Hans-Peter UhlCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum Umgang mit der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns hier im Deutschen Bundestag auf Antrag der Grünen mit der türkischen Innenpolitik.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte? – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Pressefreiheit!)
Ich darf in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass die eigentliche Aufgabe des Bundestages
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ein Spiegel -Korrespondent rausgeschmissen wird, ist das nicht türkische Innenpolitik!)
die Kontrolle der deutschen Regierung und nicht der türkischen Regierung ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben aber gar nichts verstanden, oder?)
Aber das ist wohl auch den Grünen und selbst den Linken aufgefallen. Deswegen musste ein krampfhafter Versuch gemacht werden, aus dem erkennbar türkischen Fehlverhalten deutsches Fehlverhalten zu machen.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es gibt einen Zusammenhang!)
Dies treibt nun ganz besondere Blüten. Da kommt der Kollege Bartsch daher und rügt lautstark, dass auf dem Zettel, wie er sich ausgedrückt hat, der Bundeskanzlerin auf dem Weg nach Ankara bestimmte Namen von in der Türkei Verfolgten nicht gestanden hätten. Woher wissen Sie das eigentlich, Herr Bartsch?
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ich frage!)
– Ach, Sie fragen. Okay.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Antworten Sie doch mal!)
Ich habe ja mal fragen dürfen.
Dann kommt die Frau Göring-Eckardt mit folgendem Gedankengang – da treibt der deutsche Schuldkomplex eine ganz besondere Blüte –: Wären wir – Ihrem – Joschka Fischer gefolgt, wäre die Türkei schon vor zehn Jahren in die EU aufgenommen worden,
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es verhindert! Das stimmt!)
und alles hätte sich völlig anders entwickelt. – Also sind doch die Deutschen schuld an der Entwicklung in der Türkei.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon habe ich gar nicht geredet, Herr Uhl! Das haben Sie geträumt! Wer hat Ihnen das aufgeschrieben, was Sie da sagen? Ich habe es gar nicht gesagt, Herr Uhl! Sind Sie verrückt geworden? – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie überhaupt zugehört?)
Das ist der deutsche Schuldkomplex auf besonders feinsinnige Art.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Von deutschem Schuldkomplex hat hier niemand gesprochen!)
– Ich erlaube mir, davon zu sprechen.
Ich möchte daran erinnern, dass der Herr Erdogan vom türkischen Volk in direkter Wahl mit 52 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt wurde.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das macht es nicht besser!)
Frau Roth, Sie sagen: Wir müssen zwischen dem türkischen Volk und Herrn Erdogan unterscheiden. – Da mahne ich zur Vorsicht. Als Demokratin kann man 52 Prozent nicht einfach negieren.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sage ich, er ist nicht die Türkei, die 48 Prozent sind anders!)
Nun bin ich der Letzte, der bei der Psychostruktur dieses Herrn sagt: Das können wir in aller Ruhe mit ihm wegverhandeln.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welchen Schuldkomplex haben Sie denn?)
Ich befürchte eher, dass dieser Staatspräsident mit seinem weiteren Vorgehen noch viele unliebsame Überraschungen vorhat, auch was die Migration anlangt.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sollte man Tacheles mit ihm reden und sich nicht erpressen lassen!)
Deswegen ist es richtig, über Erpressbarkeit nachzudenken. Ich sage zum Thema Erpressbarkeit in Bezug auf Erdogan nur eines: Wenn wir das Schicksal Deutschlands allein in die Hände dieses Herrn legen würden,
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja!)
dann – um Gottes Willen – wären wir wirklich erpressbar. Deswegen kann ich davor nur warnen.
Wir kommen zu ganz anderen Schlüssen als Sie, Frau Roth.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht neu!)
Wir kommen zu dem Schluss, dass wir neben der Sicherung der EU-Außengrenze durch Erdogan durchaus parallel noch Binnengrenzkontrollen nach dem Motto des Volksmundes: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“, vornehmen müssten, um uns diesem Herrn nicht ganz auszuliefern. – So viel zu diesem Thema.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein schmutziger Deal muss es nicht sein. Wer das Lager, das in der Türkei gebaut wurde, gesehen hat – nur 270 000 Menschen sind dort –,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: PR-Show! – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Inszenierung!)
muss sagen, dass das ein Vorzeigelager ist und es sich lohnt, hier Geld hineinzustecken.
Zweitens. Es ist auch wichtig, dass wir noch mehr Geld ausgeben, um die Menschen in der Region zu halten, um dort einen Bleibegrund zu schaffen, damit dort Schulausbildung, Berufsausbildung und Ähnliches stattfinden kann, damit sie die Region nicht verlassen. Das ist, denke ich, kein schmutziger Deal, sondern eine gute Nachricht.
Aber ich möchte etwas anderes sagen, weil es um die Meinungsfreiheit überall auf der Welt ging. Machen Sie mit mir einmal das Gedankenexperiment: Dieser Herr Böhmermann hätte das, was er in die Kamera gesagt hat, nicht Erdogan, sondern Putin gewidmet. Herr Bartsch, hätten Sie dann auch eine Aktuelle Stunde beantragt?
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wir waren es nicht! Es waren die Grünen! Etwas völlig anderes! – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich könnte mir vorstellen, dass nicht nur die deutsche Parteienlandschaft, sondern auch die deutsche Medienlandschaft ganz anders darüber gesprochen und reagiert hätte. Aber im Fall Erdogan ist es ja möglich.
Ich habe mit Burkhard Hirsch normalerweise nichts am Hut, aber hier hat er recht. Ich habe von ihm einen Leserbrief gelesen. Dort schreibt zu Böhmermanns – er setzt es in Anführungszeichen – „Kunst“:
… primitive Aneinanderreihung beleidigender, mieser …
Er fährt fort:
Ich bin leidenschaftlich für die Pressefreiheit, aber nicht für eine Beleidigungsfreiheit …
Das ist auch richtig, Herr Hirsch. Auch das sollte man sich einmal durch den Kopf gehen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte zum Schluss kommen. Die EU hat einen Vertrag mit Erdogan. Ich kann nur dringend ermahnen, nicht nur den Vertragstext zu lesen und zufrieden mit nach Hause zu nehmen – Papier ist geduldig –, sondern auch an den Vollzug des Vertrags zu denken. Ich möchte mahnen, die Gesetze, die er erlässt, nicht nur zu lesen und zu glauben, sondern auf den Vollzug der Gesetze zu achten. Dieser Herr ist für Willkür allemal geeignet. Deswegen muss man ihn sehr genau überwachen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Erika Steinbach für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6789331 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum Umgang mit der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei |