Margaret HorbCDU/CSU - Evaluierung der Staatsleistungen an Kirchen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Jugendliche auf der Tribüne! Teil 2: Die Linke möchte eine Kommission einsetzen, um die Staatsleistungen an die Kirche zu evaluieren, also um den Geldwert festzustellen und zu überprüfen. Zum gleichen Thema haben Sie schon vor zwei Jahren eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Dort verraten Sie uns auch, wer Sie auf diese tolle und grandiose Idee gebracht hat.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Der Papst!)
Es war – man höre und staune – nicht der Papst, sondern Wolfgang Kubicki mit einem Fachbeitrag auf focus.de. Die arme FDP! Zuerst fliegt sie aus dem Bundestag, und dann klaut ihr die Linke auch noch die Anträge. Das haben unsere Liberalen nicht verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn sich die Linke aber in Zukunft finanzpolitisch an der FDP orientieren sollte, dann freuen wir uns ganz besonders auf die Debatten im Finanzausschuss und hier im Hohen Hause.
Doch nun zur Sache. Was sind Staatsleistungen? In verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte wurde den Kirchen vonseiten des Staates Vermögen entzogen, beispielsweise Ländereien.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: 1803!)
Aus den Erträgen dieser Vermögenswerte hatte sich die Kirche bis dato finanziert. Mit den Enteignungen wurde den Kirchen somit ein Teil ihrer finanziellen Existenzgrundlage entzogen. Dafür entschädigen die Staatsleistungen. Staatsleistungen sind also keine Geschenke und auch keine Subventionen, sondern es sind historisch begründete Ersatzleistungen. Diese zahlt – hören Sie genau zu! – nicht der Bund, sondern diese zahlen die Länder.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Habe ich gerade vorgetragen! Hätten Sie mal zugehört!)
Wahr ist, dass sowohl die Weimarer Reichsverfassung – darauf haben Sie zu Recht hingewiesen – als auch das Grundgesetz eine Ablösung der Staatsleistungen vorsehen. Wahr ist übrigens auch, dass die oft kritisierten Kirchen einer Ablösung der Staatsleistungen nicht im Wege stehen.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das habe ich ja gesagt!)
Viele Bistümer und Landeskirchen haben hier – wie schon ausgeführt – Gesprächsbereitschaft signalisiert. Aber natürlich muss eine solche Ablösung fair ablaufen.
Gelegentlich hört man die Behauptung, dass die Staatsleistungen bereits abgegolten seien, weil sie schon seit längerer Zeit gezahlt werden. Das ist geradezu absurd. Die Staatsleistungen basieren auf Verträgen zwischen den Kirchen und dem Staat. Das sind keine Ratentilgungsverträge. Wir bezahlen auch kein Haus und keine Kirche ab. Es handelt sich vielmehr um Entschädigungsleistungen, die auf Dauer angelegt sind. In einem Rechtsstaat ist ein geltender Vertrag ein geltender Vertrag. Dieser wird auch nicht dadurch hinfällig, dass er sehr alt ist. Nein, die Staatsleistungen müssten in Verhandlungen zwischen den Ländern und den Kirchen ordnungsgemäß abgelöst werden. Ablösung bedeutet Aufhebung der Zahlungen gegen Entschädigung.
Wie hoch müssten nun die Entschädigungen ausfallen? Vom 18,6‑Fachen der aktuellen Zahlungen über das 20‑ und 25‑Fache bis zum 40‑Fachen findet sich hier in der Literatur alles. Nun könnte man meinen, dass die Linken genau dafür eine Kommission gründen wollen, um also herauszufinden, was denn der richtige Faktor ist. Um Transparenz und Klarheit geht es, könnte man meinen. Doch da kennen wir die Linke besser. Noch in der letzten Legislaturperiode haben Sie in diesem Haus einen Gesetzentwurf vorgelegt und wollten den Ländern vorschreiben, die Staatsleistungen abzulösen, wohlgemerkt mit einer Einmalzahlung in Höhe des Zehnfachen des bisherigen Jahresbetrags. Damals brauchten Sie keine Kommission, um die korrekte Höhe der Staatsleistungen zu bestimmen. Damals kannten Sie diese schon vorher. Daran sieht man, dass es Ihnen nicht darum geht, Transparenz zu schaffen. Vielmehr möchten Sie etwas ganz anderes. Sie wollen die Staatsleistungen abschaffen.
Kollegin Horb, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich möchte keine Zwischenfrage zulassen. – Zu fordern, dass diese Staatsleistungen abgeschafft werden, ist Ihr gutes Recht. Leider geben Sie aber dabei – wie so oft – Geld aus, das Ihnen gar nicht gehört. Das ist in diesem Fall besonders perfide; denn – Kommission hin oder her – billig wird die Ablösung dieser Staatsleistungen für die Länder nicht.
Ich habe mir für mein Heimatland Baden-Württemberg die entsprechenden Zahlen einmal genauer angeschaut. Im Jahr 2016 überweist Baden-Württemberg an die beiden katholischen Diözesen und die beiden evangelischen Landeskirchen Staatsleistungen in Höhe von nicht weniger als 118 Millionen Euro.
Das ist zweifellos viel Geld, aber man muss auch bedenken, dass der Landeshaushalt selbst ein Volumen von über 46 Milliarden Euro hat. Bei den Staatsleistungen reden wir also hier von 2,5 Promille der Gesamtausgaben. Das ist haushalterisch tragbar. Wenn wir die Staatsleistungen ablösen, dann reden wir nicht mehr nur über 118 Millionen Euro in Baden-Württemberg. Wenn wir den Ablösefaktor von 18,6 zugrunde legen, dann landen wir bei einer Größenordnung von 2 Milliarden Euro, allein bezogen auf Baden-Württemberg.
Das ist ein ganz schöner Brocken. 18,6 ist der kleinste Faktor, den ich in der seriösen Literatur habe finden können. Es gibt Wissenschaftler, die noch höhere Zahlen ansetzen. Solche Rechnungen muss man für jedes andere Bundesland auch anstellen – und das in einer Situation, in der ab 2020 für die Länder die Schuldenbremse greift.
Das heißt nicht, dass man Staatsleistungen nicht ablösen kann. Inhaltlich können wir hinsichtlich der Staatsleistungen über alles reden, aber die Initiative dafür muss zwingend von den Ländern ausgehen; denn diese zahlen am Ende die Zeche. Gegen die Länder und ohne Absprache mit den Ländern werden wir dies mit Sicherheit nicht tun. Wir werden keine Evaluierungskommission einsetzen. Das wäre einfach unredlich.
Liebe Linke, ich mache Ihnen jetzt einen Vorschlag. Sie sind an einigen Landesregierungen beteiligt. In Thüringen stellen Sie, sehr zu meinem Leidwesen, sogar den Ministerpräsidenten. Wenn Sie eine Kommission zur Evaluierung der Staatsleistungen gründen wollen, dann machen Sie es dort, in den Ländern; denn da gehören diese Kommissionen hin. Was hört man jetzt aus Erfurt zu den Staatsleistungen? Nichts. Im Bundestag die Anträge vorlegen, aber in den Ländern die Füße hochlegen. So geht das nicht, liebe Linke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der historische Hintergrund und der Umfang der Staatsleistungen sind nämlich in den Ländern, wie bereits ausgeführt, höchst unterschiedlich. Eine Evaluierung sollte daher selbstredend vor Ort stattfinden. Jedes Bundesland hat die Möglichkeit, im Einvernehmen mit den Kirchen die Staatsleistungen zu verändern, umzugestalten, abzulösen und vorher meinetwegen auch eine Evaluierungskommission zu gründen. Wenn die Länder das tun – gut. Wenn sie das nicht tun, dann lässt das eigentlich nur den Schluss zu, dass die Länder mit dem derzeitigen System zufrieden sind. Noch einmal: Es sind die Länder, die dies bezahlen müssen. Die Länder brauchen den Bund nicht, wenn sie die Staatsleistungen ablösen wollen.
Der vorliegende Antrag, den die Linke hier stellt, ist daher ein bisschen heuchlerisch, ein bisschen unredlich, aber auf jeden Fall unnötig. Also, liebe Linke, wenn ihr das nächste Mal einen Antrag von der FDP abschreibt, dann sucht euch bitte einen Vorschlag aus, der ein bisschen sinnvoller ist. Diesen Antrag werden wir vonseiten der CDU/CSU-Fraktion auf jeden Fall ablehnen. Ich hoffe, dass Sie mich bei Ihrem nächsten Antrag zitieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Wawzyniak das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6756311 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 165 |
Tagesordnungspunkt | Evaluierung der Staatsleistungen an Kirchen |