14.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 164 / Tagesordnungspunkt 16

Lothar BindingSPD - Reform der Investmentbesteuerung

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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zunächst eine Bemerkung zu den Ausführungen von Richard Pitterle.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Die waren gut!)

– Teile waren gut, es gab auch Teile, die weniger gut waren, und es gab Teile, die waren ganz schlecht. Das ist klar. – Was ich sagen wollte, ist, dass mit solchen Reformen eben auch das Ziel einer sicheren und stabilen Altersvorsorge erreicht werden soll. Es ist völlig klar, dass bei der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge Risiken auftauchen, um die wir uns kümmern müssen. Auch das tun wir mit der heutigen Reform. Außerdem war es nie so gedacht, dass die Riester-Rente ein Ersatz für die gesetzliche Altersvorsorge ist. Die Idee war, eine kleine Lücke von wenigen Prozenten auszugleichen. Insofern ist, glaube ich, die Wirkmächtigkeit deiner Aussage relativ niedrig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Na ja!)

Die Behauptung, dass es eine Steuererhöhung für die kleinen Leute gibt, ersetzt auch nicht den Beweis dieser Aussage. Das müsste noch gezeigt werden. Wer hier nachrechnet, kommt auf eine Größenordnung von etwa 3 Euro. Wir schauen uns das später genauer an.

Der Anlass dieser Reform – das hat Herr Dr. Meister vorgetragen; das hatten wir damals schon einmal bei der Körperschaftsbesteuerung im Vollanrechnungsverfahren in unserem Trennungssystem mit der Vorbelastung in der Körperschaft und der Steuerzahlung desjenigen, der die Dividende bekommt – ist die Unterscheidung zwischen inländischen Fonds und ausländischen Fonds, bei denen es eine Dividende gibt. Im inländischen Fall ist sie von der Steuer befreit, im ausländischen Fall wird sie besteuert. Das ist der klassische Fall des Verdachts, dass es europarechtswidrig ist. Deshalb ist die Reform notwendig.

Es gibt noch mehr Notwendigkeiten. Denn unser jetziges System – ich glaube, Sie haben das ausgeführt – ist hochgradig gestaltungsanfällig; das muss man sagen. Wir haben dafür ja auch ein paar Belege. Es dient bei vielen der Steuerverkürzung. Wir haben im Moment sogar einen Cum/Ex-Untersuchungsausschuss; auch das spielt hier natürlich eine Rolle. Es gibt auch Cum/Cum-Geschäfte. Sie haben die Kopplungsgeschäfte erwähnt. Deshalb sagen wir: Diese Reform ist gut, um diesen Gestaltungen zu begegnen. Es ist ja ein allgemeiner Grundsatz, dass wir Steuergestaltungen grundsätzlich bekämpfen wollen.

Nun reden wir ja viel über Briefkastenfirmen, Off­shore­firmen. Wir haben gerade etwas über Panama gehört. Es ist gut, dass wir gleichzeitig die Gestaltungsmöglichkeiten, die im eigenen Land existieren, nicht vergessen. Insofern gefällt uns die Reform im Grundansatz sehr gut.

Nun klingt sie sehr harmlos. Aber wir haben gerade gehört, dass es um eine Größenordnung von etwa 2 Billionen Euro geht, um Vermögen in Höhe von 2 000 Milliarden Euro. Die Bundesbank sagt 1,7 Billionen, die Branche spricht von 2,5 Billionen. Wir merken jedenfalls: Egal was für Erträge es dort gibt, sie müssen exorbitant hoch sein; schließlich reden wir über mehrere 1 000 Milliarden. Deshalb ist es klug, sich um dieses Vermögen zu kümmern, indem wir die Anlageformen EU-rechtsstabil machen, den administrativen Aufwand verringern und natürlich die Gestaltungsanfälligkeit bekämpfen. Das waren die drei Hauptpunkte, die auch Sie vorgetragen haben. Wir glauben, dass das gut funktioniert.

Der bürokratische Aufwand kommt übrigens durch ein eigentlich gutes Ziel zustande. Wir hatten gesagt: Die Direktanlage und die Anlage über einen Fonds wollen wir gleich behandeln. Also, ob jemand eine Aktie kauft oder ob er das sozusagen über einen Fonds macht, darf eigentlich keinen Unterschied machen. Das Dumme ist: Aus diesem guten Ziel ergeben sich große Probleme. Denn durch das Prinzip der steuerlichen Transparenz – das heißt, der Fonds wird nicht besteuert, sondern der Fiskus guckt durch den Fonds und, so war die Idee, der Anteilseigner soll letztendlich besteuert werden – war es nötig, dass mehr als 30 Besteuerungsgrundlagen ermittelt und administriert werden müssen. Das ist sowohl für die Fondsverwalter als auch für die Bürger eigentlich nicht seriös zu administrieren. Deshalb ist es gut, wenn wir etwas dagegen tun.

Jetzt will ich noch einen Satz zu Cum/Cum-Geschäften sagen. Ich glaube, keiner, der im Publikum sitzt, weiß, was das ist. Stellen wir uns einen Steuerausländer, etwa einen Franzosen, vor, der eine Aktie an eine deutsche Bank verkauft, und zwar kurz vor dem Dividendenstichtag. Dann erhält die Bank, weil sie die Aktie ja mit Dividende gekauft hat, die Dividende und zahlt, wie es sich gehört, auch zunächst Kapitalertragsteuer.

Allerdings kauft der Steuerausländer wenige Tage nach dem Stichtag der Dividendenauszahlung die Aktie von der Bank zurück, und zwar zu einem niedrigeren Kurs – das ist ja klar, weil kein Anspruch auf Dividende mehr existiert –, mit dem sogenannten Dividendenabschlag. Der Steuerausländer erzielt also statt Dividende einen Veräußerungsgewinn. Dieser Veräußerungsgewinn ist in Deutschland – Sie sagten: Streubesitz – steuerfrei. Hier haben wir einen Dissens, weil wir der Meinung sind, die steuerliche Behandlung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen sollte unbedingt gleichgestellt werden. Es geht übrigens immer noch um eine Flasche Sekt, die derjenige bekommt, der eine europarechtskonforme Lösung für dieses Problem findet. Es ist jeder aufgerufen, sich diese Flasche Sekt zu verdienen.

Die inländische Bank erhält also die Nettodividende plus einer Steuergutschrift für die Kapitalertragsteuer. Da sie durch den Verkauf der Aktie allerdings einen Verlust erleidet – weil ohne Dividende –, heben sich Dividenden­ertrag und Veräußerungsverlust auf. Im Ergebnis hat der Fiskus nichts. Das heißt, den Gewinn aus der gesparten Steuer teilen sich der Steuerausländer und die Bank. Genau diesem Umstand, dass sich eine Bank und ein Steuerausländer die in Deutschland gesparte Steuer aufteilen, wollen wir mit diesem Gesetz begegnen. Insofern ist die im Gesetz vorgesehene Regelung, wie ich finde, eine sehr gute Idee, allerdings mit dem Malus, dass wir nach wie vor eine unterschiedliche Besteuerung von Dividende und Veräußerungsgewinn haben. Diesen Zustand muss man sicherlich noch überwinden.

Die Lösung ist letztendlich: Wir gehen in ein intransparentes System. Das bedeutet: Auf Fondsebene werden die Erträge besteuert, in diesem Fall mit 15 Prozent Vorbelastung auf alle dortigen Erträge. Dann ist es möglich, dass inländische und ausländische Fonds gleichbehandelt werden. Damit ist das Europarechtsproblem gelöst.

Dass wir für gemeinnützige Anleger und Altersvorsorgeverträge Ausnahmen vorsehen, ist sicherlich eine sehr gute Sache. Dass diese Vorbelastung auf Fondsebene letztendlich durch eine Teilfreistellung bei der Ausschüttung kompensiert wird, ist nicht mehr als fair. Denn mit diesem Gesetz wollen wir nicht die Steuer anheben, sondern die anderen genannten Ziele erreichen.

Wenn wir dieses Gesetz beurteilen, dann können wir feststellen, dass wir das Ziel der Vereinfachung erreichen, der Gestaltungsanfälligkeit begegnen und es europarechtskonform machen. Dass wir über die Höhe der Teilfreistellung noch diskutieren müssen, ergibt sich vielleicht auch daraus, dass wir beobachtet haben, dass die Prozentsätze im Vergleich zum Diskussionsvorschlag durchweg angehoben werden. Hier gibt es sicherlich noch einiges zu rechnen, aber wir finden einen guten Kompromiss.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Da der Kollege Dr. Gerhard Schick seine Rede zu Protokoll gegeben hat, erhält jetzt als letzter Redner in der heutigen Debatte der Kollege Fritz Güntzler für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Petry [SPD]: Güntzler ist heute der Letzte!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6754655
Wahlperiode 18
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt Reform der Investmentbesteuerung
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