Gabriele SchmidtCDU/CSU - Flexible Gestaltung der Arbeitszeit
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundestag! Liebe Besucher im Bundestag! Guten Morgen! Wir haben uns sicher alle schon einmal gefragt: Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben? Die Wahrheit liegt – wie so oft im Leben – wohl in der Mitte. Arbeit ist für viele Erfüllung, gehört selbstverständlich dazu und ist sinnstiftend. Idealerweise macht Arbeit Spaß. Arbeit kann auch anstrengend sein, und Arbeit kann Menschen auch krankmachen. Auch keine Arbeit kann krankmachen.
Die Bedürfnisse bzw. die Arbeitswelt insgesamt haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Digitalisierung beeinflusst die Entwicklungen in allen Lebensbereichen. Der Austausch von Informationen, Gütern und Dienstleistungen sowie die Vernetzung der Märkte nehmen immer mehr Fahrt auf.
Die Digitalisierung ist gut und wichtig und richtig und dringender denn je notwendig in einer ländlichen Region wie der, aus der ich komme. Mit dem von Bundesminister Alexander Dobrindt mit aller Kraft und viel Geld vorangetriebenen Ausbau des Breitbandes schließen wir letzte Lücken, fördern Wirtschaftswachstum und auch die Entstehung neuer und flexiblerer Arbeitsplätze.
Erst vorgestern durfte ich, wie einige Kollegen hier auch, einen Förderbescheid für Beraterleistungen für die Breitbandentwicklung entgegennehmen, und zwar für die Gemeinde Pfaffenhausen im Hochschwarzwald. Der Hochschwarzwald hat bekanntlich eine nicht ganz einfache Topografie, was den Breitbandausbau erschwert. Auch Löffingen im Hochschwarzwald kommt in den Genuss der Bundesförderung. Mit dem schnellen Zugang zum Internet machen wir die Betriebe wettbewerbsfähig und investieren in die Zukunft und damit auch in die Flexibilität der Arbeit für Arbeitnehmer.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie vielleicht im falschen Tagesordnungspunkt?)
– Nein, Frau Pothmer. Ich komme zum Punkt. Danke schön für den Hinweis.
Die Digitalisierung hat selbstverständlich unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitszeit und Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das geht von der Gesamtarbeitszeit bis zur Präsenzzeit und zum Homeoffice.
Die tägliche Höchstarbeitszeit ist im Arbeitszeitgesetz geregelt. Es schreibt den Achtstundentag vor, lässt aber auch viele Ausnahmen zu. Ich erinnere nur an die Gastronomen, die eine viel längere Arbeitszeit gefordert haben, was wir im Grunde ablehnen.
Das zeigt, dass Flexibilität in beide Richtungen und von beiden Seiten, der Seite der Arbeitnehmer und der Seite der Arbeitgeber, erwünscht ist, dass die Wünsche und Vorstellungen unterschiedlich und sehr individuell sind. Das zeigt auch, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, um den Bedürfnissen der Beschäftigten und der Betriebe zu entsprechen. Wir müssen beide in den Blick nehmen; die beiden gehören zusammen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Mensch steht für uns Christdemokraten im Mittelpunkt, aber nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der Arbeitgeber; Arbeitgeber sind auch Menschen.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Widerspruch!)
Ich spreche nicht von Großfirmen. Ich spreche nicht von DAX-Konzernen, sondern von vielen Millionen Familienbetrieben, Kleinunternehmern, Mittelständlern, die das Rückgrat unserer Wirtschaft sind und den größten Teil der Arbeitsplätze bereitstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ganz besonders kleine Unternehmen kennen die persönliche Situation ihrer Arbeitnehmer. Sie nehmen Rücksicht darauf, zum größten Teil, freiwillig.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist ja gut so!)
Wenn wir diese mit Gesetzen knebeln,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie es eh machen, knebeln auch die Gesetze nicht!)
wird der Betriebsfrieden leiden, und die freiwillige Bereitschaft zur Rücksichtnahme wird mit Sicherheit abnehmen.
Außerdem haben wir in dieser Legislaturperiode bereits einige wichtige Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitsbedingungen und damit die Lebenssituation von Beschäftigten, insbesondere auch von Familien, zu verbessern. Allen voran ist natürlich der Mindestlohn zu nennen, der rund 3,7 Millionen Beschäftigten im Niedriglohnbereich, davon zwei Drittel Frauen, eine neue Perspektive eröffnet. Wir haben die Betreuung von Kindern ausgebaut und tun es weiter, was vielen Hunderttausend Familien zu mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit verhilft. Das Elterngeld Plus wurde eingeführt. Die Familienpflegezeit wurde verbessert.
Auch der im Koalitionsvertrag vereinbarte Rechtsanspruch auf Rückkehr aus der Teilzeit in die frühere Arbeitszeit, der hier schon mehrfach angemahnt wurde, wird folgen.
(Beifall des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD] – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?)
Das haben Sie in Ihrem Antrag richtig erkannt, liebe Kollegen: Das haben wir noch nicht angepackt. Aber erstens haben wir schon eine Menge sozialpolitischer Vorhaben abgearbeitet, und zweitens dauert die Legislaturperiode bekanntlich vier Jahre. Also: Hoffnung, Kollege Rützel!
(Bernd Rützel [SPD]: Sehr gut! Die stirbt zuletzt! – Beifall bei Abgeordneten der SPD)
– Danke für diesen Applaus. Ihr wisst schon, was ich meine. Wir sind in der Koalition. Nur, falls es da Zweifel gibt!
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, die sind in der Opposition!)
Längst ist das Thema „Zukunft der Arbeit“ ganz oben auf der Agenda der Union. Da brauchen wir keine Nachhilfe. Am 15. Dezember letzten Jahres haben wir auf dem Parteitag der CDU Deutschlands in Karlsruhe intensiv über das Positionspapier „Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit“ diskutiert und es einstimmig angenommen. Wir reagieren damit auf die Veränderungen in der Arbeitswelt, auch auf den Wunsch nach mehr Souveränität in der Arbeitszeit. Ich kann das hier nicht alles ausführen. Sie können es aber gern unter www.cdu.de nachlesen, liebe Kollegen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Bundesregierung, die hier schon gescholten wurde, hat längst ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Die Opposition ist mit ihrer Forderung da ein bisschen hinterher. Das Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit dem Titel „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ setzt genau hier an. Es geht darum, Arbeit wirtschaftlich und sozial verträglich zu gestalten. Bis 2020 sind für das gesamte Programm etwa 1 Milliarde Euro vorgesehen. Die Bundesarbeitsministerin hat außerdem verkündet, einen Arbeitszeitdialog zu führen – mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften, den Kirchen –, was ich ausdrücklich begrüße. Darüber hinaus plant das Ministerium ein Wahlarbeitszeitmodell.
Auch bei anderen Themen malt die Opposition ein düsteres Bild von Deutschland. Warum eigentlich? Die Sklaverei ist abgeschafft. Über die Veränderungen in der Arbeitswelt hat mein Kollege Lagosky schon alles richtig ausgeführt. Sie scheinen da doch ein paar positive Entwicklungen verpasst zu haben. Es ist nicht alles so schlecht, wie Sie es manchmal darstellen. Ganz im Gegenteil: Die Mehrheit der Beschäftigten ist mit ihrer persönlichen Arbeitssituation zufrieden.
Ich selbst war lange Jahre berufstätig und alleinerziehend, in einer Zeit, als es noch keine Ganztagskitas, keine verlässlichen Grundschulen und anderes gab. Am flexibelsten in all den Jahren war mein Arbeitgeber – und das ist schon über 25 Jahre her. Diese Erfahrung haben viele Arbeitnehmer in meiner Umgebung auch gemacht. Während einer längeren Krankheitszeit habe ich sehr viel Homeoffice gemacht, auch ohne Gesetz. Und wenn Sie meiner persönlichen Erfahrung nicht glauben, dann fragen wir einmal die Statistik. Laut einer Befragung von Erwerbstätigen aus 2012 des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mit den Schwerpunkten Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastungen und gesundheitliche Beschwerden sind fast 80 Prozent der Befragten mit den Arbeitszeiten zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, kommt zu dem Ergebnis, dass nur jeder Achte mit seiner beruflichen Tätigkeit unzufrieden ist. Es gibt laut DIW auch kaum Unterschiede beim Ausmaß der Zufriedenheit hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Soll bedeuten, dass Arbeitnehmer nicht weniger zufrieden sind, wenn sie zum Beispiel Sonntags- oder Nachtarbeit leisten müssen oder eine Vollzeit- oder eine Teilzeitstelle haben.
Frau Kollegin, es gibt den Wunsch einer Zwischenfrage von Frau Pothmer. Mögen Sie die zulassen?
Gerne, ja.
Liebe Frau Schmidt, Sie haben mit Ihren statistischen Zahlen, die Sie hier gerade vorgetragen haben, den Eindruck erweckt, als gebe es eine hohe Zufriedenheit mit dem Arbeitsumfang bei den Beschäftigten. Wie erklären Sie sich dann, dass 1,35 Milliarden Stunden nicht geleistet werden, weil die Wünsche der Beschäftigten nicht berücksichtigt sind?
Ich glaube, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Wenn Arbeitsstunden nicht geleistet werden, kann das unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel weil man gar keine Arbeitskräfte findet, die die Stunden leisten könnten.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Die Beschäftigten, die schon in Arbeit sind, wollen mehr arbeiten!)
– Das ist vielleicht eine Frage der Fragestellung des Fragenden.
(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Will also sagen: Die Statistiken können auf verschiedene Weise erfasst werden. Sie werden aber nicht dem Bundesinstitut für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unterstellen wollen, dass sie eine falsche Statistik herausgeben.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich zitiere mit 1,35 Milliarden Stunden das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung!)
– Gut, danke schön. Ich nehme das zur Kenntnis.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das freut mich!)
Es gibt auch europäische Erhebungen wie die sechste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen, bei der unter anderem die Frage nach Dauer und Organisation der Arbeitszeit gestellt wurde. Auch hier geben die meisten Erwerbstätigen an, dass sie mit den Arbeitszeiten in ihrem Hauptberuf zufrieden sind. Zusammengefasst heißt das nach dem, was ich vorgelegt habe, dass laut politisch und wirtschaftlich unabhängigen Institutionen Deutschland international zu den Spitzenreitern bei der Arbeitszufriedenheit gehört. Ich habe noch eine Statistik des IAB mitgebracht, auf die ich aber verzichten will. Lassen Sie mich mit einem Satz von Konrad Adenauer schließen:
Man kann keine Sozialpolitik treiben, wenn nicht eine starke, gute und ertragreiche Wirtschaft sowie die finanzielle Unterlage für die Sozialpolitik vorhanden sind.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Michael Schlecht, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6791662 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 167 |
Tagesordnungspunkt | Flexible Gestaltung der Arbeitszeit |