14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 13

Klaus BarthelSPD - Netzneutralität

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das war ja wieder einmal starker Tobak. Man wird sehen, dass man das nicht so rauchen darf, wie Sie das hier verkündet haben.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Musste mal gesagt werden! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben Sie jetzt sieben Minuten! Das ist doch eine gute Sache!)

In zweieinhalb Wochen, am 30. April 2016, tritt die genannte EU-Verordnung zur Netzneutralität in Kraft. Ich will die Kernpunkte dieser Verordnung kurz zitieren, weil das hier etwas schräg dargestellt wurde.

Erstens. Der freie Zugang zu Inhalten im Internet wird grundsätzlich nicht blockiert oder gedrosselt. Ein bevorzugter Zugang gegen Bezahlung wird verboten.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Haben Sie lange vergessen, zu sagen!)

Zweitens. Die Zugangsanbieter behandeln den gesamten Datenverkehr gleich. Sie dürfen nur eingreifen, soweit dies zur Aufrechterhaltung eines effizienten Datenverkehrs erforderlich ist oder im öffentlichen Interesse liegt, zum Beispiel bei der Netzsicherheit.

Drittens. Die Zugangsanbieter dürfen spezielle Dienste höherer Qualität wie zum Beispiel Internetfernsehen oder neue Anwendungen anbieten, solange dadurch die Qualität des offenen Internets nicht beeinträchtigt wird.

Viertens. Sie unterliegen gegenüber ihren Nutzern besonderen Informationspflichten über die Gewährleistung des offenen Internets.

Fünftens. Die Mitgliedstaaten überwachen – das macht in Deutschland die Bundesnetzagentur – die Einhaltung dieser Bestimmungen und berichten der Kommission.

Im Übrigen erlassen die Mitgliedstaaten wirksame Sanktionen. Die Bundesregierung wird eine Erweiterung des TKG mit entsprechenden Sanktionen jetzt vorbereiten und in den Bundestag einbringen.

Das heißt, in Wirklichkeit sind der Antrag der Linksfraktion und das, was Herr von Notz hier vorgetragen hat, in der Sache erledigt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)

Es gibt auch keinen Streit über die Zielsetzung Netzneutralität.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht die Berichterstatterin anders!)

Herr Lämmel hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das im Koalitionsvertrag steht.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht es gut!)

Die EU-Verordnung setzt das in unseren Augen weitestgehend um.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja, „weitestgehend“! Das ist der Punkt!)

Das ist weltweit eine der am weitesten gehenden Regelungen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, nee, nee!)

Was auch richtig und wichtig ist: Es macht überhaupt keinen Sinn, durch nationale Sonderregelungen daran herumzubasteln.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber hallo!)

Das würde nur zu neuer Rechtsunsicherheit und zu einer Zersplitterung der Märkte führen, und wir wissen, dass der Telekommunikationsmarkt kein nationaler Markt ist, sondern ein globaler Markt, auf jeden Fall ein europäischer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir wollen uns gar nicht hierhinstellen und sagen, dass missbräuchliche Geschäfte damit von vornherein ausgeschlossen sind. Es ist jetzt Aufgabe der Regulierungsbehörden, die Angebote – Sie haben ein Angebot der Telekom angesprochen – zu überprüfen. Es ist ihre Aufgabe, das zu überwachen und im Zweifelsfall, wenn man sagt, dass das Missbrauch ist, Maßnahmen dagegen einzuleiten.

Herr Kollege Barthel, darf ich Sie unterbrechen? – Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wawzyniak?

Wenn es zur Erhellung beiträgt, gern.

Bitte schön.

Sie haben gerade gesagt, dass es um eine nationale Sonderregelung geht. Mit diesem Antrag schlagen wir vor, zu sagen, dass die Verordnung der EU gewisse, nicht ganz genaue Formulierungen enthält. Deswegen soll sich nach dem bisherigen Vorschlag ja auch die Bundesnetzagentur mit den anderen Regulierungsbehörden zusammensetzen. Die sollen also im weitesten Sinne eine Auslegung der Verordnung vornehmen.

Wir sagen: Die Netzneutralität ist so wichtig, ein so integraler Bestandteil eines freien Internets, dass nach der Wesentlichkeitstheorie, nach der der Gesetzgeber die wesentlichen Grundsatzentscheidungen zu treffen hat, der Gesetzgeber an dieser Stelle die Rolle der Bundesnetzagentur zu übernehmen hat. Was ist dabei das Problem?

Der Gesetzgeber ist nach unserem derzeitigen Rechtssystem in diesem Fall die Europäische Union – das haben wir dargestellt –, und die hat diese Richtlinie erlassen. Jetzt ist es Aufgabe von Behörden, wie es in anderen Fällen die Aufgabe von Gerichten ist, die entsprechenden Bestimmungen umzusetzen und durchzusetzen. Wie gesagt, bezüglich der Sanktionen wird es eine Erweiterung des TKG geben, und die Bundesnetzagentur wird das überwachen und auslegen.

Folgendes muss hier einmal dargestellt werden: Am 12. Februar fand ein öffentlicher Workshop der BNetzA statt, bei dem alle Beteiligten angehört wurden. Dann wurden weitere Stellungnahmen angefordert. Sie wurden jetzt am 24. März veröffentlicht. Das alles ist transparent und nachvollziehbar.

Daran hätten übrigens auch alle, die sich hier verkämpfen, teilnehmen und sich dort einbringen können. Es ist immer sehr wohlfeil, sich hier in den Bundestag zu stellen und groß von Demokratie, Netzneutralität und ein paar anderen Schlagworten zu reden; aber dann, wenn es darum geht, sich wirklich um das Kleingedruckte und um die Umsetzung – das fordern Sie ja – zu kümmern, ist man im Zweifelsfall nicht da. Da muss man Rede und Antwort stehen und genau über die Auslegung dieser europäischen Richtlinie streiten und diskutieren. Der Bundesnetzagentur wird das Ergebnis für den nächsten Schritt auf den Weg gegeben. Wir haben am vergangenen Montag im Beirat darüber diskutiert und anberaten, dass Anfang Juni der nächste Schritt für den Entwurf ist, den die Bundesnetzagentur an die europäische Regulierergemeinschaft schickt. Dieser wird dann auch wieder öffentlich zur Kommentierung gestellt. Ende August soll dann die BEREC, also die Arbeitsgemeinschaft der europäischen Regulierer, praktisch eine Auslegung erarbeiten und beschließen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/CSU])

Dabei ging es im Wesentlichen um drei Themen, nämlich um genau die Themen, über die hier diskutiert wird. Es ging also um die Fragen: Was ist das Verhältnis von Netzneutralität und Vertragsfreiheit? Wie ist es mit dem Verkehrsmanagement? Wie ist das mit den Spezialdiensten? Man muss sich dann die Mühe machen, das einzeln durchzudiskutieren. Jede und jeder kann mitmachen, auch alle Bürgerinnen und Bürger und Verbände, die sich einmischen wollen. Am 4. Juli wird sich der Beirat bei der Bundesnetzagentur noch einmal damit befassen. Wie gesagt, es wird dann diese Leitlinien geben.

Das ist aber nicht das Ende der Geschichte, sondern es geht dann weiter. Die Regulierer, die nationalen Regulierer und dann wieder die BEREC, werden der Kommission jährlich berichten, wie es um die Netzneutralität steht, ob die Vorgaben eingehalten werden oder nicht und was man im Zweifelsfall korrigieren muss. Das heißt, es geschieht nicht das, was Sie hier jetzt befürchten. Es wird kontrolliert und jährlich berichtet, und es gibt einen Review.

Das heißt also, Ihr Antrag ist in großen Teilen sowieso erfüllt, in Teilen überholt und in Teilen, nämlich da, wo es um eine Gesetzgebung geht oder zum Beispiel um so etwas Seltsames wie eine 5‑Prozent-Höchstquote für Spezialdienste, abzulehnen; denn das bringt uns überhaupt nicht weiter.

Eines muss man schon noch sagen. Herr von Notz, wenn Sie sagen, die Schlüsselfrage sei jetzt die Netzneutralität, muss ich sagen: Ich glaube, das ist es gerade nicht. Vielmehr geht es um die Verwaltung eines Mangels, nämlich um die Verwaltung von zu wenig Netzkapazität. Netzneutralität und die Gleichbehandlung von Diensten stellen sich bei einem Anschluss mit 124 kB/s und einem Anschluss mit Glasfaser und 50 MBit/s oder 100 MBit/s – das streben wir an – ganz anders dar. Deswegen sind die Kapazitäten die Schlüsselfrage. Es geht darum, das, was die Verbraucherinnen und Verbraucher in Anspruch nehmen können, zu erhöhen. Bei einer tausendfachen Kapazität, von der wir bei Glasfaser reden, stellt sich die Frage der Neutralität doch ganz anders als jetzt, wo wir hier nur den Mangel verwalten.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)

Ich glaube, deswegen sollten wir das noch einmal geraderücken und hier nicht immer in großen Wolken reden. Wir sollten schauen, wie wir diese Verordnung jetzt sinnvoll umsetzen und wie wir zu einem möglichst schnellen Ausbau der Infrastruktur kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für heute hat jetzt abschließend zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Thomas Jarzombek, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6754518
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Netzneutralität
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