28.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 167 / Tagesordnungspunkt 12

Christian FlisekSPD - Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, der den neuen Rechtsrahmen für die Verwertungsgesellschaften in Deutschland bildet. Vielleicht genießen Verwertungsgesellschaften in der breiten Bevölkerung nicht gerade den besten Ruf. Ich denke, das liegt manchmal in der Natur der Sache, treten sie doch zumeist dann auf, wenn sie Geld einfordern, wenn sie Geld haben wollen. Damit ist ihr Image vielleicht eher dem des Finanzamts vergleichbar.

Aber die Gelder, die diese Verwertungsgesellschaften einsammeln, sind Vergütungen für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke. Das Geld, das diese Verwertungsgesellschaften einsammeln, sammeln sie als Treuhänder ein, um es an die Berechtigten, an die Urheber auszukehren. Diese Vergütungen stellen damit den gerechten Lohn für die Arbeit vieler kreativer Menschen in unserem Land dar.

Es geht um eine ganze Menge Geld. Die 13 Verwertungsgesellschaften, die in Deutschland tätig sind und vom Deutschen Patent- und Markenamt beaufsichtigt werden, sammelten allein im Jahr 2013 mehr als 1,3 Milliarden Euro ein. Deswegen, denke ich, ist es gleich zu Beginn der Debatte sehr wichtig, festzustellen, dass Verwertungsgesellschaften in unserem Land ein wichtiger Faktor in der Kulturlandschaft sind. Sie sind auch eine wichtige Säule der deutschen Kreativwirtschaft.

Verwertungsgesellschaften sorgen dafür, dass Rechte gebündelt werden. Ein Radiosender müsste – das kann man sich angesichts des ganzen Programms, das er jeden Tag abspielt, leicht vor Augen führen – bei jedem einzelnen Künstler oder bei jedem einzelnen Verleger anfragen, ob er eine Lizenz für diesen Song bekommt. Das wäre sehr aufwendig. Die Transaktionskosten, also die Kosten, diese Rechte zu erwerben, wären sehr hoch. Das Verfahren wäre fast zu kompliziert. Das erleichtern Verwertungsgesellschaften, indem sie in ihren Portfolios diese Rechte bündeln und entsprechend anbieten. Sie gewähren damit auch eine erhebliche Rechtssicherheit, weil jeder, der eine Verwertungsgesellschaft als Vertragspartner hat, weiß, dass er hier wirklich valide Rechte erwirbt.

Verwertungsgesellschaften sorgen dafür, dass Urheber und Rechteinhaber an ihr Geld kommen. Ich betone noch einmal: Für viele Kreative – das sind nicht nur die großen Popstars oder die bekannten Künstler, sondern auch die vielen, vielen weniger bekannten Kreativen, die in unserer Landschaft tätig sind – sind Einnahmen aus den Verwertungsgesellschaften mittlerweile ein verlässlicher und planbarer Bestandteil ihres Einkommens.

Die deutschen Verwertungsgesellschaften sind leistungsfähig; aber wie überall ändert sich auch ihr Arbeitsumfeld teilweise drastisch. So entsteht ein europäischer Binnenmarkt. Es entsteht sogar ein digitaler europäischer Binnenmarkt; die Kommission ist da sehr hinterher. In Zeiten der Digitalisierung ist für Content, also für kreative Inhalte, mittlerweile natürlich ein globaler digitaler Markt entstanden. Deswegen ist es notwendig, dass wir unsere Verwertungsgesellschaften wettbewerbsfähig halten. Das tun wir, indem wir ihnen einen wettbewerbsfähigen Rechtsrahmen an die Hand geben.

Im Titel des Gesetzentwurfes ist von der Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie die Rede. Ich möchte sagen: Diese Überschrift ist ein bisschen zu kurz gesprungen; denn die Koalition setzt nicht nur eine EU-Richtlinie um. Wir nutzen vielmehr die Gelegenheit der Umsetzung dieser Richtlinie, um das Wahrnehmungsrecht – wenn Sie so wollen: das Grundgesetz für die Verwertungsgesellschaften – nach nunmehr mehr als 50 Jahren auf eine komplett neue Grundlage zu stellen, indem wir das Verwertungsgesellschaftengesetz jetzt neu aufsetzen. Aus der Pflicht wird gewissermaßen eine Kür. Das markiert durchaus auch eine rechtspolitische Zäsur.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem Bundesminister Heiko Maas und dem hier anwesenden Parlamentarischen Staatssekretär Lange, aber ausdrücklich auch allen Mitarbeitern im Urheberrechtsreferat zu danken. Die Vorlage, die aus dem Ministerium kam, war schon ein sehr gelungener Entwurf. Wir haben im parlamentarischen Verfahren noch zahlreiche Änderungen vorgenommen; aber das Ganze fand immer in einer sehr konstruktiven Atmosphäre statt. Mein Dank gilt genauso den Kolleginnen und Kollegen von der Union, die das Ganze mit uns verhandelt haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es ist klar, dass ein Gesetz, bei dem es um so viel Geld geht, nicht frei von Interessenkonflikten ist. Deswegen haben wir von Anfang an einen intensiven Dialog mit allen Beteiligten geführt und viele Anregungen aufgegriffen. Eines der großen Schlachtfelder, wenn ich das so bezeichnen darf, waren sicherlich die Regelungen zur Privatkopievergütung und zu der Frage, wie die Verfahrensregelungen zur Geräteabgabe in Zukunft ausgestaltet sein sollen.

Man muss sich eines klarmachen: Das Urheberrecht schützt natürlich die Kreativen; aber es dient auch den Nutzern. Jeder Nutzer darf von legal erworbenen Werkstücken Privatkopien anfertigen; das wissen die meisten Menschen. Was die meisten Menschen allerdings nicht wissen, ist, dass sie auf die Geräte, die sie dafür benutzen – USB-Stick, Computer oder Smartphone –, eigentlich eine Abgabe zahlen müssen. Sie selber zahlen sie aber nicht, sondern abgabeverpflichtet sind die Importeure, die Hersteller. Das ist auch gut so.

Ich sage es einmal so: Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass wir über die Frage, ob eine solche Abgabe zu zahlen ist, keinen Streit hatten. Aber wir hatten sehr oft Streit über die Frage, wie hoch die Vergütung sein soll. Zu diesem Thema gab es zum Teil sehr langwierige Gerichtsverfahren. Das Ganze war der Tatsache geschuldet, dass die Beteiligten nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip vorgingen: Solange nicht klar war, wie hoch die Vergütung am Ende wirklich sein soll, hat man gar nichts gezahlt. Das war ein sehr unbefriedigender Zustand.

Im Koalitionsvertrag war eigentlich eine Hinterlegung vorgesehen. Ich bin froh, dass wir davon Abstand genommen haben, weil eine Hinterlegung den abgabeverpflichteten Unternehmen unnötig Geld entziehen würde, ohne direkt an die Begünstigten zu fließen; es würde irgendwo hinterlegt. Wir sind zu einer Sicherheitsleistung übergegangen, haben im parlamentarischen Verfahren aber dafür gesorgt, dass Anreize gesetzt werden, damit sich die Beteiligten möglichst schnell einigen, sei es über Interimsvereinbarungen – das ist der Weg, den wir am liebsten hätten –, sei es über angemessene Teilzahlungen. Wenn einer dieser beiden Wege beschritten wird, dann bedarf es noch nicht einmal einer Sicherheitsleistung. Ich glaube, das ist eine gute Lösung. Wir werden beobachten, wie die Praxis dieses Verfahren aufnimmt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich füge hinzu: Wir werden auch an dem Verfahren selber noch Hand anlegen. Wir werden bei nächster Gelegenheit dafür sorgen, dass das Feststellungsverfahren gestrafft wird. Wir sind der Auffassung, dass es in Zukunft ein zweistufiges Verfahren geben sollte, bei dem in erster Instanz das Bundespatentgericht und in zweiter Instanz der Bundesgerichtshof zuständig ist. Das ist allerdings nicht so einfach, weil wir dafür das Grundgesetz ändern müssen; denn Artikel 96 des Grundgesetzes bedarf hier einer kleinen Änderung. Das werden wir bei nächster Gelegenheit tun, und auch das wird ein Beitrag zur Straffung des Verfahrens sein.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und auch um Zustimmung zu dem Entschließungsantrag der Koalition. Weil meine Zeit hier jetzt langsam abgelaufen ist, gehe ich davon aus, dass spätestens der Kollege Dr. Heck auch noch einmal Stellung zu diesem Entschließungsantrag nehmen und sagen wird, was wir darüber denken.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er muss ja zehn Minuten füllen! – Gegenruf des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das kann er!)

Ich glaube, angesichts des in der letzten Woche beim BGH ergangenen Vogel-Urteils haben wir auch hier Handlungsbedarf.

Dieser Gesetzentwurf ist ein guter Gesetzentwurf. Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf, aber auch dem Entschließungsantrag der Koalition zu!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herr Kollege Flisek, Ihre Zeit war nicht abgelaufen, allenfalls Ihre Redezeit.

(Christian Flisek [SPD]: Herzlichen Dank!)

Als Nächster spricht jetzt der Kollege Harald Petzold für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6792553
Wahlperiode 18
Sitzung 167
Tagesordnungspunkt Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie
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