15.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 165 / Tagesordnungspunkt 19

Jürgen HardtCDU/CSU - Weiterentwicklung der transatlantischen Beziehungen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute viele gute Reden zum Thema „transatlantische Partnerschaft“ gehört.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das war sie gerade! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die letzte gehörte nicht dazu!)

Dafür möchte ich danken, das gilt fraktionsübergreifend. Wir haben aber das eine oder andere gehört, auf das ich kurz eingehen möchte. Das eine oder andere fehlt vielleicht noch.

Herr Liebich, wenn Sie für Herrn Sanders hier im Deutschen Bundestag die Lanze brechen, dann müssen Sie überlegen, ob das in Amerika wirklich als Unterstützung dieses Kandidaten aufgefasst wird.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Auf jeden Fall!)

Ich fürchte, das ist ein – wie nennt man das? – Danaergeschenk, was Sie da bringen.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Keine Sorge!)

Herr Trittin, vor zwei Jahren haben Sie einen Europawahlkampf geführt mit der Legende vom Chlorhühnchen. Leider setzen Sie diese Legendenbildung weiter fort. Zum Thema Handelsabkommen möchte ich nur zwei Dinge konkret anmerken: Erstens. Die Vorstellung, wir Europäer würden den Amerikanern einen Gefallen tun, wenn wir ein solches Abkommen abschließen, ist Unsinn. Umgekehrt: Wir sind die Nation, Deutschland in Europa, bei der mit Abstand die meisten Arbeitsplätze vom Außenhandel abhängen. Deswegen ist es in erster Linie in unserem, im deutschen und im europäischen, Interesse, dass wir zu einem guten und hohe Standards sichernden Handelsabkommen mit den USA und mit Kanada kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Zweitens zum Thema Inhalte. Wir haben jetzt ein gut ausgehandeltes, faires Abkommen der Europäischen Union mit Kanada, CETA, auf dem Tisch liegen.

(Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])

Das ist der Beleg dafür, dass die Europäische Kommission, dass die neue Handelskommissarin, Frau Malmström, der Generaldirektor Demarty und der Chefunterhändler Bercero eine gute Arbeit machen und dass wir darauf setzen dürfen, dass das, was wir, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Kommission als Leitplanken, als Verhandlungsmaßstab für dieses Abkommen mitgegeben haben, auch umgesetzt und durchgesetzt wird. Da alle europäischen Parlamente, auch der Deutsche Bundestag, eines Tages einem Eins-zu-eins-Text des Abkommens in der jeweiligen Sprache zustimmen müssen, bevor es in Kraft tritt, bitte ich Sie wirklich: Lassen Sie uns doch die Verhandler ihre Arbeit machen, und belasten wir das Thema nicht mit neuen Legenden. Es schadet im Übrigen auch uns, wenn wir die Perspektiven auf das Handelsabkommen so einseitig verschieben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn wir auf den Zustand der transatlantischen Partnerschaft blicken, können wir feststellen, dass – der Ukra­ine-Konflikt ist ein Beispiel dafür – die amerikanische Führung seit einigen Jahren stärker auf Europa setzt, stärker auf den partnerschaftlichen Ansatz gemeinsam mit uns, auch stärker auf die Meinung und die Position der Europäer, sie umgekehrt aber auch mehr Verantwortungsbereitschaft und eine stärkere Übernahme von Verantwortung von uns erwartet. Ich plädiere dafür, dass wir uns dieser Aufgabe stellen, dass wir darüber im Einzelfall diskutieren, wir diese Aufgabe aber ernsthaft wahrnehmen und alle Anstrengungen unternehmen, ein guter Partner in dieser Zusammenarbeit zu sein, der entsprechend seiner Leistungsfähigkeit das Nötige tut.

Die Amerikaner haben nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Marshallplan ein großartiges Beispiel gesetzt, indem sie den Wiederaufbau Europas und nicht zuletzt Deutschlands ermöglicht haben. Wenn Sie Luftbilder von Aleppo sehen, fühlen Sie sich frappierend erinnert an Luftbilder von Dresden vom Februar 1945. Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, den Wiederaufbau Syriens, aber auch den Wiederaufbau Libyens und anderer Regionen, die in dieser Art und Weise zerstört sind, die keine Heimat für Menschen mehr sein können, zu gewährleisten. Wir können nicht darauf vertrauen, dass wiederum die Amerikaner in ihr Geldsäckel greifen und das alles finanzieren. Vielmehr werden sie auf uns setzen, auf Europa setzen. Sie werden darauf setzen, dass wir unseren Beitrag zum Wiederaufbau leisten. Ich bin dafür, dass wir uns dafür einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben in der transatlantischen Partnerschaft gegenwärtig einen Kontakt auf Regierungs- und Parlaments­ebene, wie er enger möglicherweise allenfalls in den Jahren 1989/1990 im Zusammenhang mit der deutschen Einheit gewesen ist. Zum fünften Mal kommt der amerikanische Präsident nach Deutschland. Als der neue Speak­er, der neue Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus der Vereinigten Staaten von Amerika, vergangene Woche seine Reise auf dieser Seite des Atlantiks beendete, hat er als einziges Land Deutschland besucht. Er hat den Bundestagspräsidenten getroffen und mit ihm über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen gesprochen. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass gerade auch Deutschland in dieser transatlantischen Partnerschaft eine starke Rolle zukommt. In den letzten zwölf Monaten waren mehr Abgeordnete aus Amerika, Mitglieder des Kongresses, hier in Deutschland als jemals zuvor. Ich glaube, dass auch mehr deutsche Abgeordnete nach Amerika gereist sind als jemals zuvor. Das sind ganz wichtige und gute Entwicklungen und Anknüpfungspunkte.

Wir haben die Mittel für den German Marshall Fund, der unsere Antwort auf die großzügige Marshallhilfe der Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg war – er wurde von Willy Brandt ins Leben gerufen –, aufgestockt. Der Staatsminister im Außenministerium hat, glaube ich, gerade gestern die Finanzzusage gemacht, mit der die Arbeit dieser wichtigen Institution auf höherem Niveau fortgeführt werden kann.

Aber es muss eben auch jede Generation ihr Narrativ, ihre Geschichte der transatlantischen Freundschaft, der transatlantischen Partnerschaft neu erfinden. Deswegen bin ich dafür, dass wir die Agenda der Themen der trans­atlantischen Partnerschaft, über die außen- und sicherheitspolitischen Fragen und die wirtschaftspolitischen Fragen – TTIP – hinaus, erweitern um die Themen, die gerade die junge Generation ansprechen. Amerika schaut auf Deutschland und Europa, wenn es zum Beispiel um die Energiewende geht. Es gibt ganz viele Kontakte, auch auf Ebene der Bundesländer, zu den US-Bundesstaaten. Es gibt zum Beispiel einen ständigen Energiedialog Deutschlands mit Minnesota, bei dem es um die Frage geht: Wie geht Deutschland diesen Weg? Das Wort „Energiewende“ ist ähnlich wie der Begriff „Kindergarten“ in die amerikanische Sprache eingegangen, zumindest bei denen, die sich mit diesen Themen befassen.

Wir als Deutsche sind für die Amerikaner auch ein gutes Beispiel für die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit durch gute Ausbildung. Wenn ich als Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit nach Amerika reise und dort unterwegs bin, bekomme ich immer einen Termin beim Gouverneur oder bei dem für Bildung im jeweiligen Staat Zuständigen, weil die Amerikaner sich enorm für das interessieren, was wir bei der Bildung von Jugendlichen und der Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit beim Übergang von der Schule ins Berufsleben auf die Beine stellen. Da schaut sich Amerika einige Dinge von uns ab. Dieses Pfund sollten wir herausstellen.

Wir sollten dafür sorgen, dass in unseren Austauschprogrammen die gesellschaftliche Wirklichkeit in unseren Ländern immer gut abgebildet wird. Ich glaube, dass bei den Schülern und Studenten, die aus Amerika zu uns kommen, die African Americans oder die Amerikaner asiatischer oder lateinamerikanischer Herkunft noch unterrepräsentiert sind. Bei uns sind in den Austauschprogrammen möglicherweise diejenigen Jugendlichen unterrepräsentiert, die aus Migrantenfamilien kommen. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages bei der Auswahl von Kandidaten für diese Programme nur bitten und auffordern, auch einen Blick darauf zu wenden, dass die deutsche Gesellschaft und die amerikanische Gesellschaft sich ein Stück verändern. Ich glaube allerdings, dass wir da auf einem guten Weg sind.

(Dagmar Freitag [SPD]: Sehr gut!)

Wenn wir uns manchmal über Amerika ärgern, dann hat das vielleicht auch damit zu tun, dass wir glauben, dass wir Amerika so gut kennen. Ich nenne das Vertrautheitsillusion. Jeder von uns erlebt in seinem Alltag ständig amerikanische Alltagskultur; unsere Fernsehsendungen und Fernsehserien, Produktwelten usw. sind stark amerikanisch geprägt. Wenn die Amerikaner dann doch an dem einen oder anderen Punkt anders ticken als wir, dann sind wir entsetzt und schockiert. Das wären wir nicht, wenn es um einen anderen ausländischen Partner ginge. Umgekehrt ist es ähnlich. 30 Prozent der Amerikaner sind deutscher Abstammung, übrigens auch Paul Ryan; die Familie kommt nicht nur aus Irland, sondern auch aus Regensburg, wie er uns erzählt hat. Die Amerikaner sagen: Wir sind doch ursprünglich selbst Europäer. Warum versteht ihr uns nicht besser?

Wir müssen klar feststellen: Es gibt Unterschiede zwischen dem amerikanischen Denken und dem deutschen und dem europäischen Denken. Aber diese Unterschiedlichkeit ist eine Chance, gemeinsam den besseren Weg zu finden. Wir sollten bereit sein, in dieser Partnerschaft mehr Verantwortung zu übernehmen, was die Außen- und Sicherheitspolitik und die Wirtschaftspolitik angeht. Die Welt braucht mehr transatlantische Partnerschaft. In diesem Sinne ist dieser Antrag ein starkes Bekenntnis zu diesem Weg auch in der Zukunft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Trittin das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6755899
Wahlperiode 18
Sitzung 165
Tagesordnungspunkt Weiterentwicklung der transatlantischen Beziehungen
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