14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 12

Thorsten FreiCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EU NAVOR Atalanta vor Somalia

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Sitzungswoche haben wir die Mandatsverlängerung zu EUTM Somalia beschlossen, und wir haben auch in der Debatte umfangreich über die politischen und die tatsächlichen Verhältnisse in Somalia und am Horn von Afrika gesprochen. Ich glaube, die Quintessenz war eine ganz ähnliche wie auch in der heutigen Sitzung, nämlich dass die Bilanz auch nach Jahren internationalen Engagements in Somalia durchaus durchwachsen ist. Al-Schabab ist immer noch stark. Natürlich führt die Perspektivlosigkeit im Land auch dazu, dass Terror genährt wird und Wiederaufbau begrenzt wird.

Aber es ist auch so: Wenn es das internationale Engagement insbesondere der Afrikanischen Union in Somalia nicht gegeben hätte und nicht geben würde, dann wäre wahrscheinlich auch der Bürgerkrieg nicht beendet, würde der Wiederaufbau nicht beginnen und hätte Somalia keine Regierung.

Ich glaube, vor diesem Hintergrund – darauf sind einige Vorredner bereits eingegangen – darf man Atalanta nicht isoliert betrachten, sondern man muss das in einen größeren Zusammenhang rücken: gemeinsam mit der EU-Trainingsmission Somalia und auch mit EUCAP NESTOR, einer zivilen Mission. Alles miteinander ist notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Wiederaufbau Somalias gelingt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist so, dass die Verhältnisse in Somalia sehr schwierig sind. Aber das Ziel von Atalanta, nämlich Piraterie zu bekämpfen und es zu ermöglichen, dass beispielsweise humanitäre Hilfe nach Somalia kommt, dass die Schiffe des World Food Programme auch tatsächlich die Küsten Somalias erreichen, ist geschafft worden. Die Bilanz ist eindeutig – Herr Staatssekretär, Sie haben es benannt –: In den Jahren 2009 bis 2011 gab es in jedem Jahr über 150 Überfälle auf Schiffe und Geiselnahmen und seit Mai 2012 keinen einzigen mehr.

Aber es ist auch das richtig, Frau Wagner, was Sie gesagt haben: dass die kriminellen Strukturen an Land dadurch nicht beseitigt sind. Deswegen ist es zwar richtig, das Kräftedispositiv zu reduzieren; aber es ist auch richtig, nicht Knall auf Fall aus dieser Mission auszusteigen, weil dann das Problem, das wir bis 2012 gehabt haben, sofort wieder da wäre. Ich glaube, es ist der richtige Weg, den wir hier einschlagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber lassen Sie mich an dieser Stelle eines sagen: Das Ganze ist Teil eines Maßnahmenbündels – das ist das Entscheidende –, und es ist nicht der teuerste Teil dieses Maßnahmenbündels, sondern es sind umfangreiche zivile Maßnahmen, die wir ergreifen, beispielsweise wenn es darum geht, mit Stabilisierungsmaßnahmen eine bundesstaatliche, eine föderale Ordnung in Somalia durchzusetzen, wenn es darum geht, wirtschaftliche Betätigung zu ermöglichen, wenn es darum geht, humanitäre Hilfe zu leisten und darüber hinaus eben auch langfristige strukturelle Entwicklungszusammenarbeit voranzutreiben. Das ist genau das, was das Land braucht, nämlich wirtschaftliche Perspektiven für die Menschen, die dort leben.

Herr Neu, wenn Sie das vermeintliche Missverhältnis von militärischen Einsätzen und humanitärer Hilfe ansprechen, dann muss ich sagen: Ich glaube nicht, dass das zutreffend ist. Schauen Sie sich beispielsweise das in Kenia liegende größte Flüchtlingslager der Welt, Dadaab, an, wo 350 000 Menschen, hauptsächlich Somalier, leben. Die Bundesregierung hat die bilateralen Mittel dafür von 6 auf 11 Millionen Euro nahezu verdoppelt. Die Mittel für das World Food Programme sind Anfang des Jahres deutlich aufgestockt worden, damit man verhindern kann, dass die Essensrationen um 30 Prozent gekürzt werden müssen, weil das Geld für das World Food Programme wieder gefehlt hat. Ich glaube, dass es grundsätzlich der richtige Ansatz ist, der dort verfolgt wird. Das ist eine humanitäre Verpflichtung, die wir haben. Es ist aber letztlich auch ein Gebot der Vernunft, dass wir uns gemeinsam im europäischen Kontext hier engagieren.

Als fünfter Redner ist es vielleicht möglich, den einen oder anderen Exkurs zu wagen. Es ist, glaube ich, ganz entscheidend, dass wir alle Maßnahmen darauf ausrichten, Somalia zu stabilisieren, das Land in eine gute Ordnung zu bringen, wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen, damit die Menschen vor Ort eine Chance haben, damit internationaler Terrorismus bekämpft und ihm der Nährboden entzogen werden kann, aber auch, damit Fluchtursachen unmittelbar vor Ort bekämpft werden können. In diesem Zusammenhang warne ich davor, den Blick derzeit nur auf den Nahen und Mittleren Osten und die dortigen Kriegs- und Bürgerkriegsgebiete zu richten. Wenn man sich nur drei Zahlen vergegenwärtigt, erkennt man, dass Afrika für uns eine sehr viel größere Herausforderung sein wird: Eine afrikanische Frau bekommt im Durchschnitt sieben Kinder, im Jahr 2035 werden in Afrika mehr junge Menschen in den Arbeitsmarkt drängen als in der gesamten restlichen Welt, und im Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung in Afrika auf etwa 2,5 Milliarden Menschen mehr als verdoppelt haben. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen.

Schon heute ist der afrikanische Kontinent nicht in der Lage, die Menschen zu ernähren, geschweige denn, ihnen echte Perspektiven zu bieten. Deshalb geht es darum, mehr dafür zu tun, die Grundlagen für eine gute staatliche Ordnung, für ein Mindestmaß an Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit zu setzen. Ich glaube, der entscheidende Pfad ist, vor allen Dingen auf diejenigen zu setzen, die vor Ort sind, auf die Afrikanische Union. Deshalb müssen wir den Prozess zwischen Europäischer und Afrikanischer Union wie beim letzten Gipfel in Malta fortsetzen. Deshalb müssen wir dafür sorgen und einen Beitrag leisten, dass es ein nachhaltiges, ein inklusives Wachstum gibt, so wie in der Zukunftsstrategie Agenda 2063 der Afrikanischen Union dargelegt. Da werden wir Schritt für Schritt vorwärtskommen müssen. Nur so werden die Probleme letztlich auch an der Wurzel gepackt und bewältigt werden können. Ein Bestandteil davon ist auch Atalanta.

Deshalb werbe ich dafür, dass wir in den Ausschussberatungen die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, in der nächsten Sitzungswoche dieses Mandat zu verlängern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Präsidium ist nicht eingeschritten, weil wir dachten, der Redner kommt zum Schluss. Das machte er mit jedem Satz, aber es ging immer weiter. Aber gut. Ich bitte die anderen Redner, sich etwas zurückzuhalten. – Dirk Vöpel von der SPD-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6754399
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EU NAVOR Atalanta vor Somalia
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