15.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 165 / Tagesordnungspunkt 20

Markus PaschkeSPD - Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kipping, Sie haben vorhin ein Paradebeispiel erwähnt. Ich finde, Ihre Rede war ein Paradebeispiel für Schlechtreden und auch für Ignoranz.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir wollen mit den Rechtsvereinfachungen im SGB II nicht nur für die Ämter, sondern auch für die betroffenen Menschen Erleichterungen schaffen. Wir sagen: Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. Deshalb werden wir die Jobcenter und die Betroffenen von Bürokratie entlasten. Somit bleibt mehr Zeit und mehr Energie für die Betreuung und die Förderung.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?)

Ich will dies an einigen Beispielen deutlich machen.

Eine wirkliche Erleichterung ist die Verlängerung des Bewilligungszeitraums.

(Beifall bei der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist doch schon Praxis!)

Zukünftig müssen Anträge auf Leistung nur einmal im Jahr gestellt werden. Mit dieser Änderung entfallen somit pro Jahr rund 2,5 Millionen Weiterbewilligungsanträge.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung?

Ich würde gern erst einmal fortfahren.

Auch nicht von Frau Pothmer?

Auch nicht von Frau Pothmer.

Gut, alles klar.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Markus, das hätte ich von dir nicht erwartet!)

Haben Sie sich einmal durch diese Anträge hindurchgekämpft? Ich mache das im Rahmen meiner Bürgersprechstunden regelmäßig. Das Rauschen im Blätterwald ist beeindruckend, das Arbeiten darin mühselig. Denn es geht nicht nur um die Anträge, sondern auch um die damit verbundenen Unterlagen, die aber nun nur noch einmal im Jahr eingereicht werden müssen.

Ein weiteres Beispiel ist die Gesamtangemessenheitsgrenze für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zukünftig zählt die Summe für die Bewertung der Angemessenheit einer Wohnung. Es spielt – solange sich die Summe im Rahmen der Gesamtangemessenheitsgrenze bewegt – keine Rolle mehr, ob eine höhere Miete für eine Neubauwohnung mit höheren Standards, dafür aber mit niedrigeren Heizkosten, gezahlt wird oder ob die Miete niedriger ist, die Heizkosten aber höher sind. Ich finde es gut, dass zukünftig SGB-II-Bezieher nicht mehr von modernen Wohnungen ausgeschlossen sind, anders als bisher, als nur die Miete, die lediglich einen Teil der Gesamtkosten ausmacht, mit einer Angemessenheitsgrenze belegt wurde.

Ansprüche nach dem SGB II können zukünftig auch nicht mehr gepfändet oder übertragen werden. Das ist eine Forderung, die die Betroffenen und ihre Interessenvertreter schon lange gestellt haben.

Nach bisheriger Rechtslage muss jede erwerbsfähige leistungsberechtigte Person bei Krankheit einen gelben Schein vom Arzt vorlegen. Das gilt auch für Personen, die aktuell für eine Arbeitsaufnahme gar nicht infrage kommen, weil sie zum Beispiel eine Schule besuchen und einen Schulabschluss machen. Das entfällt nun für viele. Ich finde, das ist ein großer Fortschritt für die Betroffenen und auch im Hinblick auf die Bürokratieentlastung.

Mit dem Gesetzentwurf stärken wir auch die Eingliederungsvereinbarung. Dazu gehört eine stärkere Nutzung der Potenzialanalyse; denn nur wenn klar ist, wo Stärken und Schwächen liegen, können Hilfe und Unterstützung effektiv geleistet werden. Damit soll der Gedanke des Förderns mehr Bedeutung bekommen.

Wichtig ist mir insbesondere, dass diejenigen, deren Arbeitslosengeld zu gering ist, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, also diejenigen, die aufstocken müssen, zukünftig bei Weiterbildungen und bei der Jobsuche von der Bundesagentur für Arbeit unterstützt, gefördert und betreut werden.

(Beifall bei der SPD)

Das hat auch mit Anerkennung und Würde zu tun; denn sie haben sich Ansprüche nach dem SGB III erarbeitet. Sie haben in der Regel wahrscheinlich nur zu wenig verdient, um Ansprüche zu haben, die ausreichend sind, um ihr Leben zu gestalten. – Ich finde, all das sind Schritte in die richtige Richtung.

Last, but not least sind die Verbesserungen bei der Ausbildungsförderung ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU])

Bisher war es so, dass jeder, der eine Ausbildung aufnahm, mit dem Tag, als er sie begann, weniger Geld zur Verfügung hatte, als wenn er im System des SGB II geblieben wäre. Das haben wir jetzt für viele geändert. Sie bekommen nicht mehr weniger Geld, sondern sie haben mindestens die gleichen Ansprüche wie vorher, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU])

Es ist kein Geheimnis, dass wir von der SPD-Fraktion gern noch mehr für die Menschen in unserem Land erreicht hätten. So hege ich zum Beispiel immer noch die Hoffnung, dass wir es schaffen, im parlamentarischen Verfahren den Gesetzentwurf um eine Bagatellgrenze für Rückforderungen zu ergänzen. Denn auch das wäre eine spürbare Entlastung für alle Beteiligten. Es kann doch nicht sein, dass durch eine Rückforderung von 5 Euro in den Ämtern Arbeitskosten von 50 Euro entstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das steht wirklich in keinem Verhältnis.

Das gilt allerdings auch für die Blockadehaltung der CSU beim Thema der Sanktionen. Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft sind nicht nur sinnlos, sondern einfach nur gefährlich; sie gefährden Mietverhältnisse. Auch die besonders scharfen Regelungen für unter 25-Jährige haben alle Experten als nicht zielführend bezeichnet. Sie bringen nichts.

(Beifall der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, und was macht die CSU?)

Wir haben das hinlänglich diskutiert. Die CSU verhindert leider bis heute eine faire Lösung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Buh! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schmeißt die doch mal raus aus der Koalition!)

Wer ständig Sand ins Getriebe streut, kann nicht der Motor der Nation sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da Horst Seehofer zu Recht die Entwicklungen bei der Rente kritisiert hat – er bezeichnet sie als neoliberal –, gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich diese Erkenntnis auch in Bezug auf die Sanktionen durchsetzt.

Mein Fazit für heute: Es ist ein guter Entwurf, der in die richtige Richtung geht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Oh nein, nein, nein! – Gegenruf von der SPD: Doch!)

Ich denke, wir werden im parlamentarischen Verfahren sicher noch über das eine oder andere reden können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Markus Paschke. – Das Wort hat nun der sehr verehrte Dr. Matthias Zimmer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

– Wenn Sie wüssten, wie er sich neben anderen Kolleginnen und Kollegen für Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Mitarbeiterkommission des Bundestages einsetzt, dann würden Sie das „sehr verehrter Dr. Zimmer“ verstehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ich verstehe das! Nichts anderes haben wir erwartet!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6756012
Wahlperiode 18
Sitzung 165
Tagesordnungspunkt Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung
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