Marco BülowSPD - Tschernobyl und Fukushima - Risiken der Atomkraft
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, auch von mir herzlichen Glückwunsch und viel Kraft für die weiteren Herausforderungen.
Wir sprechen heute über den 26. April vor 30 Jahren, als ein Atomkraftwerk in die Luft geflogen ist und wir erst Tage später mitbekommen haben, was passiert ist. Ich war damals Schüler. Ich habe mich gefragt: Warum macht man so etwas? Warum sind die Erwachsenen so dumm, eine Technologie einzusetzen, die ihre Kinder maßlos gefährdet? Gibt es eigentlich keine Alternativen? Seit 30 Jahren treibt mich dieses Thema um. Auch nach 30 Jahren haben wir es noch nicht geschafft, weltweit oder zumindest europaweit aus dieser Technologie auszusteigen.
Vor fünf Jahren geschah das Gleiche in Fukushima. Meine Tochter war gerade geboren. So wird mich das Thema wahrscheinlich auch die nächsten Jahre immer noch umtreiben, und es wird dafür sorgen, dass ich mich weiter dafür engagiere, dass nicht nur wir in Deutschland aussteigen, sondern dass wir auch europaweit und weltweit aus dieser Technologie aussteigen. Erst dann gibt es die wirkliche Sicherheit vor Atomenergie. Das sollten uns die Jahrestage lehren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
30 Jahre später stehen wir hier und debattieren. Wir haben in Deutschland den Ausstieg beschlossen. Wir haben heute einen Antrag vorgelegt, der, denke ich, deutlich macht, dass die Mehrheit des Hauses für den Ausstieg ist. Aber auch ich muss zugeben: Herr Oßner, Ihre Rede hat mich nicht gerade ermutigt, dass wir weiter vorankommen. Ich glaube nicht, dass in der Union komplett alle es so sehen, dass dieser Ausstieg richtig ist.
Trotzdem bedanke ich mich, gerade bei Steffen Kanitz, für die sachorientierte Zusammenarbeit. Ich glaube, wir sind ein Stück weitergekommen, auch wenn wir natürlich nicht in allen Dingen einig sind. Darum muss weiter hier gerungen werden. Das werden wir von unserer Seite auch tun.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Steffen Kanitz [CDU/CSU])
Es haben einige gewürdigt – der Würdigung möchte ich mich anschließen –, dass es viele Organisationen gibt, die sich dafür engagieren, nach Tschernobyl der Opfer nicht nur zu gedenken, sondern den Opfern vor allen Dingen zu helfen. Aber es ist ein bisschen so wie mit der Tafel: Eigentlich müsste man Armut und Hunger abschaffen, gerade in einem reichen Land wie Deutschland, und nicht Armenspeisungen durchführen. Deswegen möchte ich, dass sich irgendwann erübrigt, dass den Opfern einer Katastrophe geholfen werden muss; ich möchte, dass neue Katastrophen gar nicht erst entstehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Eine dieser Hilfsorganisationen betreibt ein Projekt mit dem schönen Namen Nadeshda; das heißt Hoffnung. Genau sie sollten wir versprühen. Wir brauchen diese Hoffnung, und dazu brauchen wir den Umstieg. Wir brauchen die Energiewende, und dazu brauchen wir den Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien in Deutschland, dann aber auch europaweit, damit wir diese Hoffnung in die ganze Welt tragen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
30 Jahre nach Tschernobyl und 5 Jahre nach Fukushima haben wir folgende Situation: Viele denken, in Fukushima sei jetzt alles in Ordnung. Aber an den Jahrestagen erfährt man, dass nicht alles in Ordnung ist. So wurde am Mittwoch bei der großen Veranstaltung der SPD deutlich gemacht, dass immer noch jeden Tag 400 Tonnen radioaktives Wasser austreten, die nicht aufgehalten werden können. Jeden Tag 400 Tonnen! Es werden Barrieren aufgebaut, es werden Eismauern gebaut, und es werden Brunnen gebaut. Man sieht daran, dass auch ein Hochtechnologieland wie Japan nach fünf Jahren die Situation immer noch nicht in den Griff bekommt.
Daran sieht man: Erstens. Menschliches Versagen ist immer möglich. Zweitens. Auch technisches Versagen ist immer möglich. Wir sind nicht in der Lage, die großen Katastrophen in den Griff zu bekommen. Das zeigt doch, dass diese Risikotechnologie keine Zukunft hat und wir darauf verzichten müssen, weil wir sie nicht beherrschen können, und zwar nirgendwo auf der Welt, auch nicht in Deutschland.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
30 Jahre später sieht man, dass die Atomkraftwerke an den Grenzen Deutschlands Pannenreaktoren sind. Man sieht, dass die Aufsichtsbehörde in Belgien stark in der Kritik ist. Diese Kritik geht nicht von linken „Spinnern“ oder Leuten, die das schon immer gesagt haben, aus; nein, insgesamt gibt es eine heftige Diskussion in Belgien über die Aufsichtsbehörde, in der sich die Mitglieder selbst nicht grün sind, in der es riesigen Streit gibt und der man nicht trauen kann, dass sie genau das offenlegt, was offengelegt werden muss.
(Beifall der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir dürfen uns nicht einmischen, aber wir dürfen immer wieder darauf hinwirken – das ist sogar unsere Pflicht; deshalb danke ich unserer Ministerin –, dass unsere Nachbarländer erkennen, was unsere Sorgen sind. Wir müssen dafür sorgen, dass wir in Europa einen anderen Weg gehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich muss dazu sagen: Es ist wichtig, dass wir immer wieder darauf dringen. So lese ich in einer aktuellen EU-Parlamentsvorlage – das steht dort wortwörtlich –: Neue Kernkraftwerke sind die entscheidende Quelle für die Grundlast auch in Zukunft. – Wenn ich so einen Satz lese, dann sage ich: Die Ministerin hat recht, dass sie der Antiatomkraftbewegung für ihr Engagement gedankt hat. Wir brauchen diese Bewegung und die Gegner der Atomkraft aber auch in Zukunft, damit wir verhindern, dass Europa die Atomkraft weiter ausbaut.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wir müssen endlich aus der Atomenergie aussteigen. Das muss das Ziel sein, und dafür werden meine Fraktion und ich weiter kämpfen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Philipp Lengsfeld ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt. Er spricht für die Fraktion CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6794547 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 168 |
Tagesordnungspunkt | Tschernobyl und Fukushima - Risiken der Atomkraft |