Sebastian HartmannSPD - Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herrn! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Europa muss endlich anerkennen, dass es ein Einwanderungskontinent ist.
So der deutsche Sozialdemokrat und Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, im Oktober des Jahres 2013.
Seitdem sind viele Monate vergangen, und Europa hat sich gewandelt. Deutschland hat einen enormen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingsströme und der Migration in Europa geleistet. Da muss Deutschland sich nicht verstecken, sondern wir können selbstbewusst auftreten. Wir als deutsche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind stolz darauf, dass wir immer wieder eingefordert haben – deswegen sind wir für diesen Debattenbeitrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dankbar –, dass Zusammengehöriges zusammen behandelt wird. Wir müssen einerseits internationale Lösungen anstreben, wenn es darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen – auch da werden wir Einigkeit hier im Plenum herstellen und streben dabei vor allem europäische Lösungen an –, weil wir eine Herausforderung, die international ist, national nicht bewältigen können. Andererseits müssen wir als reiches, starkes, liberales, weltoffenes Deutschland insbesondere national unsere Verantwortung wahrnehmen. Das haben wir, glaube ich, im vergangenen Jahr, 2015, wie kein anderes europäisches Land selbstbewusst getan. Hierauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Insofern sage ich auch: Es ist ein Debattenbeitrag. Vieles von dem, was formuliert worden ist, kommt uns sehr bekannt vor. Wir sind gemeinsam dafür eingetreten, dass man zum Beispiel einen europäischen Verteilmechanismus findet und anwendet, weil wir denken: Hier kann Europa gemeinsam gut vorangehen. Zum anderen ist uns aber auch bewusst, dass gerade in dieser Bewährungsprobe Europas nicht jedes Land so gehandelt hat. Das muss man als reicher, als starker Kontinent selbstkritisch eingestehen. Aber auch hier kann Deutschland wiederum vorangehen und seine internationale Verantwortung wahrnehmen, und wir tun das.
Deswegen werden wir fraktionsübergreifend im weiteren Fortgang der Debatte zu einzelnen Punkten aus dem Antrag sagen können: Das übernehmen wir. Das ist unsere Auffassung. Das sehen wir genauso. Da haben die Grünen etwas aufgeschrieben, was hier im Plenum schon lange Konsens war. Über andere Punkte wird man sich streiten müssen.
An dieser Stelle muss man dann aber auch sagen: Ja, die Türkei ist ein Schlüsselland, wenn es darum geht, vor allen Dingen das Schlepperunwesen zu bekämpfen. Wir beklagen, dass es im Mittelmeer zu tragischen Unglücken kommt, die niemanden kaltlassen. Jeder einzelne Flüchtling, der auf einer dieser Routen ertrunken ist, ob es nun eine Verlagerungsroute ist oder nicht, ist einer zu viel, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, es darf hier nicht darum gehen, nachzuweisen, wer derjenige ist, der am besten dagegen vorgeht. Vielmehr ist das etwas, wo wir hier über alle Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam etwas zu erreichen versuchen.
(Beifall bei der SPD)
Aber wir müssen auch handeln.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wo bleibt denn die Seenotrettung?)
– Frau Kollegin Jelpke, Sie haben zugesagt, dass Sie mir sehr genau zuhören werden.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Seenotrettung ist das Stichwort!)
Ich habe Ihnen auch zugehört. Zu dem, was Sie formuliert haben, muss man, glaube ich, sehr deutlich sagen: Das Geld, das die EU gemeinsam gibt, wird nicht im türkischen Haushalt versickern. Auch hier wird Europa gemeinsam handeln, indem wir über die EU-Programme dafür sorgen, dass das Geld bei denen in der Türkei ankommt, die es benötigen, nämlich bei den Flüchtlingen, und zwar zu ihrer Versorgung vor Ort. Darauf werden wir als Große Koalition hier im Haus achten; das können wir auch gemeinsam tun.
(Beifall bei der SPD)
Es würde, glaube ich, dieser Debatte nicht gerecht, einfach eine solche pauschale Behauptung aufzustellen.
Sollte es uns gelingen, ist es allerdings auch eine Bewährungsprobe Europas. Wir haben dann bewiesen, dass es einen Nukleus, einen Kern, gibt, bei dem wir uns als Europäerinnen und Europäer gemeinsam darauf verständigen, handeln zu wollen. Das ist etwas, was überfällig ist. Deswegen werden wir diesen Antrag in den zuständigen Ausschüssen entsprechend beraten.
Ich glaube, dass ein Punkt von uns Deutschen bewusst auf die europäische Ebene der Debatte gehoben werden kann: Das ist der Aufbau einer Integrationsstruktur in den Mitgliedstaaten. Deutschland geht hier voran. Wir werden ein Integrationsgesetz beschließen, das nach der ersten schnellen Versorgung der Menschen greift, die in unser Land gekommen sind. Es sind übrigens viel mehr als in allen anderen Ländern. Wir sind unserer Verantwortung im Jahr 2015 gerecht geworden. Wir tun das auch im Jahr 2016. Aber wir können auch hier als Deutschland vorangehen, indem wir das Integrationsgesetz beschließen, indem wir Integration in unserem Staat organisieren und belegen, dass aus dieser Herausforderung der Flüchtlingskrise eine echte Chance für unser Gemeinwesen, für unsere Gesellschaft werden kann und darüber hinaus sich auch Europa positiv bewähren kann.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Andrea Lindholz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6792484 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 167 |
Tagesordnungspunkt | Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union |