28.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 5

Eva HöglSPD - Änderung des Sexualstrafrechts

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung sind unantastbar. Sie sind hohe Rechtsgüter, und zwar für alle Menschen und in allen Situationen. Deswegen unterstütze ich alle, die hier heute schon gesagt haben, dass wir eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts brauchen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU] – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist der?)

– Den machen wir noch, nur Geduld.

Wir haben folgende vier Probleme im Sexualstrafrecht: Wir haben eine Schieflage zwischen Eigentumsdelikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wohl wahr!)

Das ist schon beschrieben worden. Diejenigen, die ihre sexuelle Selbstbestimmung verteidigen wollen, müssen dies aktiv tun. Bei Eigentumsdelikten ist dies nicht erforderlich. Das ist eine Schieflage, die wir abschaffen müssen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Schieflage führt dazu, dass es bei den Strafverfahren viel mehr um das Verhalten der Opfer geht – das hat Frau Winkelmeier-Becker schon hervorgehoben – als um das Verhalten der Täter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Opfer müssen immer begründen, warum sie sich wie in welcher Situation verhalten haben. Die Absurditäten kennen wir alle, bis zu der Frage, ob man sich an dieser dunklen Ecke hätte aufhalten müssen oder diese Kleidung hätte tragen müssen. Das ist inakzeptabel. Das führt dazu, dass wir wenige Anzeigen und wenige Verurteilungen haben. Deswegen haben sich viele sehr intensive Gedanken gemacht, wo genau die Schutzlücken in unserem Strafrecht liegen. Es ist unsere Aufgabe, diese Schutzlücken, diese Strafbarkeitslücken, mit einer besseren Regelung zu schließen.

Unser Ziel – ich habe wahrgenommen, dass es viele sind, die dieses Ziel haben – ist: Nein heißt nein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Wir wollen jede Form der nicht einvernehmlichen sexuellen Handlung unter Strafe stellen. Das drückt sich in der Formel „Nein heißt nein“ aus. Das ist im Übrigen schon lange unser Ziel. Deswegen ist es genau richtig gewesen, dass das Justizministerium eine Strafrechtskommission mit Expertinnen und Experten eingesetzt hat, die den Dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs grundlegend überarbeiten soll. Das ist genau der richtige Ansatz.

Es ist auch richtig, dass wir heute einen Gesetzentwurf beraten, die Schutzlücken, die wir schon identifiziert haben, jetzt schnell zu schließen. Das ist ein erster Schritt in eine absolut richtige Richtung. Wir wissen auch genau, dass dieser Schritt einigen schon viel zu weit geht und dass einige dazu beigetragen haben, dass wir den Gesetzentwurf erst jetzt beraten können und nicht schon viel früher; denn er hat mindestens ein halbes Jahr im Bundeskanzleramt gelegen, und zwar nicht, weil er nicht weit genug geht, sondern weil er zu weit geht.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich will das einmal ganz deutlich sagen –, sind wir hier in einer misslichen Situation. Einerseits arbeitet eine Strafrechtskommission an einer umfassenden Regelung, und andererseits wollen wir jetzt die Chance nutzen, zumindest die identifizierten Schutzlücken zu schließen, von denen wir bereits wissen. Deswegen wissen wir ganz genau, dass wir jetzt die Chance ergreifen sollten, das Strafrecht zu verbessern,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

jetzt den Gesetzentwurf noch in zwei Richtungen zu verbessern, nämlich die sexuelle Belästigung aufzunehmen – auch das ist eine wichtige Schutzlücke, die wir dringend schließen müssen – und den Gesetzentwurf in Richtung „Nein heißt nein“ weiterzuentwickeln. Wir können nicht darauf warten; denn zum Beispiel aus der Debatte zur Vergewaltigung in der Ehe wissen wir, dass es vom ersten Antrag 25 Jahre gedauert hat, bis dieses wichtige Vorhaben im Gesetz seinen Niederschlag gefunden hat.

Ich setze auf die Zusammenarbeit der Frauen, ganz klar. Wenn wir heute die Debatte sehen, dann haben wir auch eine Chance. Frauenverbände haben sich für die Regelung „Nein heißt nein“ ausgesprochen. Wir haben über die Fraktionsgrenzen hinweg flammende Plädoyers gehört. Ich habe gerne applaudiert: bei Halina Wawzyniak, bei Ulle Schauws, bei Frau Winkelmeier-Becker. Wenn wir uns jetzt hier ganz tief in die Augen schauen und sagen, wir wollen „Nein heißt nein“, wir wollen den guten Gesetzentwurf von Heiko Maas und dem Justizministerium noch nachbessern, dann sollten wir diese Chance ergreifen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Katja Keul, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6791782
Wahlperiode 18
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Änderung des Sexualstrafrechts
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