27.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 1

Elisabeth MotschmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum Umgang mit der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Pressefreiheit liegt in der Türkei am Boden; da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen. Das wird auch niemand tun. Diese Situation besorgt uns aus drei Gründen: Erstens. Die Türkei ist ein NATO-Partner. Zweitens. Sie will Mitglied in der EU werden. Drittens. Die Türkei ist aus strategischen Gründen für uns wichtig.

Jedem ist klar: Ohne Pressefreiheit kann es keine Mitgliedschaft in der EU geben; das ist völlig unbestritten. Es kann sie übrigens auch nicht ohne Religionsfreiheit, ohne unabhängige Justiz und ohne Einhaltung von Menschenrechten geben. Wenn das nicht gewährleistet ist, wird die Türkei kein Mitglied der EU werden können. Sie wird es auch nicht werden können – es sei mir hier noch erlaubt, das besonders zu betonen –, wenn die Frauenrechte nicht gewährleistet sind.

Blicken wir einmal einen Augenblick zurück: Das Ringen um die Presse- und Meinungsfreiheit hat sehr früh begonnen. Wenn man darauf schaut, wird einem klar, wie erkämpft und gar nicht selbstverständlich sie ist. Schon vor 400 Jahren formulierte John Milton, ein Vordenker der Pressefreiheit:

Die Freiheit steht an der Wiege aller großen Gedanken. … Gebt mir die Freiheit zu wissen, mich mitzuteilen und, vor allem, frei nach dem Gewissen zu urteilen.

Diese Worte sind nach 400 Jahren aktueller denn je. Freiheit ist das Fundament der Demokratie, und insofern gibt es da keinen Rabatt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das merke ich mir!)

– Ja, bitte! Es freut mich, wenn Sie sich einen Satz merken, den ich Ihnen sage. Das kann ja nicht falsch sein. – Übrigens hat auch Immanuel Kant engagiert für die Freiheit des Denkens geworben und von der Freiheit der Feder gesprochen. Insofern haben wir allen Grund, die Presse- und Meinungsfreiheit zu verteidigen und sie auch als Eintrittskarte für jegliche Mitgliedschaft in der EU zu benutzen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das schon mal mit Ihrer eigenen Bundesregierung diskutiert?)

Aber das, was für uns selbstverständlich ist – Artikel 5 Grundgesetz –, ist in vielen Ländern nicht selbstverständlich. In Russland, in China und im Iran ist das nicht selbstverständlich. Ich könnte die Liste beliebig verlängern. Egal, wo die Pressefreiheit gefährdet ist – Sie sind da immer ein bisschen auf dem linken Auge blind –, müssen wir das anmahnen. Ein selektives Gewissen – da habe ich bei Ihnen manchmal ein bisschen Sorge – kann es nicht geben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte? Was ist denn das für eine Unterstellung? Wo thematisieren wir das denn nicht, Frau Motschmann? Das müssen Sie schon sagen! Wo sind wir einseitig, Frau Matschmann? Das müssen Sie schon liefern! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Beispiel!)

Die Tatsache, dass der türkische Präsident die Pressefreiheit ohne Frage zurzeit mit Füßen tritt, müssen wir natürlich in aller Deutlichkeit kritisieren, und genau das tut die Bundeskanzlerin, und genau das tut der Außenminister. Sie brauchen auch gar keine Listen, Herr Bartsch; denn die Namen sind ja bekannt. Sie haben sie doch alle genannt. Man muss also weder der Bundeskanzlerin noch dem Außenminister eine Liste zustecken. Das haben die – dessen seien Sie ganz gewiss – gut im Kopf.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nein, Herrn Erdogan! Das haben Sie jetzt völlig falsch verstanden!)

– Ja, gut, sie soll sie aber nennen und das bei Erdogan einfordern.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das wäre auch ganz gut, machen sie aber auch nicht!)

Natürlich ist es eine Schande, Frau Göring-Eckardt, dass die Türkei in Bezug auf die Pressefreiheit auf Platz 51 liegt.

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 151!)

– Entschuldigung! 151, das meinte ich auch. – Schlechter geht es bald gar nicht mehr. Das ist eine Schande. Vor allem ist es eine Schande für dieses Land. Das hätte etwas Besseres verdient. Es bleibt nur die Frage, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Sollen wir etwa deshalb nicht mit der Türkei verhandeln, wenn es um die Flüchtlingsfrage geht? Das wäre doch genau falsch. Sprechen, diskutieren, verhandeln und auch streiten ist das Gebot der Stunde. Der türkische Ministerpräsident Davutoglu – er ist hier schon wiederholt zitiert worden – hat gesagt: Wir können über alles reden, auch über die Pressefreiheit. – Dann tun wir es doch auch! Wir dürfen die Brücken, die es ohne Frage gibt, nicht abbrechen, sondern müssen versuchen, sie zu stabilisieren.

Viele Menschen – dazu gehört auch Herr Bartsch – fürchten, dass wir durch die aktuellen Vereinbarungen mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage erpressbar seien. Das ist doch total falsch. Sie wissen das selber, Herr Bartsch.

(Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Was ist denn die Realität?)

Niemand will das, schon gar nicht die Bundesregierung.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Von wollen war auch nicht die Rede!)

Pressefreiheit ist nicht verhandelbar. Gerade weil wir mit der Türkei in enger Verbindung stehen, haben wir doch die Möglichkeit – ich beende meine Rede, Frau Präsidentin –, Einfluss zu nehmen und auch Druck auszuüben.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Machen, machen, machen!)

Die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit ist in kommunistisch regierten Ländern ebenso anzuprangern – das sollten Sie sich merken – wie in islamisch regierten Ländern. Einen Unterschied gibt es nicht. Das, finde ich, ist wichtig. Ich bin gespannt auf die nächste Aktuelle Stunde zum Thema Russland, China oder Ähnliches.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die sind aber nicht mehr kommunistisch regiert, Frau Motschmann!)

Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6789268
Wahlperiode 18
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Umgang mit der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei
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