28.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 7

Astrid FreudensteinCDU/CSU - Arbeit für Menschen mit Behinderungen

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist das Thema gar keines, über das man so viel diskutieren müsste; denn wir sind uns in vielem einig. Wir sind uns darin einig, dass Menschen Arbeit brauchen, und zwar Arbeit, die ihnen Freude macht, und dass es zunächst einmal keinen Unterschied macht, ob der Mensch eine Behinderung hat oder nicht. Wir alle wissen auch, dass man sich mit Handicap auf dem Arbeitsmarkt oft schwertut. Wir alle würden uns wünschen, dass wir über dieses Thema nicht mehr diskutieren müssten, weil es kein Thema mehr ist, weil irgendwann alle auf dem Arbeitsmarkt unterkommen, egal ob sie ein Handicap haben oder nicht.

Aber dann gibt es schon auch wieder Unterschiede, und zwar in der Problembeschreibung. In Ihrem Antrag bezeichnen Sie die Situation von behinderten Menschen als alarmierend und rechnen vor, dass im vergangenen Jahr 10 000 Schwerbehinderte mehr arbeitslos gewesen seien als noch fünf Jahre vorher. Das mag sein. Aber Sie verschweigen natürlich, dass die Gesamtzahl der Schwerbehinderten in Deutschland noch viel stärker gestiegen ist, was vor allem demografische Gründe hat. Im Endergebnis ist es so, dass heute gut 100 000 Schwerbehinderte mehr beschäftigt sind als noch 2010, und das ist eine gute Nachricht; auch das sollten wir erwähnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, es bringt uns allen nichts, wenn wir die Situation schlechter darstellen, als sie ist. Es gibt noch mehr positive Entwicklungen, die Sie in Ihrem Antrag ausblenden. Die Beschäftigungsquote für Schwerbehinderte in den Unternehmen, die Menschen mit Handicap beschäftigen müssen, liegt inzwischen bei 4,7 Prozent. Das ist so viel wie nie zuvor. Immer mehr beschäftigungspflichtige Arbeitgeber beschäftigen auch wirklich Menschen mit Behinderung – so viele wie nie zuvor.

Der Kollege Schummer hat schon vorgestellt, wie wir die Situation von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt weiter verbessern wollen, zum Beispiel durch Integrationsfirmen, zum Beispiel durch das Budget für Arbeit. Auch das finden eigentlich alle gut.

Der Knackpunkt bei diesem Thema ist natürlich, dass wir die ganz normalen Unternehmen des ersten Arbeitsmarkts dafür gewinnen müssen. Sie müssen die Stellen zur Verfügung stellen, die die Menschen mit Behinderung suchen. Man kann auf ganz unterschiedliche Weise darangehen. Sie versuchen es mit Zwang und mit Strafmaßnahmen. Sie fordern eine um 20 Prozent höhere Beschäftigungsquote, Sie fordern eine deutliche Erhöhung der Ausgleichsabgabe, und Sie fordern eine Pflicht, alle Arbeitsplätze barrierefrei auszubauen.

Da unterscheiden wir uns. Ich bin der Meinung, dass die positive Motivation viel besser ist als aller Zwang und alle Strafen. Auch die Sachverständigen bei der Anhörung haben darauf verwiesen, dass dieser Weg der Überzeugung und Hilfestellung mehr bewirkt, zum Beispiel auch deswegen, weil es verfassungsrechtliche Probleme geben kann, wenn es deutlich mehr Pflichtarbeitsplätze als arbeitslose Schwerbehinderte gibt.

Frau Kollegin Freudenstein, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Rüffer?

Ja, bitte.

Bitte schön, Frau Rüffer.

Vielen Dank. – Frau Freudenstein, der Bundesfinanzminister hat im letzten Sommer – im Juli war es, glaube ich – eine Verdoppelung der Ausgleichsabgabe gefordert. Wie stehen Sie dazu?

Das ist ein Vorschlag in der Debatte gewesen, der vielleicht auch zum Ziel führen kann. Ich glaube aber, dass wir zunächst einmal versuchen sollten, die Arbeitgeber dazu zu bringen, mehr Stellen zur Verfügung zu stellen. Damit ist den Betroffenen mit Sicherheit am allermeisten geholfen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Werner [DIE LINKE]: Die letzten Jahre hat die Motivation nicht gereicht, nicht?)

Ich glaube, dass eine solche Erhöhung der Quote oder der Ausgleichsabgabe – ich habe es eben erwähnt – die Motivation und den guten Willen auf Unternehmerseite nicht unbedingt fördern wird. Aber genau das brauchen wir natürlich. Wir brauchen den guten Willen der Unternehmer, und wir brauchen die guten Beispiele, in denen das Miteinander im Betrieb problemlos klappt. Wir wissen ja, dass die allermeisten Arbeitgeber, die Menschen mit Handicap beschäftigen, schon nach kurzer Zeit überhaupt kein Problem mehr feststellen und hochzufrieden sind. Wo das Miteinander im Betrieb praktiziert wird, da wird es auch zum Normalfall. Genau dahin müssen wir kommen, und zwar ohne Zwang und Strafen, vor allem aber natürlich mit mehr Information der Unternehmen.

Es gibt viel zu viele Unternehmer, die überhaupt nicht wissen, welche Hilfen es gibt, wenn man einen Schwerbehinderten beschäftigt. Die Zahlen zeigen: Je größer ein Unternehmen ist, umso besser wissen die Personaler über die Fördermöglichkeiten Bescheid und nehmen sie dann auch in Anspruch. Wir haben ein Riesenpotenzial, gerade im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen. Auf die müssen wir mehr als bisher zugehen und sie informieren. Da sind Modellprojekte wie das schon erwähnte „Wirtschaft inklusiv“ natürlich hoch wertvoll, und hier müssen wir auch noch großflächiger aktiv werden. Deswegen auch heute von meiner Stelle der Appell an die Arbeitgeber, an die Unternehmer: Überwinden Sie die Barrieren im Kopf, beschäftigen Sie ganz gezielt Menschen mit Handicap, werden Sie zum guten Beispiel, werden Sie zum Motivator für andere!

Wenn zu Beginn der Flüchtlingskrise gerade die großen Wirtschaftsverbände noch vielfach die Hoffnung geäußert hatten, dass wir damit vielleicht auch unseren Fachkräftemangel beseitigen können, dann sage ich: Wir haben schon ein großes, nicht gehobenes Fachkräftepotenzial bei uns im Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6792298
Wahlperiode 18
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Arbeit für Menschen mit Behinderungen
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