15.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 165 / Tagesordnungspunkt 22

Jeannine PflugradtSPD - Dopingopfer-Hilfegesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln heute den Gesetzentwurf über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR, den Entwurf des Zweiten Dopingopfer-Hilfegesetzes. Wir haben es heute schon mehrfach gehört: Es ist wichtig, dass wir darüber reden.

Nach diesem Gesetz werden wir den Opfern des staatlich verordneten Dopings in der DDR finanzielle Hilfe gewähren. Voraussetzung hierfür ist, dass ihnen ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen Dopingsubstanzen verabreicht wurden und es wahrscheinlich ist, dass sie deshalb erhebliche gesundheitliche Schäden erlitten haben oder nach wie vor erleiden. Des Weiteren dürfen sie aus dem ersten Fonds keine finanziellen Hilfen erhalten haben.

Es ist ganz einfach eine Frage der Solidarität, weitere Opfer genauso zu entschädigen, wie es der erste Fonds getan hat. Darum hätte auch ich es gut gefunden, wenn sich Jenapharm und der Deutsche Olympische Sportbund daran beteiligt hätten – einfach aus Gründen der Gerechtigkeit und Gleichbehandlung.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eberhard Gienger [CDU/CSU])

Die SPD-Bundestagsfraktion bekennt sich heute jedenfalls erneut zu dieser moralischen Verpflichtung, und das möchte ich ganz intensiv betonen. Es muss einmal mehr ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass man angesichts der gesundheitlichen Schäden durch das staatlich verordnete Doping in der DDR nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann.

Nach wie vor sind jedoch medizinische Fragen, die auch schon beim ersten Fonds im Vordergrund standen, noch nicht hinreichend geklärt. Dopinganalytiker und Endokrinologen bestätigen übereinstimmend, dass in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob die Ursache der gesundheitlichen Schäden tatsächlich in der Gabe von Dopingsubstanzen liegt.

Ein wahrscheinlicher Zusammenhang ist kein ursächlicher Zusammenhang. Wenn wir nicht wollen, dass die Gelder, die wir für Dopingopfer bereitstellen, überwiegend für weitere medizinische Gutachten ausgegeben werden, dann müssen wir im Interesse einer guten, einwandfreien Regelung zu nachvollziehbaren Kriterien dafür kommen, wer Entschädigungsleistungen erhält und wer nicht. Nicht nachvollziehbar ist es, einen wahrscheinlichen Zusammenhang als einen ursächlichen Zusammenhang darzustellen.

Natürlich bin ich dafür, das Unrecht an den Sportlerinnen und Sportlern aufzuklären, anzuerkennen und gerecht zu entschädigen. Ich bin aber für eine Differenzierung und genauere Betrachtung. Wir bewegen uns hier in einer sehr komplizierten rechtlichen Materie.

Wir erwarten von den Opfern keinen Nachweis bis ins letzte Detail, sondern begnügen uns mit einer Wahrscheinlichkeit. Lassen wir die Entschädigungszahlungen auf Wahrscheinlichkeiten basieren, dann kann man an dieser Stelle eben nicht sehr viel mehr tun.

Deshalb freue ich mich, dass in Mecklenburg-Vorpommern, an der Uniklinik Greifswald und an den Helios-Kliniken in Schwerin, zwei Studien zu diesem Thema geplant sind. Die eine ist eine Langzeitstudie, die andere ist eine etwa zweijährige Studie, die voraussichtlich ab dem Sommer die Daten analysieren und auswerten wird, die der Doping-Opfer-Hilfe-Verein sammelt. Vielleicht hätten wir vor der Auflegung des zweiten Fonds auf die Ergebnisse der Studie warten sollen; dann hätten wir eine genauere Datenbasis gehabt, um besser zwischen Wahrscheinlichem und Tatsächlichem zu unterscheiden.

Darüber hinaus stellt sich für mich die Frage der Nachweispflicht im Antragsverfahren. Es gab Sportlerinnen und Sportler, die Kenntnis vom Einsatz von Dopingmitteln hatten und ihn billigend in Kauf genommen haben. Sicher, die Versuchung war groß. Der Staat begünstigte den Erfolg. Aus meiner Sicht gab es Täter, Mitwisser, Halbwissende und Menschen, die weggeschaut haben. Es gab tatsächlich aber auch Nichtwissende, Ahnungslose und Opfer. Diese Unterschiedlichkeit sollten wir beachten, wenn wir die Problematik angehen.

Wir können auch heute nicht mit Sicherheit sagen, wer was wann mit oder ohne Wissen, gegen den Willen oder mit stillschweigendem Einverständnis eingenommen hat. Wir werden nicht mit absoluter Sicherheit den Nachweis des wissentlichen oder willigen Dopings führen können. Es wäre aber grundsätzlich falsch, daraus zu folgern, dass daher keine Entschädigung gezahlt werden sollte. Hier sind mit Sicherheit Menschen vorsätzlich manipuliert worden.

Das ist eine Mahnung, dass sportliche Höchstleistungen nicht um jeden Preis erstrebenswert sind, weder für den persönlichen Ruhm oder zum Gewinnstreben noch zur staatlichen Repräsentation. Es ist eine Aufforderung, in dem Kampf nicht nachzulassen, die Prävention zu verstärken, die Kontrollen zu verbessern und Vergehen stärker und einheitlich zu sanktionieren. Das wünsche ich mir nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Auch in diesem Zusammenhang bin ich froh, dass wir das Anti-Doping-Gesetz bereits verabschiedet haben. Es hilft zwar nicht gegen vorsätzliches Staatsdoping, aber es bestraft diejenigen, die sportlichen Erfolg über Dopingsubstanzen zu erzielen versuchen. Mit diesem Gesetz geben wir keine endgültige Antwort auf die bestehenden Probleme des anhaltenden Dopings. Es vergeht kaum eine Woche, in der wir nicht von neuen Dopingfällen erfahren. Zumindest entschädigt es aber diejenigen, die durch den Staat bewusst einer möglichen Gefahr ausgesetzt waren und die benutzt und manipuliert wurden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6756254
Wahlperiode 18
Sitzung 165
Tagesordnungspunkt Dopingopfer-Hilfegesetz
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