Matthias SchmidtSPD - Kultur und Geschichte der Deutschen in Osteuropa
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Erinnerung erwächst Verantwortung. Diese oft hergestellte Verknüpfung hat auch heute nicht an Bedeutung verloren. Dieser kurze Satz hat es in sich; denn er betrifft Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Auftrag, der damit verbunden ist, ist vielschichtig und groß, und er entwickelt sich weiter, von Generation zu Generation.
Bei der Frage nach der Erinnerung geht es um die Frage der Wurzeln: Wo kommen wir her? Welche Wege sind wir gegangen? Welche Spuren – man könnte auch sagen: welchen kulturellen Fußabdruck – haben wir hinterlassen? Diese Fragen betreffen oft Gruppen mit gleichen oder ähnlichen Erfahrungshorizonten und sind doch zugleich ganz und gar individuell.
Die uns vorliegende Konzeption will den Auftrag aus § 96 Bundesvertriebenengesetz, dem sogenannten Kulturparagrafen, fortentwickeln, Erinnerung an die „deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa“ bewahren, eine Geschichte, die viele Jahrhunderte zurückgeht. Millionen von Deutschen haben nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verloren. Sie mussten sich umorientieren und haben Leidvolles erfahren. Das dürfen und das wollen wir auch nicht vergessen.
Zugleich sind wir gefordert, diesen Auftrag zur Bewahrung und Vermittlung von Erinnerung weiterzuentwickeln. Europa hat sich verändert, ist größer geworden und damit auch vielfältiger. Junge Menschen – eine wichtige Zielgruppe, Frau Kollegin Grütters, die Sie noch ergänzen können – suchen in diesem Europa nach Identität. Hier kann und sollte Kulturförderung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass junge Menschen historische Entwicklungen nachzeichnen können.
(Beifall bei der SPD)
Sie sollen verstehen, dass Geschichte viele Blickwinkel einnimmt und auch Leidensgeschichten in sich trägt. Wer seine Wurzeln kennt, kann sich im Leben besser verwirklichen.
Im Jahr 2000 hatte die rot-grüne Bundesregierung einen wichtigen Meilenstein dafür gelegt. Die Strukturen der Förderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz wurden systematisiert und fortentwickelt. Das war gut so und hat sich bewährt. Über die Berichte der Bundesregierung erfahren wir regelmäßig, dass die Museen, Forschungseinrichtungen, die Kulturinstitute und die vielen zivilgesellschaftlichen Akteure eine anspruchsvolle und großartige Arbeit leisten. Das verdient unser aller Respekt.
Nun hat sich die Große Koalition die Aufgabe gegeben, dieses Konzept mit dem Ziel verstärkter europäischer Integration weiter fortzuentwickeln und damit auch weiterzudenken. Damit ist die Aufforderung verbunden, Strukturen zu hinterfragen, Prozesse zu beleuchten und Veränderungen anzupacken. Was das heißen kann, dazu gehen die Meinungen auch in diesem Haus durchaus auseinander. Vieles ist diskutabel. Bewegen müssen wir uns in jedem Fall.
Lassen Sie mich dazu einen Satz im Koalitionsvertrag aufgreifen, der die europäische Dimension für das Hier und Heute verdeutlicht:
Die Koalitionsparteien stehen zur gesellschaftlichen wie historischen Aufarbeitung von Zwangsmigration, Flucht und Vertreibung.
Damit stehen wir ad hoc im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingssituation. Dr. Bergner, Sie hatten die empathische Erinnerungskultur für die Vertriebenen genannt. Ich finde, wir müssen das zur Empathie für Flüchtlinge weiterentwickeln. Viele Menschen kommen zu uns und bereichern unseren Kulturschatz mit eigenen kulturellen Fußabdrücken. Auch sie werden sich irgendwann auf die Suche nach ihrer Identität begeben und dabei auch Fragen an uns richten. Wir müssen und wir wollen sie für die europäische Geschichte und damit auch für unsere Geschichte sensibilisieren. Diesen Blickwinkel müssen wir einnehmen, wenn wir den Auftrag „Erinnerung bewahren – Brücken bauen – Zukunft gestalten“ auf breitere Füße stellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie uns – Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss – mutig sein, damit wir am Ende das erreichen, was Europa und auch Deutschland dringend brauchen: im Bewusstsein um das Vergangene eine gute Zukunft für alle zu gestalten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Klaus Brähmig für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6794659 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 168 |
Tagesordnungspunkt | Kultur und Geschichte der Deutschen in Osteuropa |