29.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 168 / Tagesordnungspunkt 25

Klaus BrähmigCDU/CSU - Kultur und Geschichte der Deutschen in Osteuropa

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Als die britische Königin Elizabeth II. aus Anlass ihres Staatsbesuches in der Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Jahr auf die engen Beziehungen des Vereinigten Königreichs zu Europa einging, verdeutlichte sie dies sinnbildlich an den schottischen Wurzeln eines Mannes aus Ostpreußen, eines Mannes, der, genau gesagt, aus Königsberg stammte und mit seinem Wirken Weltgeschichte geschrieben hat: Immanuel Kant. Die Rede der Königin macht eines deutlich: Kein Philosoph, kein Deutscher wird mit seinen Werken häufiger in Reden internationaler Staats- und Regierungschefs zitiert als eben Immanuel Kant, dessen Geburtstag sich im Jahr 2024 zum 300. Male jährt.

Was will ich damit sagen? Mit der heutigen Aussprache würdigt der Deutsche Bundestag zum wiederholten Male in einer Kernzeitdebatte den Kulturraum, dem der Ostpreuße Immanuel Kant entstammte. Es sind dies die früheren Ostgebiete des Deutschen Reiches und die historischen Siedlungsgebiete der Deutschen in Mittelost- und Südosteuropa. Als Kerngebiet der deutschen Geschichte und als Heimat von Millionen Deutscher und ihrer Vorfahren zählen diese Kulturlandschaften bis heute zum Urbestand unserer Kultur. Die bis heute dort lebenden Mitglieder der deutschen Minderheit sind augenfälliges Beispiel dieser langen historischen Verbindung.

Für unser Land, seine Geschichte und unser nationales Selbstverständnis sind diese geografischen Regionen und ihre Metropolen wie Königsberg, Breslau, Danzig, Stettin oder Thorn von zentraler Bedeutung. Es war nicht zuletzt der damalige Direktor des British Museum in London, Neil MacGregor, der in seiner international vielbeachteten Deutschland-Ausstellung zum Jahreswechsel 2014/2015 auf diesen bedeutenden Sachverhalt hingewiesen hat.

Die von der Bundesregierung nun vorgelegte Konzeption zur Weiterentwicklung und Pflege der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa ist ein richtungsweisendes Dokument; denn sie legt ein starkes Bekenntnis zur essenziellen Bedeutung dieses Kulturbereiches ab. So wird die Kulturförderung gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz zu Recht als „Beitrag zur kulturellen Identität Deutschlands und Europas“ gekennzeichnet. Die neue Konzeption stellt die ostdeutsche Kulturarbeit wieder in einen angemessenen historischen Rahmen und erkennt die bleibende Aktualität des Themas „Flucht und Vertreibung“ an. Sie würdigt den Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sowohl zum Wiederaufbau nach dem Krieg als auch zur Kulturarbeit seit über 65 Jahren. Darüber hinaus nimmt sie die deutschen Minderheiten im Ausland anerkennend in den Blick. Relevante Akteure des Kulturbereichs, wie beispielsweise in der jüngsten Kulturpolitischen Korrespondenz kommentiert, stimmen dieser Bewertung zu.

Die Konzeption der Bundesregierung ist mit dem Zusatz „Erinnerung bewahren – Brücken bauen – Zukunft gestalten“ untertitelt. In diesem Zusammenhang ist es von größter Bedeutung, dass die Konzeption auch die Rolle und das fortbestehende grenzüberschreitende Engagement der deutschen Heimatvertriebenen würdigt, die unter großen Verlusten ihre Heimat verlassen mussten.

Auch die heutige Relevanz des Themas in der deutschen Gesellschaft, in der „gut jeder vierte Deutsche einen persönlichen oder familiären Bezug zu den deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen sieht“, bleibt nicht unerwähnt. Aus diesem Grunde ist es richtig, von einer grundlegenden qualitativen Verbesserung zu sprechen, die der Bundesregierung mit dieser Weiterentwicklung der Förderkonzeption aus dem Jahr 2000 gelungen ist. Das klare Bekenntnis, dass der Förderauftrag des § 96 Bundesvertriebenengesetz nicht mit dem Erlöschen der Erlebnisgeneration endet, sondern eine zukunftsweisende Bedeutung entfaltet, verstärkt die positive Zielrichtung der Konzeption.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Kulturbereich steht in vielen Fällen aber auch vor wichtigen Weichenstellungen. Dies gilt auch in finanzieller Hinsicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Mitglieder der deutschen Erlebnisgeneration von Flucht und Vertreibung, die sich bis in die Gegenwart in zutiefst anerkennenswerter ehrenamtlicher Weise um das Andenken an die verlorene Heimat verdient gemacht haben, möchten ihr Engagement nun in jüngere Hände legen. Hierbei müssen wir vonseiten der Politik die notwendige Hilfestellung geben. Vor allem muss unter allen Umständen vermieden werden, dass durch mangelnde Sensibilität in der Gegenwart Teile des unter schwierigsten Bedingungen geretteten und anschließend über mehr als 70 Jahre bewahrten ostdeutschen Kulturguts verloren gehen. Originalobjekte aus dem historischen deutschen Osten sind nicht reproduzierbar. Die heute debattierte Konzeption erkennt diese wichtige Aufgabe an.

Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie deutsches Kulturerbe dauerhaft für die uns nachfolgenden Generationen gesichert werden kann, ist die vor wenigen Wochen vertraglich vereinbarte Überführung der Bestände des Museums Stadt Königsberg aus Duisburg in das Ostpreußische Landesmuseum Lüneburg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auf diese Weise werden die weltweit größte Einzelsammlung zu Immanuel Kant und bedeutende Bestände zur ebenfalls aus Königsberg stammenden Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz zusammenhängend erhalten. Mittels der Sammlung des Ostpreußischen Landesmuseums und der Überlieferung zur früheren Provinzhauptstadt Königsberg wird es künftig möglich sein, die Bestände in ihrem geschichtlichen und geografischen Kontext zu präsentieren. Dies ist von allergrößter Bedeutung. Allein die geschichtliche Tatsache, dass Immanuel Kant seine Heimatstadt und die sie umgebende Provinz zeitlebens nie verlassen hat, macht eines deutlich: Ein wirkliches Verständnis Kants ohne die Berücksichtigung der ihn umgebenden und prägenden Kulturlandschaft Ostpreußens muss unvollständig bleiben. Diese umfassende Einbettung wird künftig in Lüneburg möglich sein. Ich lade übrigens alle Kollegen herzlich ein, Ostpreußen einmal zu besuchen. Es ist immer eine Reise wert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gilt nun, den Bund und das Land Niedersachsen dafür zu gewinnen, mittels einer baulichen Erweiterung des Ostpreußischen Landesmuseums um einen dritten Bauabschnitt die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies ist meines Erachtens alternativlos. Wie wenige andere Themen eignen sich die Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa für eine intensive Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn. So sollten wir beispielsweise den 300. Geburtstag von Immanuel Kant im Jahre 2024 nutzen, um mittels der Brückenfunktion des nördlichen Ostpreußens den kulturellen Dialog mit Russland im Rahmen einer Kant-Dekade zu intensivieren. Die gemeinsame Wertschätzung des Lebens und Wirkens Kants, aber auch der deutschen Geschichte in der heutigen Oblast Kaliningrad ist ein Themenfeld von größter deutsch-russischer Übereinstimmung. Diesen glücklichen Umstand dürfen wir nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Hochgeschätzte Zuhörer, lassen Sie mich abschließend etwas zur Zukunft der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung sagen: Mit der Wahl von Dr. ­Gundula ­Bavendamm zur neuen Direktorin und ihrem klaren Bekenntnis zur Stiftungskonzeption in ihrer heute gültigen Form hat dieses zentrale Erinnerungsvorhaben der Bundesregierung eine gute Zukunft vor sich. Indem die geplante Dauerausstellung ihren Schwerpunkt auf die Flucht und Vertreibung der Deutschen legen wird, wird die Einrichtung ihrem wichtigen Auftrag gerecht. Ein bedeutendes Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte wird damit in der Hauptstadt Berlin präsent bleiben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Kollege Dietmar Nietan hat für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6794661
Wahlperiode 18
Sitzung 168
Tagesordnungspunkt Kultur und Geschichte der Deutschen in Osteuropa
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine