29.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 168 / Tagesordnungspunkt 24+ZP6+7

Eva Bulling-SchröterDIE LINKE - Tschernobyl und Fukushima - Risiken der Atomkraft

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.

1986, wenige Wochen nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, hat der damalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann, CSU, erklärt, die Bundesregierung sehe „keinen Anlass, ihre eigene Kernkraftpolitik zu überprüfen“, das Restrisiko sei „theoretisch“. Wie theoretisch das war, haben wir 2011 gesehen, als in Japan, einem hochentwickelten Industrieland, ein mit Tschernobyl vergleichbarer Super-GAU stattfand, nämlich in Fukushima.

Heute ist noch einer unter uns, der vor 30 Jahren als Forschungsminister in Bonn war: Heinz Riesenhuber von der CDU, ein großer Befürworter und Förderer der Atomtechnologie in Deutschland. Das blieb er auch nach Tschernobyl. Nach Fukushima ist aber auch er nachdenklich geworden, und in seiner letzten Rede zu Tschernobyl hat er vor kurzem zu großer Einmütigkeit der Fraktionen aufgerufen und ein flammendes Plädoyer für die Energiewende gehalten, die in Deutschland gelingen müsse, damit das Ausland sehe, dass es sich daran ein Beispiel nehmen könne. – So weit, so gut.

Das ist gerade für unsere Nachbarn in Frankreich und in Großbritannien mit seinen unsäglichen Hinkley-Point-Plänen, aber auch für alle anderen Länder von großer Bedeutung.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])

Was macht das Ausland? Das Ausland wundert sich gerade über Deutschland. Sie sagen: Ihr habt die Erneuerbaren wie verrückt gefördert, bezahlbar gemacht und daraus gelernt, und jetzt seid ihr dabei, sie auszubremsen und zu blockieren. Warum erntet ihr diese Früchte nicht?

Die Bundesregierung ist mit dem EEG-Entwurf gerade dabei, die Energiewende zu drosseln und den Ausbau regenerativer Energien zu beschneiden und auszubremsen. Sie hat dies bereits 2012 mit der Solarenergie und 2014 mit der Bioenergie gemacht, die ihre Ausbauziele seither bei weitem nicht mehr erreichen. Das müssen sie aber, wenn wir aus der Atomenergie aussteigen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dem neuen EEG-Entwurf soll jetzt auch den Windanlagen an Land das Leben schwer gemacht werden.

Ich sage Ihnen: Dieser fatale Kurs ist nicht geeignet, um die Versprechen von Paris einzulösen und die Energiewende mit der Kraft voranzutreiben, die eigentlich geboten wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich schlage jetzt einmal vor, dass Herr Riesenhuber – leider ist er nicht da – in Sachen EEG aktiv wird und endlich einmal mit Volker Kauder, Herrn Bareiß und noch einigen anderen Hardlinern aus der CDU, die es ausbremsen wollen, redet und versucht, ihnen beizubringen, was die Stunde geschlagen hat.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Lauter Ehrentitel! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: „Hardlinern“!)

– Lesen Sie doch einmal Ihre eigenen Briefe, und lachen Sie nicht so!

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt komme ich zu Tschernobyl. Man geht heute von circa 100 000 bis 1,3 Millionen Toten aus. Die Schätzungen sind unterschiedlich. Allein 20 000 der 600 000 Liquidatoren starben infolge des GAUs. Jetzt können wir über Totgeburten, Säuglingssterblichkeit und Leukämie reden; das wissen Sie alles. Aber heute sind weltweit immer noch zehn Reaktoren nach Bauart von Tschernobyl in Betrieb. Das ist doch der große Skandal. Die Folgen von Tschernobyl sind spürbar.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Fleisch von Wildschweinen in Bayern zu sprechen kommen. Einige Jäger sitzen ja hier.

(Heiterkeit)

Die zulässigen Grenzwerte im Fleisch werden teilweise um mehr als das 16-Fache überschritten. Im Fleisch des Wildschweins werden bis zu 10 000 Becquerel gemessen. Euer Verbraucherministerium verschweigt das natürlich. Das darf in Bayern wieder niemand wissen. Das halte ich für einen Skandal.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Aber mein Wildschwein wird gegessen, Frau Kollegin! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das erklärt aber, warum der Seehofer so drauf ist!)

Ein Computervirus im Atomkraftwerk jedoch wird gerade von Ihrer Partei, die sonst immer gegen Verbrecher und Terroristen vorgehen will, relativiert.

Frau Kollegin.

Das aber soll man am besten verschweigen.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Nein! Das Wildschwein wird gegessen!)

Also, denkt daran: Ihr müsst noch viel tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin.

Wir sagen: Atomkraftwerke müssen sofort und schnell abgeschaltet werden. Dann wird vieles besser.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Und die Wildschweine gegessen!)

Das Wort erhält nun der Kollege Florian Oßner für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6794494
Wahlperiode 18
Sitzung 168
Tagesordnungspunkt Tschernobyl und Fukushima - Risiken der Atomkraft
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