Natürlich ist es besser, wenn man bei solchen Themen international agiert. Da stimmt Ihnen die Linke völlig zu. Deshalb habe ich in meiner Rede ausgeführt – vielleicht lesen Sie das später noch einmal nach –, dass die UN 2011 die UN-Leitprinzipien verabschiedet hat. Deutschland hat aber erst 2014 begonnen, sich mit der Umsetzung zu beschäftigen. Meine Kritik ist, dass die Bundesregierung viel zu spät begonnen hat, die internationalen Anforderungen umzusetzen. Das habe ich hier gesagt. Ich finde es total gut, wenn dieser Prozess zügig vorankommt. Meine Sorge ist allerdings, dass die konkrete Umsetzung auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben wird, sich die Umsetzung also noch länger hinzieht. Ich finde, wir müssen hier schneller handeln; denn es geht um Hunderttausende, um Millionen Menschen, die unter schrecklichen Arbeitsbedingungen leiden. Hier ist auch Deutschland gefragt, seinen Beitrag zu leisten, auch durch die Umsetzung internationaler Regelungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Movassat, das ist genau der Punkt. Das, was Sie hier beschreiben, ist ja richtig. Ich habe gerade bestätigt, dass wir dabei sind, uns dafür einzusetzen, dass dieser Nationale Aktionsplan möglichst bald umgesetzt wird. Dass wir diesbezüglich Druck machen, ist allgemein bekannt. Das, was Sie hier sagen, ist richtig; aber in Ihrem Antrag steht genau das nicht drin. In Ihrem Antrag nehmen Sie darauf nicht Bezug. Ich habe ja nicht gesagt, dass wir nicht auch national handeln sollen, dass wir Klagerechte nicht schaffen sollen usw. Wir sind für Anlaufstellen. Wir brauchen überall Anlaufstellen, bei denen man sich beschweren kann. Da sind wir uns völlig einig. Mich stört nur, dass Sie in Ihrem Antrag überhaupt nicht darauf abheben, sondern so tun, als gäbe es die internationale Dimension gar nicht, als ginge es nur darum, deutsche Unternehmen in Deutschland zu verpflichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das führt uns aber überhaupt nicht weiter, weil das im globalen Wettbewerb nicht funktionieren kann. Das ist das Problem, das wir mit Ihrem Antrag haben. In Ihren Reden sagen Sie oft etwas anderes als das, was in diesem Antrag steht. Das müssen wir hier einfach einmal kon­statieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich war gerade dabei, auszuführen, dass die SPD-Bundestagsfraktion und die Partei nicht nur Beschlüsse fassen, sondern wir diese Beschlüsse hier auch sukzessive umsetzen. Das Europäische Parlament hat all unsere Positionen, was die Anforderungen an Freihandelsabkommen betrifft, übernommen, einschließlich der ILO-Kernarbeitsnormen usw. usf. Natürlich müssen die Hausarbeiten gemacht werden.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In den Kernarbeitsnormen, mein Lieber, ist Kinderarbeit nicht drin!)

– Der Kernarbeitsnormen. Entschuldigung, wenn ich mich versprochen habe.

Das heißt, wir wollen, dass in internationalen Verträgen nicht in erster Linie Kapital und Investitionen geschützt werden, sondern dass es eben auch einklagbare Rechte, umsetzbare und durchsetzbare Rechte für die Menschen und zugunsten der Umwelt gibt usw. Wir brauchen eine neue Qualität von internationalen Abkommen. Dass Sie genau diese Dimension nicht ansprechen, bringt uns dazu, dass wir Ihren Antrag ablehnen, auch mit dem Hinweis – Kollege Rebmann hat es schon ein paar Mal dazwischengerufen –, dass die Koalition hier schon vor zwei Jahren ihren globalen Ansatz für gute Arbeit weltweit offengelegt hat und wir weiter daran arbeiten. Diesen müssen wir an der einen oder anderen Stelle sicher noch präzisieren und umsetzen, aber wir dürfen das Thema nicht auf Teilaspekte verengen, sondern müssen es umfassend verstehen. Darum geht es in dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen herzlichen Dank, Kollege Barthel. – Wir sind sehr weit hinter dem Zeitplan. Deswegen würde ich bitten, jetzt keine Zwischenfragen mehr zu stellen; denn es gibt im weiteren Verlauf der Gesetzesberatungen noch viel zu reden.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Stefan Rebmann [SPD]: Ich hätte jetzt so gerne noch eine Zwischenfrage gestellt!)

– Oh, Herr Rebmann. – Letzter Redner in der Debatte: Jan Metzler für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6754003
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Menschenrechtsschutz bei Produktion im Ausland
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta